Frage an Hans-Peter Müller von Marianne R. bezüglich Jugend
Sehr geehrter Herr Müller,
ich wüßte gerne ihre Ansicht zur offenen Ganztagsschule(OGS) für Grundschulkinder. Es kann doch nicht sein, dass unsere Kleinen an 5 Wochentagen eine Anwesenheitspflicht haben. Eltern, die ihren Erziehungsauftrag ernst nehmen, nur eine Teilzeitbeschäftigung ausüben um mehr Zeit für ihre Kinder zu haben, werden durch diese "ganz oder gar nicht" Regelung behindert. Außerschulische Förderung, Musikschule, Sportverein, etc. sind nicht möglich. In der OGS gibt es z.Zt. nur eine Betreuung, eine Förderung ist wegen leerer Kassen nicht möglich. Ich bitte um ihre Stellungnahme und ihren Einsatz für eine sinnvolle Regelung.
Mit freundlichem Gruß
Marianne Rentemeister
Sehr geehrte Frau Rentemeister,
ich möchte Ihnen zu Beginn danken für Ihre Zuschrift und Ihr Interesse an meiner Stellungnahme zur OGS.
Zunächst einmal möchte ich Ihnen widersprechen, die OGS ist ein Förder- bzw. Bildungsangebot, welches mit Landesmitteln unterstützt wird und man täte den vielen engagierten MitarbeiterInnen der Träger der OGS unrecht, das Angebot als ein reines Betreuungsangebot wahrzunehmen. Eventuell hat der Wunsch nach einer weitgehenden Flexibilität in einigen Einrichtungen, den Bildungsauftrag in den Hintergrund treten lassen, dies vermag ich jedoch nicht zu beurteilen.
Aber lassen Sie mich zunächst bezüglich der Betreuungsangebote in unseren Schulen grundsätzlich in 2 Maßnahmen differenzieren, die unterschiedlich finanziell gefördert werden:
- die reinen Betreuungsangebote, die sehr flexibel sind
- und die Bildungsangebote, die eine Verlässlichkeit beinhalten, zu der auch die offene Ganztagsschule gehört.
Die OGS verfolgt neben dem Ziel der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch das Ziel der Bildungsförderung. Es werden Angebote unterbreitet, die die schulische Bildung ergänzen und unterstützen sollen.
Nach bisherigen Studien ist die Ganztagsschule dann besonders fördernd, wenn die Kinder möglichst täglich an den Angeboten der OGS teilnehmen. Kinderfreundschaften werden gestärkt, wenn die Gruppe verlässlich täglich zusammenbleibt, damit werden auch Fördermöglichkeiten gestärkt.
Dabei gilt aber auch, dass die SchulleiterInnen in begründeten Ausnahmefällen von der Besuchspflicht, beispielsweise bei Familienfeiern Ausnahmen machen können. Hierfür gibt es keinen festen Katalog, der die Ausnahmefälle umschreibt. Die Angebote der OGS werden jedoch vom Land mit einem speziellen Fördertopf unterstützt. Daher sollten diese Fördermittel auch nur für in der Regel täglich besuchte OGS-Angebote vorgehalten werden. Dies auch vor dem Hintergrund, dass wir uns dafür einsetzen, dass die MitarbeiterInnen der Träger unbefristet, mit festen Stundenzahlen angestellt werden können. Eine von Schuljahr zu Schuljahr abweichende Stundenzahl, angepasst an einen flexiblen Besuch der Kinder, gibt den MitarbeiterInnen der OGS keine sichere Zukunftsperspektive und führt zudem dazu, dass der Bildungsauftrag nur unzureichend wahrgenommen werden kann. Ähnliche Probleme der jährlich neu zu vereinbarenden Betreuung und der Auswirkung auf die Beschäftigten finden wir bereits durch das KiBiz (Kinderbildungsgesetz) in den Kindertagesstätten, an dessen grundlegenden Erneuerung die SPD-FachpolitikerInnen arbeiten.
Der Erlass, der den in der Regel täglichen Besuch der OGS vorschreibt, ist übrigens keinesfalls neu, die Regelungen zur regelmäßigen und täglichen Teilnahme an den OGS-Angeboten sind bereits im Erlass von 2003 getroffen worden. Der Erlass und die Zielsetzung der OGS haben sich seither in diesem Punkt nicht geändert, die Kontrolle der rechtmäßigen Zuwendungen durch die Bezirksregierung und die Gemeindeprüfungsanstalt führten jedoch dazu, dass eine freizügige Umsetzung der OGS als Bildungsangebot nun nicht mehr möglich ist.
Bereits heute ist es übrigens möglich, dass Schulen mit einer Betreuungspauschale des Landes bedarfsgerechte Betreuungsangebote schaffen, z.B. für Familien, die lediglich über Mittag oder an einigen Tagen in der Woche eine Betreuung suchen. Es liegt in der Entscheidungshoheit der Schulträger, ob und in welcher Form solche Betreuungsangebote eingerichtet werden können. Allerdings sind diese Betreuungsangebote beim Erhalt der Zuwendungen des Landes von dem Bildungsangebot der OGS zu unterscheiden.
Ob es in Zukunft Kernangebote gibt oder die OGS flexibler gestaltet werden kann, bzw. Betreuung und Bildungsangebote unter einem Dach angeboten werden können, wird zurzeit diskutiert. Auch der freie Nachmittag an den Ganztagsschulen wird im Hinblick auf die Möglichkeit des Besuchs von Vereinen diskutiert. Die SPD möchte Kindern und Eltern gleichermaßen gerecht werden, dabei auch die Potenziale aller Kinder bestmöglich fördern. Die 2003 eingeführte OGS soll dabei stetig weiterentwickelt werden, um die bestmögliche Ausgewogenheit zwischen Flexibilität und unserem Bildungsauftrag zu finden.
Der engagierte Einsatz von Eltern aus Haltern am See für die Flexibilität der OGS habe ich auch an die FachpolitikerInnen meiner Fraktion weitergereicht. Denken Sie aber bitte auch an die Kinder, die die OGS zur Unterstützung der schulischen Entwicklung als Bildungsangebot nutzen, an die Kinder-Gruppen in der OGS, die durch ein Kommen und Gehen oder eine immer wieder andere Zusammensetzung der Gruppen gestört werden und an die MitarbeiterInnen, die bei der Planung von Ausflügen und Aktionen zunächst darauf achten müssen, ob alle Kinder an diesem Tag auch die Gruppe besuchen.
Das zur Schule ergänzende „Bildungsangebot“ OGS, welches wir schaffen wollten, würde in Richtung „Betreuung“ aufgeweicht, worunter besonders Kinder leiden werden, die einer täglichen Förderung bedürfen. Dennoch suchen wir nach Möglichkeiten, die auch Ihren Interessen entgegen kommen.
Fest steht aber, dass derzeit bereits die Schulen gemeinsam mit den Schulträgern bei ausreichendem Bedarf auch eine neben der OGS flexiblere Betreuungsform anbieten können. Dies könnte ggf. mit dem gleichen Träger, wie dem des OGS Angebotes für jene Familien mit Kindern erfolgen, die den regelmäßigen, täglichen Besuch der OGS nicht wahrnehmen möchten. Es handelt sich also in erster Linie um Angebotsstrukturen vor Ort, die klarer definiert und gestaltet werden könnten, um die Zuwendungen des Landes dafür auch zu erhalten.
Auch wenn diese Antwort nicht vollumfänglich Ihren Interessen entspricht, so hoffe ich, Ihnen deutlich gemacht zu haben, dass wir an Ihrer Darstellung der Situation vor Ort ein großes Interesse haben und Ihre Wünsche bei der weiteren Beratung einer bedarfsgerechten OGS und anderer Betreuungsangebote an Schulen berücksichtigen werden. In der Hoffnung, dass sich für Ihre Wünsche eine Lösung entwickeln lässt, verbleibe ich
mit freundlichem Glückauf
Hans-Peter Müller