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Hans Joachim Schabedoth
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Frage von Helmut E. •

Frage an Hans Joachim Schabedoth von Helmut E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Werden beim „Türkei-Deal“ nicht fundamentale Menschenrechte ausgehebelt?

Die Erklärung der EU-Mitgliedsstaaten und der Türkei vom 18.3.2016 erklärt alle Flüchtlinge, die von der Türkei nach Griechenland ohne Einreiseerlaubnis auf dem See- oder Landweg einreisen, als irreguläre Flüchtlinge oder Personen mit unbefugtem Aufenthalt. Mit dieser Definition wird das Schutzgebot der Genfer Flüchtlingskonvention aufgeweicht.
Sehen Sie eine reguläre Möglichkeit für einen Flüchtling von der Türkei nach Europa einzureisen, es sei denn er besitzt ein Visum für ein EU-Land?
Der „Deal“ impliziert, dass allen Flüchtlingen, die es bis in die Türkei geschafft haben, keine legale Möglichkeiten offenstehen, den Flüchtlingsstatus in der EU zu erlangen. Schließlich wird die Türkei ja als „sicherer Drittstaat“ angesehen.
Nach den Kriterien der UNHCR ist ein sicherer Drittstaat ein Staat, der einen effektiven Schutz gewährt, indem er (a) faire und wirksame Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft besitzt, (b) einen angemessen zügigen Zugang zu einer dauerhaften Lösung wie einer Integration oder Eingliederung gewährt, (c) die Mittel zum Lebensunterhalt gewährt, die einen angemessenen Lebensstandard ermöglichen. Erfüllt die Türkei Ihrer Meinung nach diese Kriterien wirklich? Sollte sie also wirklich als „sicherer Drittstaat“ im Sinne der UNHCR-Kriterien angesehen werden?
Nach dem Asylrecht der Türkei sind alle tatsächlichen Flüchtlinge aus nicht-Europäischen Ländern wie z.B. Afghanistan nur „bedingte Flüchtlinge“, die gemäß den UNHCR-Kriterien (b) und (c) in der Türkei nicht dauerhaft aufgenommen werden dürfen. Für all diese Flüchtlinge gibt es definitionsgemäß keinen effektiven Schutz in der Türkei. Dennoch dürfen nach dem „Deal“ die Anträge dieser meist „unbefugt“ eingereisten Personen als „unzulässig“ angesehen und ohne weitere Prüfung in den sicheren Drittstaat Türkei zurückgeschickt werden, von wo sie dann meist in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr E.,

vielen Dank für Ihre Nachricht, in der Sie das Flüchtlingsabkommen des vergangenen Jahres hinterfragen.

Das Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei vom 18. März 2016 wurde aus einer Notsituation heraus vereinbart und war ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer gesamteuropäischen Lösung. Es hat dafür gesorgt, dass die Türkei ihre Grenze besser kontrolliert. Somit ist die Anzahl der ertrunkenen Menschen im östlichen Mittelmeer seit März 2016 deutlich gesunken. Ein weiterer Vorteil ist, dass geflüchtete Menschen seitdem von der EU in einem ordentlichen Verfahren aus der Türkei in die EU umgesiedelt werden (bislang 8.398 zum Stichtag 4. August 2017). Außerdem erhält die Türkei insgesamt sechs Milliarden Euro, um die mittlerweile mehr als drei Millionen Geflüchteten (aus Syrien, dem Irak und Afghanistan) im Land versorgen zu können.

Wie Sie dem Amnesty International Report 2016/2017 entnehmen können, bestehen in der Türkei auch Mängel bei der Achtung der Menschenrechte für geflüchtete Menschen. Ich hoffe, dass diese wie auch die gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die wir seit dem Putschversuch im Juli 2016 beobachten, durch den Dialog der EU mit der Türkei beendet werden können. Aufgrund dieser Gegebenheiten ist die Türkei kein sicherer Drittstaat (siehe auch Antwort der Bundesregierung auf Frage 28 in Drucksache 18/7323, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/073/1807323.pdf ).

Die SPD und ich setzen uns dafür ein, dass die EU einen größeren Beitrag leistet zum Schutz der 67 Millionen Menschen auf der Flucht. Die SPD-Bundestagsfraktion hat dazu ein Positionspapier beschlossen, in dem wir u.a. eine Weiterentwicklung des gemeinsamen europäischen Asylsystems, eine stärkere Verantwortung aller EU-Partner im Hinblick auf eine faire Verteilung der Geflüchteten sowie eine dauerhaft wirksame Organisation der Seenotrettung auf dem Mittelmeer fordern. Das Papier können Sie unter folgendem Link abrufen:
www.spdfraktion.de/system/files/documents/positionspapier-eu-fluechtlingspolitik.pdf

Aufnahmeprogramme sind ein gutes Mittel für eine gute Steuerung der Aufnahme Schutz suchender Menschen – abseits von illegaler Migration, kriminellen Schleppern und lebensgefährlichen Fluchtrouten. Gemeinsam mit dem UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) wollen wir verstärkt über feste Kontingente Schutzberechtigte kontrolliert in der EU aufnehmen. Es wäre sehr sinnvoll, wenn die EU ein jährliches Aufnahmeprogramm beschließen würde. Eine Größenordnung von 500.000 umzusiedelnden und innerhalb der EU zu verteilenden Schutz suchenden Personen wäre beispielsweise ein angemessener Beitrag (1 geflüchteter Mensch je 1.000 EU-BürgerInnen).

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Joachim Schabedoth