Frage an Hans-Gerd Hoffmann von Kurt M. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Hoffmann,
in der Stuttgarter Zeitung vom 9. August 2013 konnte man lesen: "Die Münchner Staatsanwaltschaft steht im Verdacht, bei den Ermittlungen im Milliardendebakel der bayerischen Landesbanktochter HGAA einige Spitzenpolitiker der CSU geschont zu haben". Ähnliche Schlagzeilen gab es über die Staatsanwaltschaft Stuttgart zu lesen, als der zuständige Staatsanwalt keine Anstalten machte, ein Ermittlungsverfahren gegen Ex-Ministerpräsident Mappus wegen dessen EnBW-Aktienrückkaufs am Parlament vorbei zu eröffnen. Solche und ähnliche Schlagzeilen lassen für den Bürger den Schluss zu, es gibt zweierlei Strafrecht, eines für den Normalbürger, eines für Politiker. Eine nicht ganz unwichtige Rolle spielt sicherlich dabei, dass Staatsanwälte weisungsgebunden sind. Können sich die Freien Wähler im Falle ihres Einzugs in den Bundestag eine wirksame Justizreform vorstellen?
Mit freundlichen Grüßen
Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
zunächst vielen Dank für Ihre Frage zu einem Thema, das in den vergangenen Tagen und Wochen die Gemüter vieler Menschen berührt hat: "Ist Justitia vielleicht doch nicht auf beiden Augen blind und misst mit zweierlei Maß?" Denn ausgerechnet in den Bundesländern, die sie erwähnen, nämlich Bayern und Baden-Württemberg, kam es auch noch zu krassen Fehlurteilen, im Volksmund "Justizirrtümer", die u.U. zu verhindern waren; ich spreche von Gustl Mollath und Harry Wörtz.
Sofern nicht Bundesinteressen berührt sind, liegt die Zuständigkeit der Strafrechtspflege in den Händen der Landesjustizminister. Richter und Staatsanwälte sind verbeamtete Landesbedienstete, die der Aufsicht des jeweiligen Justizministeriums unterstehen.
Richter genießen nach der Verfassung die richterliche Unabhängigkeit. Sie können grundsätzlich nicht belangt werden, wenn sie sich bei ihrer Urteilsfindung geirrt haben. Dafür gibt es den Rechtsweg, auf dem u.U. ein falsches Urteil in der nächsten Instanz korrigert werden kann.
Nur wenn einem Richter nachgewiesen wird, dass er sich bei der Urteilsfindung vorsätzlich geirrt hat, zum Beispiel durch den Verstoß gegen Verfahrensvorschriften, kann er wegen Rechtsbeugung selbst strafrechtlich belangt werden.
Hierzu hatte der Bundesgerichtshof in einem Beschluss vom 07.07.2010 festgelegt, dass nur elementare Verstöße gegen die Rechtspflege erfasst werden sollen, bei denen sich der Täter bewusst und in schwerer Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei von Recht und Gesetz entfernt und dadurch die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung begründet, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss (5 StR 555/09).
Anders - als bei Richtern - verhält es sich bei Staatsanwälten, die an Weisungen gebunden sind. Damit bin ich bei Ihrer Frage.
Mir ist aus einer CDU-geführten Landesregierung unter dem damaligen Justizminister Dr. Heinz Eyrich bekannt, dass es einen Erlass an die Generalstaatsanwaltschaften gab, wonach alle von den Staatsanwaltschaften im Land geführten Ermittlungsverfahren, die von einer gewissen politischen Brisanz werden können, wenn sie in die Öffentlichkeit gelangen, bereits vorab dem Justizministerium zu berichten sind.
Es ist wohl eher davon auszugehen, dass dieser Erlass nach wie vor exisiert, und nicht nur in Baden-Württemberg. Gerade diese Tatsache veranlasst die FREIEN WÄHLER, im Falle ihres Einzugs in den künftigen Bundestag, hier eine dringend notwendige Justizreform auf den Weg zu bringen. Diese sieht vor, die Staatsanwaltschaften in ihrer jetzigen Form abzuschaffen und durch Ermittlungsrichter zu ersetzen, wie in der Schweiz, in Italien und Frankreich bereits praktiziert.
Der Vorteil: Ermittlungsrichter genießen wie die Richter die - durch die Verfassung garantierte - richterliche Unabhängigkeit. Ihnen können von keiner Seite her Weisungen erteilt werden, denn sie sind nur an Recht und Gesetz gebunden.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Gerd Hoffmann