Frage an Hans-Detlef Roock von Thomas C. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrter Herr Roock,
die Wohnraumverknappung ist das z. Zt. drängendste soziale Problem in Hamburg. Dennoch werden nach Auskunft des Mietervereins in unserer Stadt z. Zt. ca. 40.000 Wohnungen zweckentfremdet, d. h. sie stehen leer oder werden nicht für Wohnzwecke genutzt. Vielfach ist dies auf Sanierungsbedarf zurückzuführen. Leider fördert die Hamburgische Wohnungsbaukreditanstalt (WK) jedoch Sanierungen nur in geringem Umfang. Sog. Ersatzneubauten, d. h. Neubauten, die nach vorherigem Abriss sanierungsbedürftiger Häuser neu errichtet werden, fördert die WK hingegen in siebenfacher Höhe (vgl. Kurzgutachten des Architektenbüros Plan R vom 12.11.12 auf der Grundlage eines Architektengutachten des Büros Dittert und Reumschüssel im Auftrag der VHW). Infolge dieses Missverhältnisses werden m. E. öffentliche Mittel fehlkanalisiert und darüber hinaus dem Markt über rel. lange Zeiträume Wohnungen entzogen: Sanierungen sind naturgemäß schneller durchführbar als Abriss- und „Ersatzneubau“-Vorhaben.
Meine Frage: Wie bewerten Sie das gegenwärtige Verhältnis von Sanierungsförderung zu „Ersatzneubau“-Förderung? Falls Sie die Förderung sog. Ersatzneubauten überhaupt befürworten: Sollten aus Ihrer Sicht derartige Neubauten nur gefördert werden, wenn einem Vermieter trotz Sanierungsbemühungen in der Vergangenheit der Erhalt des Altgebäudes nicht mehr zuzumuten ist - oder auch, wenn der Vermieter infolge schuldhaft verursachten Sanierungsstaus Altgebäude nicht mehr gewinnbringend vermieten kann?
Sehr geehrter Herr Cirsovius,
Ihre Anfrage habe ich mit Interesse gelesen und nehme dazu wie folgt Stellung:
Ihre Einschätzung, dass die Knappheit von Wohnraum zu den drängenden Problemen in unsrer Stadt gehört, teile ich.
Sie erwähnen, dass es nach Auskunft Hamburger Mietervereins ca. 40.000 zweckentfremdete Wohnungen in Hamburg gebe. Nach meiner Kenntnis ist die Zahl empirisch nicht belegbar und daher in Frage zu stellen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass viele Zweckentfremdungen nicht rechtswidrig sind, wenn diese seit Inkrafttreten des Zwecksentfremdungsverbots bestehen, so dass sie aus verfassungsrechtlichen Gründen Bestandschutz genießen. Auf der einen Seite „verpflichtet Eigentum“ gemäß unseres Grundgesetzes, auf der anderen Seite sollten Eingriffe in das Eigentumsrecht immer sehr sorgfältig abgewogen werden. Ein probates Mittel, das seinerseits vom CDU-geführten Senat eingeführt wurde, ist die „Verordnung über die Feststellung einer Gefährdungslage“. Damit wurden die notwendigen Voraussetzungen geschaffen, um gegen die Zweckentfremdung von Wohneigentum vorzugehen.
Hinsichtlich der Förderung durch die Wohnungsbaukreditanstalt kann ich Ihre Behauptung nicht teilen, dass die WK hierbei Ersatz- bzw. Neubauten stärker fördert als Sanierungen. Abhängig von der Höhe des Aufwandes und der Art der Maßnahme bietet die Mietwohnraumförderung der WK ein differenziertes Förderangebot an, das weder den Bestand noch den Neubau generell bevorzugt. Nach meinen Informationen liegt das Subventionsverhältnis Neubau zu Sanierung nicht bei 7 zu 1. Dies trifft lediglich auf das Verhältnis von Neubauförderung zu ausschließlich energetischer Modernisierung zu. Im Rahmen des Mietwohnraumförderungsgesetzes werden im Segment Änderung und Erweiterung umfangreiche Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen mit ca. 85% des Subventionsvolumens einer Neubaumaßnahme gefördert.
Grundsätzlich fördert die WK neben Neubau auf neuen Flächen auch den Ersatzneubau. Aus meiner Sicht ist das von Fall zu Fall sinnvoll, wenn z. B. dadurch eine Flächen schonende Verdichtung bewirkt wird oder nicht mehr nachgefragte und unzeitgemäße Grundrisse durch moderne ersetzt werden.
Die Möglichkeit der Versagung von Neubaufördermitteln bei einer schuldhaften Verursachung eines Sanierungsstaus durch den Eigentümer halte ich insofern für problematisch, als dies in den meisten Fällen wahrscheinlich nur schwer und nicht zweifelsfrei festzustellen ist. Mir persönlich sind solche Fälle aus der Förderpraxis der WK nicht bekannt. Außerdem halte ich es für fraglich, dass Eigentümer, die Sanierungen aus Spekulationsgründen verhindern und einen Abriss herbeiführen, dann in den Sozialen Mietwohnungsbau mit langfristigen Miet- und Belegungsbindungen investieren würden. Nur das wäre aber Ziel führend, um in Hamburg dringend benötigen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Mit freundlichem Gruß
Hans-Detlef Roock