Frage an Hans Christian Markert von Horst S. bezüglich Umwelt
Einen guten Tag Herr Markert,
es hat mich erstaunt, wie viele Anfragen i. S. Dichtheitsprüfung privater Hausanschlüsse ihre Parteikollegen landauf und landab im abgeordnetenwatch zu bearbeiten hatten. Aber weder die Anzahl noch die immer gleichlautenden Inhalte der Antworten haben mich überrascht.
Wer auch immer die Fragen zu diesem Thema beantwortet haben mag, sie haben alle etwas Gemeinsames. Zum Einen entsteht der Eindruck, hier geht es um die Durchsetzung und die Einlösung eines Versprechens.
Eines Versprechens, dass Sie den „ Handwerkerinnen und Handwerkern“ der entsprechenden Branche gegeben haben.
Zum Anderen, Ihr Vorhaben, per Gesetz die flächendeckende Funktionsprüfung zu erzwingen, ist nicht nur für die Kanalbranche eine Goldgrube, auch der Staat verdient mit. Man denke nur an die daraus resultierenden Steuereinnahmen.
Liest man dann noch die „ sonnigen Grüße“, die Sie Ihre kommunalen Parteibasis mit Beginn der Sommerpause als Argumentationshilfe haben zukommen lassen, dann wird dieser Eindruck bestätigt.
Sie argumentieren nur mit Annahmen. War es erst die Grundwassergefährdung, dann der Fremdwassereintrag, ist es nun das Vorsorgeprinzip.
Das perfide daran sind die Argumente. Kfz.-TÜV, Heizungsanlagenüberprüfung, warum dann nicht auch die Funktionsüberprüfung der privaten Hausanschlüsse. Dabei wird ganz bewusst übersehen, dass von nicht intakten Kfz und Heizungsanlagen eine permanente Gefahr ausgeht; eine Gefahr durch mögliche schadhafte Hausanschlüsse ist nicht gegeben (siehe dazu die Dissertation des Dr. Robert Thoma).
Und als Letztes bleibt der Eindruck, dass Sie – nachdem sie im letzten Landtag zu Kompromissen bereit sein mussten - nun mit der entsprechenden Mehrheit ihr nicht zu begründendes Vorhaben per Gesetz den Bürgern aufzuzwingen versuchen (Jetzt erst recht!).
Übrigens, ist für Sie als Volljurist die Rechtmäßigkeit der Maßnahme überhaupt abschließend geklärt?
Für die persönliche Beantwortung bedankt sich
Horst Sellge
Betr.: Anschreiben zur Kanaldichtheitsprüfung/
Funktionsprüfung der Abwasserentsorgung
Sehr geehrter Herr Sellege,
für die Zuschrift zum Thema Dichtheitsprüfung bzw. zum § 61 a des Landeswassergesetzes danke ich Ihnen. Gerne lege ich unsere Positionen sowie den neuesten Stand der Entwicklungen dar, sofern diese die politischen Entscheidungen betreffen. Für technische Detailfragen würde ich Sie bitten, sich an die entsprechende Fachabteilung des Landesumweltministeriums zu wenden. Bisherige Entwicklungen Die Novellierung des Landeswassergesetzes (LWG) im Jahr 2007 mit der landesgesetzlichen Verpflichtung zur Dichtheitsprüfung (§ 61 a LWG) wurde von CDU und FDP beschlossen. Seitdem 2010 haben wir eine Linie verfolgt, bei diesem für den Schutz des Grundwassers wichtigen Themas eine Lösung zu finden, die im Interesse aller Beteiligten und vor allem der Kommunen und Bürgerinnen und Bürgern liegt. Damit haben wir sowohl unserem grundgesetzlichen Auftrag der Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums als auch unserer Aufgabe des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung Rechnung getragen. Wasser und Grundwasser gehören zu unseren wichtigsten Ressourcen. Deshalb darf aus Sicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sich an dem Besorgnisgrundsatz* nichts ändern. Über die Art und Weise einer Dichtheitsprüfung hat es im Landtag diverse Diskussionen gegeben. Mit einem gemeinsamen Antrag von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Landtagsbeschlusses vom Juni 2011) haben wir in technischer Hinsicht bereits die Einführung einer drucklosen Durchflussprüfung gefordert. Eine Forderung, mit der wir den Wünschen der CDU, sowie diverser Bürgerinitiativen gefolgt sind. Daraufhin hat das Nordrhein-Westfälische Umweltministerium mit der Klärung begonnen, wie eine entsprechende Methodik vorgegeben werden kann, um in NRW eine angemessene Regel der Technik einzuführen. Ebenso wurde eingeleitet, dass die NRW-Bank zu Beginn 2012 zinsgünstige Darlehen anbieten wird, die den privaten Hauseigentümern für die Sanierung von privaten Abwasserkanälen auf selbst genutzten Grundstücken zur Verfügung gestellt wird. Am 14.12.2011 hat die CDU allerdings bei der abschließenden Beratung im federführenden Umweltausschuss die im Juni 2011 gemeinsam beschlossene Linie verlassen und mit FDP und der Fraktion Die Linke dem FDP-Antrag zur Aussetzung der Dichtheitsprüfung zugestimmt. Damit haben sich mit CDU und FDP die Urheber des § 61 a LWG bei der Umsetzung aus der Verantwortung gestohlen. Der Ausschussbeschluss forderte die Landesregierung auf, den § 61 a LWG auszusetzen. Der Ausschussbeschluss an sich reichte dabei jedoch nicht aus, um die Rechtslage zu ändern. Durch die zwischenzeitlich stattgefundene Neuwahl des Landesparlamentes und des daraus resultierenden Diskontinuitätsprinzips, ist eine erneute Einbringung und Beratung des Gesetzesentwurfs notwendig. Wie geht es jetzt weiter? BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagen weiterhin sehr deutlich: wir bekennen uns nach wie vor zum Vorsorgegrundsatz - Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel. Bei der Abänderung des Landeswassergesetzes geht es für uns GRÜNE um einen fairen Ausgleich der Interessen von Hauseigentümer/innen und Gewässerschutz, aber auch um Verlässlichkeit für Kommunen, Handwerker/innen und es geht nicht zuletzt um den rechtlich stets zu beachtenden Gleichbehandlungsgrundsatz. Mit unserem im vergangenen Jahr zuletzt vorgelegten Gesetzentwurf wollten wir den § 61a LWG streichen und die Abwasserentsorgung im Rahmen einer Funktionsprüfung stärker am Bundesrecht orientieren. Der nun von CDU und FDP vorgelegte Gesetzentwurf hingegen verabschiedet sich endgültig vom Besorgnisgrundsatz (Vorsorgeprinzip). Es soll die Beweislast umgekehrt und vermutet werden, dass alle Kanäle dicht seien, bis das Gegenteil bewiesen wird. Besonders problematisch ist dies deshalb, da diese Kehrtwendung auch für Wasserschutzgebiete beabsichtigt ist. Dies ist ein aus Grüner Sicht nicht zu verantwortender Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen. Verschiedene Untersuchungen und Erfahrungswerte aus der Praxis zeigen, dass die weit überwiegende Mehrzahl der Kanäle Schäden aufweist. Nicht alle müssen nach Ansicht der Grünen unmittelbar saniert werden, sondern nur solche, die eine erhebliche Schäden aufweisen und damit eine Gefährdung des Grundwassers nach sich ziehen können. Aus diesem Grund ist eine differenzierte Betrachtung nach Schadensklassen sachgerecht. Hier ist eine Beratungsleistung der Kommunen ein wichtiger Baustein. Um den Ausgleich der Interessenlagen zu berücksichtigen, plädieren wir Grüne einerseits für eine nochmalige Verlängerung der Fristen für eine Erstprüfung (außerhalb von Wasserschutzgebieten), dabei soll auch eine Harmonisierung mit öffentlichen Prüfungen angestrebt werden und andererseits für eine stärkere Berücksichtigung sozialer Aspekte. So muss aus Sicht der Grünen geprüft werden, ob bei der Feststellung von Bagatell- bzw. mittelgroßen Schäden eine Sanierung auch erst bei einem abzusehenden Eigentumsübergang erfolgen kann. Ein einmalige Bezuschussung der erstmaligen Prüfung der Abwasserkanäle soll nach Auffassung der Grünen dabei ebenso geprüft werden, ähnlich dem Zuschuss wie bei der „Abwrackprämie“. Abwasser, welches über undichte Leitungen in den Boden und das Grundwasser gelangt, kann zu Verunreinigungen führen. Dies haben Erfahrungswerte und Untersuchungen auch bereits belegt. Ein Leugnen der Tatsachen und Ausnutzen der Ängste und Sorgen der Betroffenen führt zu einer emotionalen und unsachlichen Diskussion. Ohne eine rechtstheoretische Abhandlung verfassen zu wollen, so sei doch klargestellt, dass wir als Grüne nach eigener Prüfung und externer Begutachtung eindeutig zu dem Ergebnis kommen, dass der bisherige § 61a LWG NW neben den Normen des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) zur Anwendung kommt, eine Sperrwirkung besteht nicht. Jedenfalls findet § 61a LWG NW über § 23 Abs. 3 WHG weiter Anwendung. Insgesamt wäre eine bundeseinheitliche Regelung wünschenswert, die den „rechtlichen Flickenteppich“ unter den Bundesländern vereinheitlicht. Wir fordern als Grüne den fairen Interessenausgleich für alle Betroffene und werden uns auch im neuen Landesparlament entsprechend unserer hier dargelegten Grundüberzeugungen für eine neue gesetzliche Regelung einsetzen. Im weiteren Verfahren werden sich die Fraktionen von SPD und Grünen in den kommenden Wochen zusammenfinden und die konkreten Anforderungen an eine Änderung des LWG NW sowie eine neu zu erstellenden Verordnung, die dann alle Detailfragen regelt, festlegen. Eine mögliche Gefährdung von Umwelt und Gesundheit durch defekte Kanälen ist sehr wohl gegeben, so auch am 6. Juli 2011 in einer öffentlichen Anhörung von einem Vertreter des Bundesumweltministeriums bestätigt (vgl. Drucksacke 15/249).
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Christian Markert, MdL
*Der Besorgnisgrundsatz ist gegeben, wenn im konkreten Einzelfall nicht von der Hand zu weisen ist, dass ein natürliches Schutzgut Schaden nehmen kann. Der Nachweis muss z.B. durch eine Prognose geführt werden, die auf konkreten Feststellungen beruht, sachlich vertretbar und nachvollziehbar ist. Der Besorgnisgrundsatz findet seine Anwendung vor allem beim Grundwasserschutz bzw. den wasserwirtschaftlichen Vorranggebieten (§ 26 Abs. 2 und § 34 WHG; BVerwG, Urteil v. 12.09. BayVBl 1980, S. 759).