Frage an Guido van den Berg von Jörg D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geerhter Herr van den Berg,
im Zuge der kommenden Landtagswahlen möchte ich mich zu verschiedenen Themen bei den etablierten Parteien informieren. Könnten Sie mir bitte folgende Frage beantworten?
Herzlichen Dank vorab.
Jörg Dreyer
Ich habe eine Frage zur Quotenregelung.
Grundgesetz Artikel 3 lautet:
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Aus meiner Sicht verstößt die Quotenregelung, die besagt, dass bei gleicher Qualifikation Frauen bevorzugt eingestellt werden dürfen und sollen, eindeutig gegen Art.3(3) GG: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes... bevorzugt oder benachteiligt werden". Begründet wird dieser Verstoß gegen das GG oft mit Art.3(2): "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin." Diese Begründung greift nicht: Zwar darf und soll der Staat bestehende Nachteile beseitigen. Aber selbstverständlich muss er sich dabei an bestehende Gesetze und erst Recht ans GG halten.
Die Frage der Quote möchte ich auch auf Ihr innerparteiliches Demokratieverständnis ausgeweitet wissen. Im Hamburger Grundsatzprogramm steht wörtlich: " Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden." Ich empfinde dies als inakzeptable Diskriminierung.
Bitte verstehen Sie die Frage als ehrliches Interesse eines Wählers, der sein Wahlrecht als Wahlpflicht zum Schutz der Demokratie wahrnimmt.
Sehr geehrter Herr Dreyer,
Danke für Ihre Frage. Insgesamt ist der SPD mit dem Hamburger Grundsatzprogramm ein guter Text zur Beschreibung ihres politischen Fundaments gelungen. Den Satz: "Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden" zähle ich jedoch nicht dazu. Die Passage war in Hamburg sehr umstritten. Sie hat jedoch - zu meinem Bedauern - eine knappe Zustimmung erfahren.
Der von Ihnen zitierte Artikel 2 Satz 3 des Grundgesetzes klingt heute für viele so selbstverständlich. Er ist jedoch hart erkämpft. Erst 1919 gelang es Sozialdemokraten in Deutschland das Wahlrecht für Frauen einzuführen und auch 1949 war der Satz: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" zunächst hoch umstritten und wurde bei den ersten Beratungen im Parlamentarischen Rat mehrfach abgelehnt. Es ist Elisabeth Selbert und einigen mutigen Frauen zu verdanken, dass es ihn heute gibt. Fakt ist, dass die Gleichberechtigung in vielen Lebensbereichen noch nicht realisiert ist. Laut Statistischem Bundesamt lagen die Bruttoverdienste der Frauen 2008 im Schnitt 23,2 Prozent unter dem von Männern. Diese Lohnlücke wächst seit einigen Jahren merklich (2007: 23,0 Prozent, 2006: 22,7 Prozent) und liegt deutlich über dem europäischen Durchschnitt (18,0 Prozent). Ich finde, dass endlich gelten muss: Wenn Männer und Frauen in Deutschland gleiche Arbeit machen, verdienen Männer und Frauen in Deutschland auch das gleiche Geld.
In der SPD gibt es seit dem Parteitag von Münster 1988 eine Geschlechterquote, nach der das jeweils unterrepräsentierte Geschlecht mit bis zu 40 Prozent vertreten sein soll. Ich persönlich würde eine einseitige "Frauenquote" für den falschen Weg halten, die niedrige Repräsentanz von Frauen sicherstellen zu wollen. Der Weg einer Geschlechterquote ist mir sympathischer, zumal ich selber bereits einmal bei einer Delegiertenwahl so als "Quoten-Mann" zum Zuge kam. Natürlich kann ich Ihre Befürchtung nachvollziehen, dass eine Quote zu Diskriminierung führen kann. Dahinter steht die Sorge, dass die Auswahlmechanismen der freien Wahl eingeschränkt sein könnten. Meine Erfahrung mit der „Quote“ der SPD ist jedoch eher die, dass sie wie eine „Mindestabsicherung“ funktioniert. Und das halte ich für sinnvoll. Auch die Ergebnisse der „Quote“ können sich sehen lassen: Im SPD-Präsidium ist Parität erreicht, im Parteivorstand liegt der Frauenanteil bei vierzig Prozent, in der SPD-Bundestagsfraktion sind es 35 Prozent. Insofern komme ich zu dem Schluss, dass die "Geschlechterquote" bislang der SPD eher gut getan hat.
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Gedanken zu diesem Thema weiter geholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Guido van den Berg