Ein großer Teil der demokratischen Gesellschaft versucht seit über einem Jahr, die Politik zu überzeugen, ein AfD-Verbotsverfahren anzustrengen - warum weigert sich die Politik noch immer?
Die AfD zeigt ihr wahres Gesicht – die Forderung nach Remigration hat es nun sogar ins Wahlprogramm geschafft (https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/afd-parteitag-324.html). Phrasen, die AfD müsse man inhaltlich stellen oder sie ließe sich gar von Herrn Merz halbieren, sind Phrasen geblieben.
Im Sinne unserer wehrhaften Demokratie hat die Gesellschaft ihren Beitrag geleistet: Die Menschen haben in einer der bundesweit größten Petitionen gefordert, einen Verbotsantrag zu stellen (https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/afd-verbot-unterschriften-100.html). Vor einem Jahr haben allein an drei Wochenenden fast 2 Mio. Menschen gegen rechts demonstriert (https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/demonstrationen-gegen-rechtsextremismus-102.html).
Demokratische Politiker haben dieses Engagement begrüßt – ihren Part aber nie erfüllt. Aus Bürgersicht fühlt sich das zunehmend wie unterlassene Hilfeleistung an. Wie können Sie das in unserer heutigen Welt noch rechtfertigen?
Sehr geehrte Frau Y.
vielen Dank für Ihre Nachricht aus Abgeordnetenwatch zur Frage zum AfD Verbotsverfahren.
Auch ich halte die AfD für eine in Teilen verfassungsfeindliche und damit gefährliche Partei für unser friedliches Zusammenleben.
Die AfD schürt Ressentiments gegen bestimmte Menschengruppen und stachelt zum Hass auf.
Es stellt sich daher natürlich die Frage, wie man am besten gegen eine solch Partei vorgeht. Letztlich gibt es zwei Wege.
Aus meiner Sicht muss man v.a. versuchen, die AfD auf dem politischen Weg zu bekämpfen.
Zweitens kann man natürlich auch versuchen, der Partei auf dem juristischen Weg durch ein Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz Einhalt zu gebieten.
Unser Grundgesetz gibt uns – aus guten Gründen – das Instrument des Parteiverbots in die Hand, um uns gegen die Feinde der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenwürde zur Wehr zu setzen.
Allerdings nur unter strenge Voraussetzungen. Das Bundesverfassungsgericht muss dies sehr sorgfältig anhand strenger Kriterien prüfen. In einer pluralen Demokratie muss ein Parteiverbot die Ausnahme bleiben.
Zu prüfen wäre durch das Verfassungsgericht, ob die für ein Verbot notwendige aggressiv kämpferische Haltung der Partei in der Breite erfüllt ist. Bisher sind „nur“ drei Landesverbände vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft worden.
Problematisch am Parteiverbotsverfahren ist, dass es mehrere Jahre dauern würde. Die Gefahr ist groß, dass die AfD sich in dieser Zeit als Opfer stilisieren könnte. Ein solches Opfer-Narrativ könnte der Partei noch mehr Menschen in die Arme treiben. Ein Verbotsverfahren, das wohl mehrere Jahre in Anspruch nehmen würde, führt in dieser Zeit auch zu einer Beschränkung der Arbeit des Verfassungsschutzes in Bezug auf die AfD. Der Verfassungsschutz müsste für die gesamte Verfahrensdauer alle „V-Leute“, die ihre Informationen aus dem Inneren dieser Partei liefern, abschalten. Der Ausgang eines Verbotsverfahrens ist zudem ungewiss und damit auch politisch mit einem hohen Risiko verbunden.
Um seriös beurteilen zu können, ob ein Verbotsverfahren vor diesem Hintergrund demokratisch vorteilhaft und aussichtsreich ist, brauchen wir nachrichtendienstliche Erkenntnisse. Zugriff darauf hat nur die Bundesregierung. Sollte sie dem Bundestag kraft dieser Erkenntnisse einen Verbotsantrag nachvollziehbar empfehlen, so kann ich mir gut eine Zustimmung meiner Fraktion vorstellen.
Zumindest gegenwärtig bevorzuge und verfechte ich aber eine Konzentration auf den politischen Kampf gegen die AfD. Denn ein Verbot ließe ja ihre radikale Anhängerschaft fortbestehen.
Viele ihrer Wähler werden wir aber nicht durch gute Worte zu einem Überdenken bewegen können, sondern nur durch bessere Taten und politische Ergebnisse.
Mit freundlichen Grüßen
Günter Krings