Frage an Günter Krings von Werner N. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Krings,
ich stelle hiermit freundlichst folgende Frage an Sie:
Wenn minderjährige Kinder von Jugendamt oder vom Familiengericht oder von Gutachtern befragt oder angehört werden, welche Mindestanforderung muss hierzu die Rechtsmittelbelehrung besitzen?
In den seriösen wissenschaftlichen Veröffentlichungen wurde hierzu nach meiner Kenntnis nichts vorgetragen, was juristisch belastbar wäre.
Gibt es Ihres Wissens Unterschiede hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrungen bei ärztlichen Begutachtungen in Sorgerechtsangelegenheiten bei minderjährigen Kinder nach § 159 FamFG und Befragungen durch Mitarbeiter von Polizeibehörden, Jugendämtern sowie durch psychologische und medizinische Sachverständige, Verfahrensbeistände, Staatsanwälte, Richter und Pädagogen?
Ich würde mich über eine Antwort mit Quellenangaben sehr freuen die auch § 1618a BGB und die hieraus ergebende Verwirkung zwischen Kindern und Eltern berücksichtigt.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Nordmeyer
Sehr geehrter Herr Nordmeyer,
vielen Dank für Ihre Anfrage hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung von Minderjährigen. Sie fragen nach den Mindestanforderungen an eine Rechtsmittelbelehrung bei Befragungen im Verfahren der Familienfürsorge nach § 159 FamFG. Weiter fragen Sie, ob sich bei der Begutachtung beziehungsweise Befragung durch verschiedene Verfahrensbeteiligte Unterschiede in den Anforderungen an die Belehrung ergeben. Gerne gehe ich auf Ihre Fragen ein.
Mit einer Rechtsmittelbelehrung soll dem durch eine Entscheidung einer öffentlichen Stelle Beschwerten ermöglicht werden, seine Rechte im Verfahren zu wahren. Die Rechtsmittelbelehrung in Verfahren in Familiensachen erfolgt nach § 39 FamFG im Rahmen des verfahrensabschließenden Beschlusses oder Urteils selbst (siehe dazu im Einzelnen Gutjahr in Hahne/Munzig, § 39 Rn 2ff). Kinder sind regelmäßig nicht Adressaten der Bescheide, die in Verfahren in Familiensachen, insbesondere in Sorgerechtsangelegenheit ergehen. Die Einlegung von Rechtsmitteln steht ihnen mithin unabhängig von der Frage der Verfahrensfähigkeit Minderjähriger regelmäßig nicht zu. Eine Rechtsmittelbelehrung gegenüber Kindern erfolgt deshalb nicht.
Anders ist dies allein in Verfahren in denen Ansprüche des Kindes verhandelt werden. So etwa in Unterhaltsstreitigkeiten. Für das minderjährige Kind tritt hier sein gesetzlicher Vertreter auf. Regelmäßig sind das die fürsorgeberechtigten Eltern beziehungsweise ein Elternteil; in Ausnahmefällen auch ein Ergänzungspfleger (siehe ausführlich Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, Rn 44 ff). Aber auch hier erfolgt eine Rechtsmittelbelehrung nicht gegenüber dem Kind, sondern seinem Vertreter. Für volljährige Kindern gelten die allgemeinen Regelungen zur Rechtsmittelbelehrung.
§ 159 Abs 4 FamFG über die Anhörung des Kindes vor Gericht sieht jedoch vor, dass das Gericht das Kind im Fall einer Anhörung über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in einer geeigneten und seinem Alter entsprechenden Weise informiert. Dabei dient die einleitende Information vor allem auch dem Gericht: sie vermittelt einen ersten Eindruck über die Einsichtsfähigkeit und psychische Belastbarkeit des Kindes (Schumann in Münchener Kommentar/ZPO § 159 FamFG Rn 10). Die Wahrung der Interessen des Kindes wird demgegenüber vor allem durch die Bestellung eines Verfahrensbegleiters nach § 158 FamFG gesichert. Diesem obliegt die Erfassung der tatsächlich bestehenden kindlichen Wünsche, Vorstellungen und Bedürfnisse, deren Übermittlung an das Gericht, die Wahrung aller verfahrensmäßigen Einflussmöglichkeiten, um die Interessen des Kindes zur Geltung zu bringen, und die Begleitung des Kindes durch das gerichtliche Verfahren“ (Schumann, in Münchener Kommentar/ZPO § 158 FamFG, Rn 25ff).
Eine Befragung oder Begutachtung durch andere Stellen als das Gericht ist in § 159 FamFG nicht geregelt, sodass die richterliche Aufklärungspflicht zunächst nur für die richterliche Anhörung gilt. Der Verfahrensbetreuer nach § 158 FamFG steht dem Kind jedoch in allen Kindschaftssachen nach § 151 Nr 1-8 FamFG zur Seite und betreut das Kind nicht nur während der gerichtlichen Anhörungen, sondern über den Zeitraum des gesamten Verfahrens.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen geholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Günter Krings