Frage an Günter Krings von Dr. Rolf S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Krings,
mit den folgenden Fragen sollen Mängel in der Justiz benannt werden, die unbedingt zu verbessern wären:
1a) Sollten nicht alle Sachverständigen, die vor Gericht schriftliche oder mündliche Aussagen treffen, vom Gericht vereidigt werden?
1b) Warum dürfen öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige vor Gericht falsche Begutachtungen vornehmen, ohne im Allgemeinen dafür zur Verantwortung gezogen zu werden, während andere Sachverständige und Zeugen wegen Falschaussage belangt werden können?
2a) Sollten nicht alle Aussagen von Zeugen und von Sachverständigen sowie Vorträge der Prozessparteien und sonstige Äußerungen in allen Verhandlungen eines Gerichtsverfahrens genau protokolliert bzw. als Tonträgeraufnahme - die Beweiskraft haben muss - festgehalten werden, um transparente und faire Gerichtsverfahren zu erzielen?
2b) Würden Sie die von Rolf Bossi in seinem Buch: "Halbgötter in Schwarz" geäußerte Meinung unterstützen, dass es zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit dringend erforderlich ist, dass alle Verfahren mindestens von einer weiteren Instanz auch bezüglich des Tatbestandes überprüft werden können?
3a) Will die CDU etwas dafür tun, damit auch Richter für ihr Fehlverhalten bei der Ausübung ihres Amtes zur Verantwortung gezogen werden?
3b) Wollen Sie sich dafür einsetzen, dass die CDU gesetzgeberisch etwas tut, damit der Bundesgerichtshof den § 339 StGB (Rechtsbeugung) nicht mehr völlig übertrieben restriktiv zu Gunsten der Richter auslegen kann, wie es bisher leider erfolgt?
4) Wollen Sie sich dafür einsetzen, dass der Bundestag den § 839 BGB (Haftung bei Amtspflichtverletzung) so ändert, dass er im Einklang mit Art. 34 unseres Grundgesetzes und des europäischen Rechtes(?) steht? Kann der Abs. 2 des § 839 BGB dazu nicht einfach ersatzlos gestrichen werden?
Mit freundlichen Grüßen
R. Schmidt
Sehr geehrter Herr Schmidt,
vielen Dank für Ihre Email vom 03.09.2005 zum Thema Sachverständige und Richter im Gerichtsprozess.
Ich persönlich halte eine regelmäßige Vereidigung von Sachverständigen für unverhältnismäßig. Aussagen von Sachverständigen würden dann anders behandelt werden als die von Zeugen. Grundsätzlich wird eine Beeidigung bei entscheidungserheblichen Aussagen vorgenommen, an deren Richtigkeit noch Zweifel bestehen. Das gilt für Zeugen wie für Sachverständige gleichermaßen. Die Sachverständigen müssen bei einer Falschaussage auch mit den gleichen Konsequenzen rechnen und sind daher nicht gegenüber dem Zeugen im Vorteil.
Öffentlich bestellte Sachverständige behandelt der Gesetzgeber keineswegs anders als andere Sachverständige. Daher darf auch er keine falsche Aussage machen und muß genauso mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen. Falls Sie mit Ihrer Frage auf den § 410 Abs. 2 ZPO anspielen, so bezieht sich das nur auf die Form der Vereidigung und führt nicht zu einer strafrechtlichen Besserstellung.
Für den Zivil- und Verwaltungsrechtsprozess würde ich es übertrieben finden, wenn sämtliche Aussagen wörtlich protokolliert würden. Die Unabhängigkeit des Richters beinhaltet auch seine Pflicht zur Objektivität. Daher gibt es für ihn keinen Grund, eine Aussage anders zu protokollieren, als sie sich eigentlich dargestellt hat.
Die Justizreform aus dem Jahr 2001 hat die Eingangsinstanz gestärkt. Im Zivilprozess führt dies nun dazu, daß in der Berufungsinstanz nicht noch einmal eine vollständige Beweiserhebung durchgeführt wird. Dem Richter sind aber dafür mehr Pflichten aufgegeben worden, um die Parteien auf einen mangelhaften Sachvortrag und deren Folgen hinzuweisen, was insbesondere für Parteien wichtig ist, die nicht anwaltlich vertreten sind. Zudem diszipliniert diese Regelung die Parteien dazu, den Sachverhalt gleich in Gänze vorzutragen und nicht erst in der Berufungsinstanz, was auch zur Effizienz der Gerichtsverfahren beiträgt.
Zur Zeit wird intensiv im politischen Raum über eine große Justizreform beraten, die die Effizienz des Gerichtswesens in Deutschland verbessern will. Kosten und Nutzen müssen in einem adäquaten Verhältnis stehen. Die Gerichtsverfahren dauern in Deutschland im Schnitt zu lange. Das führt auch beim Bürger zu unbefriedigenden Ergebnissen. Er muß lange Zeiten in Kauf nehmen, um zu seinem Recht zu gelangen. Unter dem schnelleren Verfahren darf natürlich nicht die Qualität der Rechtsprechung leiden. Bei der Reformdiskussion könnte ich mir auch durchaus vorstellen, daß Haftungsfragen der Richter eine Rolle spielen. Eine Unvereinbarkeit des § 839 BGB mit Art.34 GG oder dem europäischen Recht kann ich auf Anhieb nicht erkennen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Günter Krings