Frage an Gudrun Köncke von Renate A. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Köncke,
vielen Dank für Ihre schnelle Antwort. Zufrieden bin ich damit allerdings nicht ganz. Sie setzen auf den "Zweiten Arbeitsmarkt". Ich kann mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, wie man verhindern will, dass auf breiter Front subventionierte Niedriglohnarbeit reguläre Arbeitsverhältnisse verdrängtn, da das doch schon bei den so regulierten1€-Jobs nicht klappt.Dass so viele Arbeitslose diese Jobs freiwillig machen, zeigt, in welcher finanziellen Not sie sind. Menschenwürdig finde ich das nicht. Meiner Meinung nach nützt nur ein Mindestlohn, dazu konsequente Arbeitszeitreduzierung, Überstundenabbau usw. also alles, was hilft, die vorhandene Arbeit auf mehr Menschen zu verteilen.
Wo steht geschrieben, dass sich der unglaubliche Zuwachs an Produktivität der letzten Jahrzehnte nur in immer mehr Konsum und demzufolge unglaublicher Vermehrung des Reichtums bei immer wenigeren niederschlagen muss, anstatt z.B. auch in mehr Freizeit? Ich glaube, dass die Politiker nicht genug Fantasie haben und nicht den Mut, dem Markt Grenzen zu setzen. Unterstützen Sie die Forderung nach einem Mindestlohn? Oder meinen Sie, dass auch nur ein Unternehmen seine Glasfassaden oder seine Toiletten weniger oft putzen lassen würde, wenn die Arbeitslöhne dafür auf 7,50€ angehoben würden?
Mit freundlichen Grüßen
Renate Ahrens
Sehr geehrte Frau Ahrens,
Nein, - Sie haben Recht - verhindern kann man eine Verdrängung sozialversicherungspflichtiger Jobs im zweiten Arbeitsmarkt nicht ganz - aber stärker regulieren und die Arbeits- und Qualifizierungs- und Vermittlungsbedingungen kann man erheblich verbssern. Und: Ich setze nicht ausschließlich auf den zweiten Arbeitsmarkt. Im Gegenteil - ich setze auf den ersten Arbeitsmarkt - auf eine bessere Vermittlung, auf mehr Arbeitsplätze, 10 Prozent Arbeitslosigkeit sind kein Schicksal - sondern die Missachtung der Potenziale und die Folge einer verfehlten Arbeitsmarktpolitik. Nun: Das ist weit gegriffen. Einige Stellschrauben hatte ich bereits in meiner ersten Anwort erwähnt.
Sie fragen ganz konkret nach der Verkürzung der Arbeitszeit und dem Mindestlohn. Beides sind übrigens Bestandteile des Tarifvertrages - und unterliegen damit eigentlich der Tarifautonomie. Insbesondere über den Mindestlohn gibt es nicht mal bei den Gewerkschaften Einigkeit. Einzelgewerkschaften lehnen den Mindestlohn ab, weil dies ein Eingriff in die Tarifautonomie bedeute, die Gewerkschaften weiter schwäche. Ich meine, dass es branchenspezifische Mindestlöhne geben sollte - auch um ein Absenken der Löhne zu verhindern - Vorbild wäre dann das Baugewerbe. Hier kann dann die Politik mit einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung nachsteuern und auch Betriebe einfangen, die nicht den Tarifverträgen unterliegen.
Grundsätzlich - und das hatte ich bereits kurz angedeutet - halte ich es für richtig insbesondere die Niedriglöhne von den Sozialversicherungsbeiträgen zu befreien bzw. - ähnlich wie bei den Steuern - die Sozialabgaben progressiv ansteigen zu lassen - Wer mehr verdient, muss auch einen wachsenden Prozentsatz an Sozialabgaben zahlen Progressivmodell der Grünen). Das schafft hier mehr Arbeitsplätze. Bildung und Ausbildung ist der eigentliche Schwerpunkt, mehr Erwerbstätigkeit bei Frauen...mehr Jobs in Zukunftsbranchen - z.B. auch in der erneuerbaren Energie.
Sie fordern den Mut und die Fantasie der Politiker ein. Mut und Fantasie in der Demokratie bedeutet auch, Mehrheiten zu finden. Eine staatliche Verordung z.B. über die Länge der Arbeitszeit muss auf breiter Zustimmung basieren. Ich erinnere mich an ein Interview eines schwedischen Familienvaters, der beklagte, dass er zu wenig Zeit für seine Familie habe; ein deutscher Familienvater beklagte sich darüber, dasser zu wenig Geld für seine Familie habe. Da gibt´s noch viel Arbeit.
Mit freundlichen Grüßen
Gudrun Köncke