Frage an Gert Weisskirchen von Gerhard M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Weisskirchen,
die Medien berichten wieder einmal über Frau Steinbach. Die SPD wird unter allen Umständen verhindern, dass Frau Steinbach in den Beirat für die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ berufen wird. Warum soll sie nicht berufen werden? Was ist der Grund?
Für Ihre Antwort danke ich bestens
Sehr geehrter Herr Malik,
wie Sie sicherlich aus Medienberichten erfahren haben, hat der Bund der Vertriebenen mittlerweile die Nominierung Frau Steinbachs für den Stiftungsrat zurückgezogen. Somit hat sich aus meiner Sicht die Sache erledigt. Gerne antworte ich Ihnen dennoch auf Ihre Frage und den von Ihnen angesprochenen ursprünglichen Sachverhalt.
Die vorgesehene Nominierung von Frau Erika Steinbach für den Stiftungsrat der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" durch den Bund der Vertriebenen hat bei unseren polnischen Nachbarn für große Irritationen gesorgt. Ich zweifle nicht an Frau Steinbachs Engagement in der Sache, zumal ich Sie seit Jahren gut kenne. Wir müssen jedoch respektieren, dass die Nominierung von Frau Steinbach in Polen sehr großes Unbehagen und Ängste vor einem verstärkten Trend von Geschichtsrevisionismus ausgelöst hat. Auch wenn diese Vorbehalte im Detail unberechtigt sein mögen, so wäre eine entscheidende Rolle von Frau Steinbach im Stiftungsrat dennoch als Affront von unseren polnischen Nachbarn aufgefasst worden. Der Sonderbeauftragte Warschaus für die deutsch-polnischen Beziehungen, Wladyslaw Bartoszewski, hat scharf vor einer Entsendung Frau Steinbachs gewarnt und mit Konsequenzen gedroht.
Die Nominierung von Frau Steinbach durch den Bund der Vertriebenen war formell korrekt, zeugte aber leider auch von mangelndem Taktgefühl gegenüber den Empfindlichkeiten unserer Nachbarn. Hier galt es im Sinne der guten und wichtigen deutsch-polnischen Beziehungen zu handeln. Grundsätzlich ist jede Berufung in den Stiftungsrat sorgsam daraufhin zu prüfen, ob sie unnötig belastet und die wichtige Arbeit der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" erschweren würde. Dies konnte letztlich auch nicht im Sinne von Frau Steinbach liegen, die in den letzten Jahren großen Einsatz im Versöhnungsprozess bewiesen hat, auch wenn dies in Polen bedauerlicherweise anders wahrgenommen wird.
Im Übrigen wäre es für unsere beiden Länder besser, wenn die autonomen Entscheidungen der jeweiligen Seite respektiert werden würden. Der Vorgang zeigt uns jedoch, dass noch ein Stück des Weges vor uns liegt.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Gert Weisskirchen