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Frage von Frank B. •

Frage an Gert Weisskirchen von Frank B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Professor Weisskirchen,

ich bin im Blog "Schaltzentrale" auf Ihre Fünf Thesen gestoßen, vor allem auf diese: "Eine Ausdehnung der Netzsperren auf andere Inhalte als Kinderpornographie sollte klug beachtet werden, z.B. um Antisemitismus besser zu bekämpfen."

Bisher habe ich auf die Worte Ihres Parteikollegen Dörmann, dem Verhandlungsführer der SPD-Fraktion bei Thema "Internetsperren", vertraut, der bei jeder Gelegenheit betont hat, dass die Internetsperren auf Kinderpornographie begrenzt bleiben. Frau Krogmann, die Verhandlungsführerin der CDU, bezeichnete Äußerungen zu einer Ausweitung stets als "Einzelmeinung".

Ist Ihre Aussage nun Ihre persönliche Meinung, oder denkt man in der SPD-Fraktion generell über Maßnahmen zur Ausweitung von Websperren nach? Haben Sie weitere Beispiele für die Ausdehnung von Netzsperren?

Über eine Klarstellung würde ich mich sehr freuen.

Beste Grüße
Frank Brennecke

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Brennecke,

aus Ihrem Schreiben spricht für mich ein großes Unbehagen angesichts der Vorstellung, dass auch andere Inhalte als Kinderpornographie vom Gesetzgeber mit einer Sperre belegt werden könnten. Viel höre ich in diesen Wochen von "staatlicher Zensur", die den in Art. 5 GG verbürgten Rechten an Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit zuwiderlaufe.

Ich halte derartige Sorgen für unbegründet und dem Thema nicht gerecht werdend.

Denn es geht gerade nicht darum, irgendwem Freiheitsrechte zu nehmen. Ganz im Gegenteil steht im Zentrum der Diskussion um Sperren von kinderpornographischen Inhalten im Internet das rationale Abwägen von unterschiedlichen Freiheitsansprüchen.

In einem offenen Brief an SPD-Genossen, die sich gegen diese Sperren ausgesprochen haben, habe ich diesen Gedanken bereits öffentlich erläutert und bringe ihn Ihnen hiermit gerne zur Kenntnis:

"Kinder, gerade weil sie sich ihrer eigenen Freiheitsrechte selbst erst im Bildungsprozess bewusst werden, und weil sie noch nicht in der Lage sind, sie aktiv schützen zu können, sind auf den Schutz derer angewiesen, die sich vor sie stellen. Kinder sind solange schwach, solange sie im Lauf ihrer Entwicklung erst allmählich Verantwortung für sich selbst übernehmen können. Deshalb bedürfen sie der Bereitschaft Älterer, für sie und mit ihnen gemeinsam Verantwortung zu übernehmen.

Freiheit erfüllt sich nie allein im ausschließlich individualisierten Anspruch. Ohne Verantwortung kann Freiheit gedacht, aber nicht realisiert werden. Wer Freiheit von der Verantwortung trennt, zerreißt die Zusammenhänge des Humanen. Wer Kinder schutzlos der egozentrisch verblendeten Gier des Voyeurs ausliefert, der pervertiert den Freiheitsbegriff.

Die Qualität der Freiheit kann am besten der entfalten, wer über die Freiheit der Schwächsten zu wachen bereit ist."

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Freiheit derer zu schützen, die sich selbst nicht oder nur unzureichend schützen können. Dies gilt für Kinder genauso wie für Minderheiten, die Opfer der Ressentiments der Feinde der Freiheit sind.

Der Gesetzgeber darf nicht tatenlos zusehen, wenn den Schwachen ihre grundlegenden Rechte genommen werden. Genau aus diesem Grund sind sexueller Umgang mit Kindern und Herstellung, Besitz, Weitergabe und Konsum kinderpornographischer Inhalte verboten.

Es verwundert mich sehr, dass, während das staatliche Verbot kinderpornographischer Printprodukte von allen Bürgern als Selbstverständlichkeit aufgefasst wird, es bei der exakt identisch motivierten Sperre derartiger Inhalte im Internet zu einem Sturm der Entrüstung kommt und ein falsch verstandener Begriff von Freiheit (nämlich einer, der Verantwortung nicht mitdenkt) die Diskussion bestimmt.

Der Gesetzgeber darf, was die Verbreitung strafrechtsrelevanter Inhalte angeht, nicht tatenlos bleiben, nur weil sich die technischen Möglichkeiten für deren Verbreitung geändert haben.

Alle diese Punkte gelten selbstverständlich auch - dies habe ich nur als ein konkretes Beispiel angeführt - für den Schutz der Freiheit unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Hetzschriften und Hasspamphlete, die zum Judenhass aufrufen und diesen schüren, sind verboten und müssen verboten bleiben. Auch hier gilt: was für die Verbreitung hasserfüllter, menschenunwürdiger, die Freiheit von Menschen mit Füßen tretende Inhalte in Form von Büchern, Zeitungen, CDs etc. gilt, hat selbstverständlich auch für die Verbreitung über das Internet zu gelten.

Freiheit kann nur dort dauerhaft existieren, wo die Starken die Freiheiten der Schwachen schützen. Dies gilt für unsere reale natürliche Umwelt genauso wie für den virtuell-digitalen Raum.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Gert Weisskirchen