Frage an Gert Weisskirchen von Dr. Hans-Jürgen S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Weisskirchen
Auch alle Sport- und Privatpilotenpiloten müssen sich neuerdings einer sehr fragürdigen, periodischen und zudem kostenpflichtigen Zuverlässigkeitsüberprüfung (ZÜP) nach dem LuftSiG "freiwillig" durch eigenen Antrag unterziehen. Sind Sie der Meinung, dass ein solcher unglaublicher Globalverdacht gegen eine bisher völlig unauffällige Bürgergruppe angemessen ist?
Ist das nicht reiner bürokratischer Aktionismus und Populismus ausgetragen auf dem Rücken von unschuldigen Bürgern, die mit all dem nicht das Geringste zu tun haben? Wird dadurch nicht der rechtstaatliche Grundsatz der Unschuldsvermutung - und damit unser zentrales Rechtsverständnis - ausgehebelt? Sollte nicht wenigstens ein gewisser Anfangsverdacht diese ZÜP rechtfertigen?
Es hat weltweit noch nie einen lizenzierten Piloten gegeben, von welchem ein Terroranschlag ausging. Es gab aber jede Menge Führerscheinbesitzer und Rucksackträger!!! Lastwagenfahrer stellen ein viel größeres "Gefahrenkontingent" dar, kommen sie doch problemlos mitten in jede Innenstadt!
Warum werden die nicht zum gläsernern Bürger gemacht, sondern nur ausgerechnet diese harmlose Minderheit?
Wo ist hier Ihrer Meinung nach das rechtsstaatliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit noch gegeben? Werden Sie sich nach Ihrer Wahl für unsere Minderheit einsetzen?
Freiheit und Demokratie und Menschenwürde, werden sie dadurch geschützt, dass man sie schleichend gegen die Würde des Menschen einfach abschafft?
Welche Antwort hierauf kann ich an unsere Vereinsmitglieder weitergeben?
Ich würde Sie gerne auch mal zu einem kleinen Rundflug einladen, damit Sie sich persönlich davon ?berzeugen können, dass wir keine berechtigt verdächtigen Kamikazeterroristen sind. Nicht einmal die USA ?überprüft auf solche entwürdigende Weise ihre Altpiloten. ?Übrigens auch keine Ausländer mit USA - Lizenz! Nur Deutschland will einmal mehr einmalig perfekt in der Welt sein.
Auf Ihre Antwort freue ich mich
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Jürgen Schmidt
Sehr geehrter Dr. Hans-Jürgen Schmidt,
Sie wenden sich in Ihrem Schreiben gegen die im Luftsicherheitsgesetz angeordnete Zuverlässigkeitsüberprüfung. Der Luftverkehr unterliegt im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern einer besonderen terroristischen Bedrohung. Es ist auch davon auszugehen, dass diese Bedrohung sich in absehbarer Zeit nicht verringern wird. Dem ist durch das Luftsicherheitsgesetz durch ein gestaffeltes System an Sicherheitsmaßnahmen am Boden und in der Luft Rechnung tragen worden. Die Ausdehnung der Zuverlässigkeitsüberprüfungen im Luftsicherheitsgesetz auf die sog. Privatpiloten entspricht den erhöhten Sicherheitsanforderungen in der Luftfahrt sowie einer Forderung der deutschen Innenministerkonferenz vom 14. /15. Mai 2003. Durch die Zuverlässigkeitsüberprüfung soll verhindert werden, dass unzuverlässige Personen eine Ausbildung zum Piloten erlangen oder ein Luftfahrzeug führen.
Es darf nicht verkannt werden, dass Zuverlässigkeitsüberprüfungen selbstverständlich keinen hundertprozentigen Schutz gegen Angriffe auf die Sicherheit des Luftverkehrs bieten können, gleichwohl aber eine wichtige präventive Komponente darstellen.
Dass es bisher überhaupt keinen Fall gegeben haben soll, in dem ein aktiver Luftsportler im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten aufgefallen sei, ist nicht zutreffend. In Brandenburg hat ein türkischer Staatsbürger 2002 unter Angabe einer falschen Identität eine Pilotenlizenz erworben. Die Person ist zwischenzeitlich wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung (Goldschmuggel) zu 5 Jahren Haft verurteilt worden und mutmaßliches Mitglied einer Tätergruppierung um den Tunesier G., der unter dem Verdacht steht, arabische Studenten für Anschläge in Deutschland angeworben zu haben und gegenwärtig in Berlin vor Gericht steht.
Zutreffend ist, dass ausländische Piloten durch § 7 LuftSiG nicht erfasst werden. Dies ergibt sich aber aus dem Geltungsbereich des Gesetzes. Deutschland kann keine Schutzmaßnahmen in ausländischen Staaten anordnen. Der Umstand, dass bestimmte Schutzmaßnahmen nicht weltweit praktiziert werden, stellt keinen Grund dar, hiervon in Deutschland abzusehen.
Dass Personen ohne Pilotenlizenz, die sich gewaltsam in den Besitz eines Flugzeuges bringen (Frankfurter Motorseglerfall), keiner Zuverlässigkeitsüberprüfung unterliegen, ist offenkundig. Dies spricht aber nicht gegen die Zuverlässigkeitsüberprüfung, sondern für eine bessere Sicherung von Flugplätzen und Fluggerät.
Das Vorbringen, dass in Luftsportvereinen „eine hohe Selbstkontrolle durch die Vereinsstrukturen gegeben sei“, vermag die Zuverlässigkeitsüberprüfungen nicht in Frage zu stellen. Eine – wie auch immer geartete - „Selbstkontrolle durch Vereinstrukturen“ steht einer behördlichen Überprüfung durch Abfrage der Sicherheitsbehörden nach dort vorliegenden Erkenntnissen in keiner Weise gleich.
Die Aussage, dass das Gefährdungspotenzial durch Kleinflugzeuge wesentlicher geringer als das durch Kfz und Lkw sei und erst recht nicht mit dem eines Airbus A 380 vergleichbar sei, ist so nicht zutreffend. Nach gemeinsamer Auffassung der deutschen Sicherheitsbehörden sind genügend Tatszenarien vorstellbar, in denen durch Nutzung eines Kleinflugzeugs als Tatwaffe massive Schäden angerichtet werden können, z.B. wenn dieses mit Sprengstoff oder anderen Explosivstoffen beladen wird. Mit ausschlaggebend für die Ausdehnung der Zuverlässigkeitsüberprüfung auf alle Flugzeugführer ist auch das Bedrohungspotential, das insbesondere aus der Mobilität des Fluggeräts resultiert. Schon von relativ kleinen Flugzeugen kann eine erhebliche Gefährdung für Personen insbesondere in Sicherheitsbereichen ausgehen, die gegen Angriffe vom Boden aus hinreichend geschützt sind.
Das Bundesministerium des Innern erarbeitet z.Z. unter Hochdruck die Rechtsverordnung zur Durchführung der Zuverlässigkeitsüberprüfung, die mit Zustimmung des Bundesrates erlassen wird. Die besondere Gefährdung, der der Luftverkehr unterliegt, erlaubt es jedoch nicht, mit der Durchführung der Sicherheitsüberprüfungen zu warten, bis diese Verordnung in Kraft ist. Das Bundesministerium steht in engem Kontakt mit den Ländern, um auch jetzt schon ein möglichst einheitliches Vorgehen der Länder sicher zu stellen.
Die Zuverlässigkeitsüberprüfung sieht ein abgestuftes Prüfverfahren vor. Nach § 7 Absatz 3 Nr. 2 des Luftsicherheitsgesetzes darf die Luftsicherheitsbehörde Anfragen bei den Polizei- und den Verfassungsschutzbehörden der Länder stellen. Bei den weiteren Sicherheitsbehörden wie z. B. dem Bundeskriminalamt, dem Zollkriminalamt, dem Militärischen Abschirmdienst oder dem Bundesnachrichtendienst darf nur angefragt werden, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist. Diese Erforderlichkeit unterliegt auch der gerichtlichen Überprüfung. Vereinzelt wird der Vorwurf erhoben, dass durch die im Einzelfall erforderliche Einbeziehung der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR Verleumdungen durch sog. inoffizielle Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR die Zuverlässigkeit eines Flugzeugführers in Frage stellen könnten. Solche rechtsstaatswidrig gewonnenen Informationen sind für die Beurteilung der Zuverlässigkeit grundsätzlich nicht geeignet und damit für die Zuverlässigkeitsüberprüfung auch nicht bedeutsam.
Vereinzelt wird ein unverhältnismäßiges Vorgehen der Luftsicherheitsbehörden insbesondere bei Auslandsbezügen, wie z.B. bei früheren Wohnsitzen im Ausland, beklagt. Die zuständige Facharbeitsgruppe meiner Fraktion hat das Bundesministerium des Innern bereits aufgefordert, im Rahmen der erforderlichen Rechtsverordnung eine Umsetzung der Zuverlässigkeitsüberprüfung unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sicher zu stellen.
Der Zuverlässigkeitsüberprüfung wird ausnahmslos das gesamte fliegende Personal der Luftfahrtunternehmen und alle Beschäftigte auf unseren Verkehrsflughäfen bis zur Reinigungskraft unterworfen, ohne dass daran Kritik geübt wird. Ich kann nicht erkennen, dass die Ausdehnung der Zuverlässigkeitsüberprüfung auf Privatpiloten unverhältnismäßig ist oder dass dadurch Privatpiloten gegenüber bislang schon der Zuverlässigkeitsüberprüfung unterworfenen Personen benachteilgt werden.
Die Gebühren für die Zuverlässigkeitsüberprüfungen werden bei ca. € 25,- liegen, was ich für akzeptabel halte. Es ist auch beabsichtigt, zukünftig die Wiederholungsprüfung nur alle 3 Jahre durchzuführen. Die Grundlagen hierfür werden gerade im Bundesministerium des Innern erarbeitet.
Ich bitte daher um Verständnis für die ergriffenen Maßnahmen, auch soweit sie Privatpiloten betreffen.
Mit freundlichen Grüßen,
Prof. Gert Weisskirchen