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Frage von Jan E. •

Frage an Gert Weisskirchen von Jan E. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Prof. Gert Weisskirchen,

vielen Dank für Ihre Antwort auf meine Frage vom 29.03.2009. Ich möchte gerne noch einmal auf den Beitrag der Bundesregierung in der Darfur Krise eingehen.

Sie bezeichneten in ihrer Antwort die dortigen Vorgänge als "humanitäre Krise". Im Sudan werden gezielt Schwarzafrikaner von der arabischen Minderheit massakriert. Dies ist als Völkermord zu bewerten. So bezeichnet auch der amerikanische Kongress die dortigen Vorgänge. Stimmen Sie mir da zu?

Werfen wir kurz einen Blick auf Somalia. Die Piraterie am Horn von Afrika schadet unserer Wirtschaft und bringt viele Menschen in gefährliche Situationen und ist sicher nicht gutzuheißen. Die Bundesregierung die "zu den größten Gebern humanitärer Hilfe für Somalia zählt" (Auswärtiges Amt) gab 2007 gerade einmal 10 Millionen Euro an Entwicklungshilfe für Somalia aus. Die Kosten für „Atalanta“ belaufen sich schon auf 43,1 Millionen Euro. Die Kosten der internationalen Bemühungen vor Somalia übersteigen die Lösegelder bei weitem. Und das um ein Verbrechen zu bekämpfen von dem wir direkt betroffen sind. Sind unsere finanziellen Anstrengungen in Darfur nur annähernd so hoch? Einem Völkermord von dem viele Millionen Menschen betroffen sind, wir jedoch nur indirekt.

Wie möchte die Bundesregierung die Lage der Flüchtlinge und Vertriebenen im Sudan verbessern?

Obliegt Deutschland nicht eine besondere Pflicht einem Völkermord entschieden entgegenzuwirken?

Werden Länder die Omar al-Bashir einen roten Teppich ausrollen, anstatt ihn vor den Internationalen Gerichtshof stellen, diplomatisch unter Druck gesetzt?

mit freundlichen Grüßen,
Jan Ellers

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Sehr geehrter Herr Ellers,

gern beantworte ich Ihre Fragen.

1. Bezogen auf die Leiden der Zivilbevölkerung im Sudan kann man wohl mit Recht von einer humanitären Krise, ja Katastrophe sprechen. In der Anklage des sudanesischen Präsidenten vor dem Internationalen Strafgerichtshof werden ihm Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zur Last gelegt. Die Anklage hatte ebenfalls von Völkermord gesprochen, diesen Vorwurf hat die Kammer bislang nicht angenommen.

2. Die Mission ATALANTA wurde primär zum Schutz der Schiffe des Welternährungsprogramms, die Lebensmittel für die somalische Bevölkerung transportieren und den Schutz anderer Schiffe begonnen. Fast 40% der somalischen Zivilbevölkerung ist von Lebensmittelhilfe der internationalen Gemeinschaft abhängig. Ein Land wie Somalia, das seit fast 20 Jahren einen Bürgerkrieg erlebt, dessen Staatlichkeit nicht mehr existiert, kann augenblicklich gar nicht mehr an Entwicklungshilfegeldern umsetzen, weil Institutionen und Partnerinstitutionen fehlen. Neben der Pirateriebekämpfung unterstützen wir den Aufbau somalischer Sicherheitsstrukturen – als Grundvoraussetzung auch für den Aufbau ziviler Struktur. Deshalb haben sich die Vereinten Nationen und die EU in einer Konferenz in Paris kürzlich darauf verständigt, mit über 200 Millionen Euro der neuen somalischen Präsidentschaft dabei zu assistieren. Sie beklagen fehlende finanzielle Anstrengungen Deutschlands in Darfur. Doch auch für Darfur gilt: Deutschland und die internationale Gemeinschaft können Hilfsgelder bereitstellen, ihre Empfehlungen aussprechen und ein internationales Forum für Friedensgespräche schaffen; die Gespräche führen und die Verhandlungsergebnisse achten müssen die Konfliktparteien allerdings selbst.

3. Der im Sudan stationierten Friedenstruppe der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen namens UNAMID kommt eine wichtige Rolle bei der Umsetzung des Darfur-Friedensabkommens zu. Trotz wiederholter Angriffe auf die Kräfte der Mission, kann sie dazu beitragen, die humanitäre Lage in Darfur zu verbessern und die Zivilbevölkerung zu schützen. Neben der Entsendung von Soldaten und Polizisten unterstützt Deutschland unter anderem die Ausbildung afrikanischer UNAMID-Polizisten am Kofi-Annan-Peacekeeping-Center in Ghana mit 1 Mio. Euro. Unser Beitrag zur Lösung der Darfur-Krise entspricht unserer Politik, die Afrikanische Union bei der Entwicklung eigener Strukturen zur Krisenbewältigung zu unterstützen. Zudem beteiligen wir uns politisch und finanziell an der Umsetzung des Friedensabkommens zwischen Nord- und Südsudan.

4. Deutschland agiert gemeinsam mit den anderen europäischen Staaten und der internationalen Gemeinschaft um den Friedensprozess voranzutreiben, die Not der Flüchtlinge zu lindern und eine politische Lösung des Konfliktes zu befördern.

5. Fast alle afrikanischen Länder stellen sich momentan gegen den Haftbefehl des IStGH gegen den sudanesischen Präsidenten. In unseren Gesprächen mit afrikanischen Parlamentariern bringen wir das Thema zur Sprache und werben für unsere Haltung. Sie sehen an der Auseinandersetzung um die Anklage des Präsidenten, wie schwer es ist, einen Weg zwischen gerechter Strafverfolgung und Frieden zu gehen. Nach dem Erlass des Haftbefehls hat der Sudan viele internationale Nichtregierungsorganisationen aus Darfur ausgewiesen. Dadurch war plötzlich für Millionen von Flüchtlingen die Notversorgung nicht mehr gewährleistet. Und dennoch sind wir überzeugt, dass ein dauerhafter Frieden nur möglich ist, wenn Verbrechen geahndet werden.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Gert Weisskirchen