Frage an Gerhard Zickenheiner von Stefanie O. bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht
Sehr geehrter Herr Zickenheiner,
aufgrund der aktuellen Situation durch Covid-19 ist es sehr vielen Bürgern aus Drittstaaten nicht möglich, das nationale Visum für Deutschland zu beantragen. Trotz Vorabzustimmung (Fachkräfteeinwanderungsgesetz) durch die deutschen Behörden, sind die deutschen Konsulate angehalten, keinerlei Visumanträge anzunehmen oder zu bearbeiten. Dies ist selbst in systemrelevanten Berufen der Fall!
In unserem Fall geht es hierbei um eine Person aus Südafrika, die im Landkreis Lörrach, auf einem Weingut ein Arbeitsangebot hat und diese Stelle aktuell aufgrund des fehlenden Visas nicht antreten kann. Gerade im Weinbau kann die Arbeit nicht aufgeschoben werden und mindert im schlimmsten Fall die Erträge mehrerer Jahre oder führt sogar zu einem Verlust der kompletten Weinlese.
Leider ergeht es auch sehr vielen Fachkräften aus anderen Nicht-EU-Ländern gleichermaßen! Diese planen ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland und deren Arbeitskraft wird weiterhin dringend in deutschen Betrieben benötigt - die Einreise ist aber ohne Erteilung des nationalem Visum verhindert.
Welche Maßnahmen werden hier ergriffen, um die Fachkräfte und auch alle Betriebe, vorrangig in systemrelevanten Bereichen, zu unterstützen und zu entlasten? Sind hier bereits Änderungen geplant und falls ja, ab wann? Können Sie Betroffene hierbei im Speziellen unterstützen und sind Sie gewillt, sich für künftige Fachkräfte in Deutschland einzusetzen?
Anbei eine Auflistung meiner Recherche, die ich Ihnen sehr gerne auch im Original zukommen lasse:
1. Ab Erhalt der Vorabzustimmung besteht eine Frist von 3 Wochen zur Terminvergabe eines Visumsantrags beim beschleunigten Fachkräfteverfahren.
Diese wird aktuell nicht eingehalten. Wie es bereits den Behörden in Deutschland möglich ist, könnten die Konsulate auch über E-Mail und Post mit den Antragstellern in Kontakt treten, um Ansteckungen zu vermeiden und den gesundheitlichen Aspekt nicht zu vernachlässigen. Viele Konsulate haben, meines Wissens, sowieso Glasscheiben zwischen Angestellten und Antragsteller, dadurch wäre eine Ansteckung selbst bei persönlicher Übergabe kaum möglich.
2. Auszug aus einem Schreiben des Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat:
"(...) Die Ausländerbehörden werden gebeten, beschleunigte Fachkräfteverfahren nach § 81a AufenthG für Personal in Gesundheits- und Pflegeberufen, der Gesundheitsforschung sowie für Transportpersonal im Warenverkehr und anderen notwendigen Bereichen prioritär zu behandeln. Ausländische Fachkräfte dieser Berufsgruppen sind nach der von den Staats- und Regierungschefs indossierten „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat und den Rat – COVID- 19: Vorübergehende Beschränkung von nicht unbedingt notwendigen Reisen in die EU [COM (2020) 115 final]“ vom 16.3.2020 von den aktuellen Reisebeschränkungen ausgenommen. (...)“
Das beschleunigte Fachkräfteverfahren wird weiterhin durchgeführt und eine Gebühr von 411,- € erhoben, ohne nach Erhalt der Vorabzustimmung die Möglichkeit zu bekommen, das nationale Visa zu beantragen. Dies erscheint paradox, da einerseits alles vorbereitet werden soll, um ein nationales Visum zu erhalten, jedoch der letzte Schritt (der Antrag) nicht durchgeführt wird. Dies verursacht den Fachkräften nicht nur unnötige Kosten, sondern kann ihren Arbeitsplatz auch unverschuldet, aufgrund unnötiger und langer Wartezeiten, gefährden.
3. Des Weiteren Auszüge aus dem FAQ des Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft:
"(...) Zur kritischen Infrastruktur Ernährung zählen zum Beispiel: (...) Landwirtschaftliche Betriebe einschließlich Sonderkulturbetriebe (...)"
Weinbau fällt in den Bereich Sonderkulturen.
"(...) Landwirte stellen unsere Lebensmittel her: Was heute nicht gesät oder gepflanzt wird, kann morgen nicht geerntet werden. Landwirtschaft ist deshalb, genau wie die Ernährungswirtschaft, systemrelevant. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass (...) genug Arbeitskräfte da sind. Dazu passen wir im Moment die rechtlichen Grundlagen an, so unbürokratisch wie möglich. (...)"
Hier wird verdeutlicht, dass die benötigen Arbeitskräfte ohne unnötige Verzögerungen oder bürokratischen Aufwand nach Deutschland einreisen sollen. Selbst Saisonhilfskräfte können nach Deutschland einreisen. Diese müssen jedoch angelernt und in Ihrer Tätigkeit von ausgebildeten und erfahrenen Fachkräften überwacht werden.
"(...) Dürfen Saisonarbeitskräfte nach Deutschland kommen?
Ja. Es gibt bei den Einreisebeschränkungen Ausnahmen für Saisonarbeitskräfte. Sie gelten unter strengen Voraussetzungen. (...)"
Dies muss auch möglich sein für Fachkräfte in den jeweiligen Bereichen!
4. Auszug aus der Liste systemrelevanter Bereiche des Bundesministerium für Arbeit und Soziales:
"(...) Ernährung & Hygiene
Produktion, Groß- & Einzelhandel (inklusive Zulieferung, Logistik) (z. B. Landwirte, Erntehelfer*innen, Verkäufer*innen) (...)“
Auch hier wird die Systemrelevanz in diesem Bereich nochmals deutlich.
Ich freue mich auf Ihre Antwort und hoffe, dass sowohl Sie, als auch die jeweils zuständigen Ministerien, mich und andere Betroffene unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen,
S. O.
Sehr geehrte Frau Ostermair,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Selbstverständlich stellt uns die Corona-Pandemie in allen Bereichen vor enorme Herausforderungen - gesundheitlich, wirtschaftlich wie sozial. Dabei haben die geltenden Reisebeschränkungen nicht nur massive Auswirkungen auf Handel und Lieferketten, sondern vor allem auch auf Personenfreizügigkeit, Migration und Flucht.
Um Engpässe in systemrelevanten Bereichen zu vermeiden, braucht es zweifellos fexible Möglichkeiten. Es muss jetzt darum gehen, alle Anstrengungen zu unternehmen, um Arbeitssuchende mit den Betrieben, die derzeit händeringend Personal suchen, zusammenzubringen. Vor diesem Hintergrund haben wir als GRÜNE Bundestagsfraktion das mittlerweile gelockerte und europarechtlich fragliche Einreiseverbot für Erntehelfer*innen und Saisonarbeitskräfte auch deutlich kritisiert.
Jetzt muss es uns allen darum gehen, Menschen und insbesondere systemrelevanten Fachkräften einen unbürokratischen Weg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Natürlich gilt das auch für die vielen Menschen in Deutschland, die gegenwärtig einem Arbeitsverbot unterliegen. Eine Lockerung des Arbeitsmarktzugangs für Geflüchtete und Geduldete würden meine Fraktion und ich daher sehr begrüßen. Nicht zuletzt haben wir bereits immer wieder kritisiert, wenn Menschen der Zugang zum Arbeitsmarkt versperrt wird, obwohl sie arbeiten wollen und können. Dabei haben der Gesundheits- und Arbeitsschutz für alle Menschen selbstredend oberste Priorität.
Wie Sie wissen, hat die Bundesregierung allerdings entschieden, der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 8. Mai 2020 zu folgen und zur weiteren Verbreitung des Corona-Virus die bestehenden Einreisebeschränkungen aus Drittstaaten nach Deutschland um weitere 30 Tage zu verlängern. Damit werden an deutschen Visastellen laut Bundesinnenministerium auch weiterhin nur im beschränkten Umfang Visa erteilt werden. Die Zuständigkeit für die Durchsetzung dieser Regelungen liegt hier beim BMI bzw. der Bundespolizei. Vor diesem Hintergrund kann ich Sie leider aktuell weiterhin nur um etwas Geduld bitten. Gegebenenfalls wäre es ratsam, sich bei Ihrer örtlichen Bundespolizeistelle zu erkundigen, ob eine Einreise im konkreten Fall bereits vor dem 15. Juni möglich wäre.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Zickenheiner