Frage an Georg Schmid von Alfred M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
In einer Demokratie ist das Volk der Souverän. Das kann natürlich nicht heißen, daß jeder überall mitentscheiden kann. Darum haben wir eine repräsentative Demokratie. In der Theorie könnte jede größere Gruppe einen Vertreter in das Parlament entsenden.
Die 5%Klausel erstickt die repräsentative Vertretung aber schon im Ansatz. Das führt dazu, daß z.B. ihre Partei mit vielen Abgeordneten eine ziemlich einheitliche Weltanschauung zur Geltung bringen kann.
Die 5%Klausel soll das Parlament vor einer Zersplitterung schützen und arbeitsfähig erhalten.
Auch wenn man dieses Argument akzeptiert, obwohl die Geschäftsordnung Splitterparteien gar nicht in Schwung kommen lassen würde, gibt es die Idee einer Alternativstimme. Der Wähler hätte die Möglichkeit, seine Stimme einer zweiten Partei für den Fall zu geben, daß die Partei erster Wahl die 5% nicht erreichen sollte.
Eigentlich dürfte es für einen Demokraten dagegen keine Bedenken geben. Es kämen keine Splitterparteien ins Parlament. Bisher nicht im Parlament repräsentierte Kruppen hätten aber größere Chancen, weil bis jetzt viele Wähler lieber eine größere Partei wählen, als ihre Stimme verloren zu sehen.
Vgl. www.wahlreform.de/valeske.htm
Nach allem, was im letzten Jahr über Sie berichtet wurde, haben Sie die Gabe zum objektiven Denken und verstehen Sie es, Ihre Entscheidungen und Ziele plausibel darzustellen. Meist erfolgreich bemühen Sie sich frei von Dünkel um Verständnis für Ihre Politik.
Ich würde gerade deshalb sehr gern Ihre Meinung zur Alternativstimme erfahren. Wenn Sie dafür einträten, würden Sie zwar gegen die Interessen der etablierten Parteien handeln, aber einen entscheidenden Schritt in Richtung Demokratie tun. Ich bin sehr gespannt.
Sehr geehrter Herr Mayer,
es ist richtig, dass niemals alle politischen Gruppierungen ihrem Wähleranteil gemäß im Parlament repräsentiert sein können. Denn das würde erfordern, dass auch Parteien mit einem extrem geringen Wählerzuspruch zumindest durch einen Abgeordneten vertreten wären. Um in diesem Fall aber den Wählerwillen angemessen und im richtigen Verhältnis der verschiedenen politischen Kräfte zueinander wiederzugeben, müsste die Zahl der Sitze in unseren Parlamenten deutlich erhöht werden. Ganz abgesehen davon, dass dies die Arbeitsfähigkeit unserer Volksvertretungen sehr beeinträchtigen dürfte, würde dies vermutlich auch wenig Verständnis in der Bevölkerung finden, die tendenziell eher für eine Verkleinerung der Parlamente eintritt.
Sie haben vorgeschlagen, Alternativstimmen einzuführen, um sicherzustellen, dass bei einem Scheitern einer politischen Gruppierung an der Fünfprozentklausel die ansonsten "verlorene" Stimme nicht vollkommen unberücksichtigt bleibt. Ich halte diesen Weg für nicht tragfähig. Denn mit der Wahl entscheiden Sie sich für eine Partei und damit für das von dieser Gruppierung vertretene Programm. Dagegen würde man mit der Abgabe einer Alternativstimme seine Unterstützung für diese Partei relativieren, woraus sich die Vermutung ergibt, dass eine solche Stimme eher dazu dienen soll, eine andere Partei um jeden Preis zu "verhindern", da durch die Möglichkeit einer Alternativstimme Kontrahenten einer nicht gewünschten Partei immer noch gestützt werden können. Damit aber würden Wahlen ihren originären Charakter als Entscheidungen zwischen politischen Angeboten verlieren und zunehmend zum Spielfeld taktischen Kalküls degenerieren.
Im übrigen hätten Wähler, die zusätzlich zu ihrer Stimme noch eine Alternativstimme abgeben, durch diese Rückversicherung letztlich mehr Einfluss auf das Wahlergebnis als Wähler, die auf diese Option verzichten. Darüber hinaus könnte eine solche Regelung Splittergruppen einen unverhältnismäßig großen Einfluss verschaffen, weil sie für das Versprechen einer Wahlempfehlung hinsichtlich der Alternativstimme größere Parteien zu inhaltlichen Zugeständnissen zwingen könnten, die ansonsten nur in Koalitionen möglich, also an eine parlamentarische Vertretung und eine entsprechende Wählerunterstützung gebunden wären. Deshalb glaube ich, dass wir an dem Prinzip "one man, one vote" ebenso festhalten sollten, wie an der Fünfprozentklausel. Dagegen halte ich gar nichts von Stimmensplitting und taktischem Wählen.
Mit freundlichen Grüßen
Georg Schmid