Frage an Gabriele Zimmer von Karin H. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Frage 1: Was halten sie von dem Urteil gegen 24 griechische Stahlarbeiter, die am 9.4. in Athen für ihren neunmonatigen Streik vor zwei Jahren mit bis zu 23 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden sind?
Frage 2: Was stehen sie zu der Forderung nach einem vollständigen gesetzlichen Streikrecht in Europa und was halten sie von den Plänen verschiedener Regierungen, das Streikrecht einzuschränken?
Frage 1: Was halten sie von dem Urteil gegen 24 griechische Stahlarbeiter, die am 9.4. in Athen für ihren neunmonatigen Streik vor zwei Jahren mit bis zu 23 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden sind?
Mit großer Enttäuschung habe ich von dem Urteil erfahren. Die Mitarbeiter aus dem Stahlwerk in Aspropirgos bei Athen stellten sich mit ihrem neunmonatigen Streik gegen Massenentlassungen und Lohnkürzungen auf ein Monatsgehalt von 500 Euro. Davon lässt sich auch in Griechenland keine Familie ernähren. Die Streikenden haben sich für Ihre Kolleginnen und Kollegen und gegen ihre Ausbeutung durch die Unternehmensleitung eingesetzt. Für diesen persönlichen Einsatz haben sie meinen tiefen Respekt und verdienen unsere volle Solidarität. Vor zwei Jahren war ich mit unserer Parlamentsfraktion selbst in Griechenland, um Streikende vor Ort zu unterstützen.
Dieses Urteil gegen die Stahlarbeiter zeigt klar, wie heute mit Menschen umgegangen wird, die für ihre Rechte, gerechte Löhne und die Lebensgrundlage ihrer Familien kämpfen. Das Urteil zeigt auch, wie sehr das in der EU-Grundrechtecharta verbürgte Streikrecht mittlerweile ausgehöhlt wird, um die unsoziale marktliberale Kürzungspolitik mit aller Gewalt durchzusetzen. Für die Betroffenen bedeutet es, sofort entlassen zu werden, ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld oder eine Krankenversicherung zu haben. Eine unhaltbare Situation in Griechenland, wo wegen des Spardiktats das Gesundheitssystem fast zusammengebrochen ist und Sozialleistungen nicht vor Armut schützen.
DIE LINKE fordert seit Krisenbeginn, die ungerechte, exzessive Sparpolitik sofort zu beenden. DIE LINKE hat die sogenannten Rettungsprogramme abgelehnt, mit denen Banken mit Steuergeldern gerettet wurden, während öffentliche Ausgaben für Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssysteme gestrichen wurden. Und wir stellen uns vehement gegen die Grundrechtsverletzungen durch das fehlgeschlagene EU-Krisenmanagement der Regierenden.
Wir stellen uns solidarisch an die Seite der betroffenen Stahlarbeiter und werden sie von Deutschland und von der europäischen Ebene aus mit allen unseren Möglichkeiten unterstützen. Unsere griechischen Genossinnen und Genossen der Parteien SYRIZA und KKE haben den Gewerkschaftern schon während ihres Streiks aktiv geholfen und setzen sich nun nach Kräften ein, um dieses ungerechte Urteil im Berufungsverfahren zu kippen.
Frage 2: Was stehen sie zu der Forderung nach einem vollständigen gesetzlichen Streikrecht in Europa und was halten sie von den Plänen verschiedener Regierungen, das Streikrecht einzuschränken?
Wir haben uns in unserem Europawahlprogramm klar dafür ausgesprochen, dass Gewerkschaften und Tarifverträge europaweit gestärkt werden müssen. Wir wollen Mindestregelungen für ein europäisches Tarif- und Sozialsystem und Möglichkeiten grenzüberschreitender Tarifverträge und Streikaktivitäten verbessern. Allen abhängig Beschäftigten müssen Streikrecht und Koalitionsfreiheit offenstehen. Wir fordern, dass das Recht auf politischen Streik in ganz Europa gelten muss - auch in Deutschland.
In den Europäischen Verträgen sind ausdrücklich in Art. 153 Abs.5 AEUV das
Arbeitsentgelt, das Koalitionsrecht, das Streikrecht, sowie das Aussperrungsrecht ausgeschlossen. Dafür ist die EU - momentan - nicht zuständig.
Aber das EU-Wettbewerbsrecht wird schon seit Jahren dazu genutzt, Löhne oberhalb von Mindestlöhnen oder Streiks gegen die Ausflaggung von Fährschiffen zum Zwecke der Lohndrückerei als Verstöße gegen die Unternehmensfreiheit in der EU zu werten - siehe die EuGH-Urteile in den bekannten Fällen Viking, Laval, Rüffert, Luxemburg.
Hinzu kam die Troika: Bei den so genannten »Rettungsmaßnahmen« für Griechenland, Spanien, Italien und Portugal lässt die Europäische Kommission zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) Grundrechte außer Kraft setzen. Tarifverträge werden aufgelöst, die Verlagerung der Lohnverhandlungen auf die betriebliche Ebene verordnet, Lohnsenkungen erzwungen, Streiks erschwert, Arbeitszeiten drastisch erhöht, der Kollaps des öffentlichen Gesundheitswesens und wichtiger kommunaler Verwaltungsstrukturen in Kommunen und Regionen in Kauf genommen.
In allen Mitgliedsstaaten wurde die Tarifbindung zurückgedrängt. Alleine in Portugal ist durch erzwungene Anpassungen die Zahl der von Tarifverträgen geschützten Beschäftigten von über 1,5 Millionen Beschäftigten (2010) auf 300.000 (2012) zurückgegangen. Die sonst so sakrosankten Europäischen Verträge waren den Regierenden an dieser Stelle keinen Pfifferling wert.
DIE LINKE in der EU ist die einzige politische Kraft, die sich konsequent dieser Zerstörungswut entgegenstellt.
Aber anstelle eines Umdenkens erleben wir eine weitere Attacke dieser Art: Das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP). Die Geheimverhandlungen zwischen der EU-Kommission, Wirtschaftslobbyisten und den USA über TTIP soll Schutzklauseln für Investoren beinhalten. Großkonzerne könnten im Extremfall die EU verklagen - weil zu hoher sozialer Schutz deren Gewinne schmälern könnte. DIE LINKE lehnt dieses Abkommen ab.
Mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen haben einen Protestaufruf gegen TTIP gestartet: "TTIP unfairhandelbar".
Mehr Informationen finden Sie hier: http://www.ttip-unfairhandelbar.de/