Frage an Gabriele Frechen von Markus B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Frechen,
gemäß der aktuellen Rentenpolitik müssen junge Menschench 45 Jahre lang Beiträge zahlen und dürfen dann mit 67 in Rente gehen. Als Mann stirbt man laut Statistik mit ca. 76 Jahren, d.h. man bekommt lediglich 9 Jahre lang eine Rente gezahlt. Daraus folgt, dass man eigentlich eine Jahresrente bekommen müsste, die etwa 5 Jahresbeiträgen entspricht, d.h. es würde sich ergeben, dass man etwa ein Jahresbruttogehalt als Jahresrente bekommt. Von einer Rente sind weder Arbeitslosen- noch Rentenversicherung zu zahlen. Ergo müsste man als Rentner erheblich mehr Geld zur Verfügung haben, als während seiner Berufstätigkeit.
Dazu kommen nur erhebliche Steuerzahlungen fpr die Rente, die in der o.g. Rechnung nicht aufgeführt wurden, ebenso sind keine Zinserträge mit berücksichtigt, die mit Sicherheit erheblich über der Inflationsrate liegen, auch bei sicherheitsbetonter Anlageformen und auch unter Berücksichtigung eventueller Steuern.
Wozu brauchen da junge Menschen eine Riesterrente? Wozu brauchen sie eine Rürup-Rente? Wozu irgendeine andere Form der privaten Vorsorge? Wieso soll ich mich moralisch verpflichtet fühlen, dem "armen kleinen Rentner" seine Luxusrente zu bezahlen, wenn man von Millionen anderer Menschen verlangt im Alter von ihrem Privatvermögen zu leben? Wieso soll ich jemandem mit 55 den Vorruhestand finanzieren, wenn man doch auch bis 67 arbeiten kann?
Wie verträgt sich die aktuelle Rentenpolitk mit dem Grundgesetz, dass die Gleichheit aller Menschen verlangt? Immerhin wird man in Deutschland bei den Renten schlicht und ergreifend aufgrund seines Geburtsjahres massiv benachteiligt! Und was so etwas mit sozialer Gerechtigkeit zu tun hat, ist mir völlig schleierhaft.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Bootz
Sehr geehrter Herr Bootz,
vielen Dank für Ihre Fragen zur Rentenversicherung, den ich gerne beantworte. Meiner Meinung nach gehen Sie von zwei unzutreffenden Grundlagen aus: 1. Wer 45 Jahre Beiträge bezahlt, kann auch nach 2029 mit 65 Jahren in Rente gehen. 2. Unser Rentensystem ist nicht kapitalgedeckt. Es handelt sich vielmehr um ein umlagefinanziertes System.
Dabei übersehen Sie m.E. auch die Entwicklung der Lebenserwartung, die ich für ein großes Glück halte. Diese Entwicklung hat viel mit dem medizinischen Fortschritt zu tun und mit der erfreulichen Tatsache, dass wir über 60 Jahre in Frieden leben. Bei Einführung unseres Rentensystems war die durchschnittliche Lebenserwartung kaum mehr als 65 Jahre. Heute liegt sie für Männer bei 76,17 und für Frauen 81,53. Wer heute das 60 Lebensjahr erreicht hat, hat durchschnittlich noch eine Lebenserwartung von 20,14 Jahre (Mann) respektive 24,14 Jahre (Frau). Das waren in 1995 noch 17,92 oder 22,45 Jahre. Also allein in diesen 13 Jahren ist die Lebenserwartung für über 60- Jährige – gut, dass es so ist – um rund zwei Jahre gestiegen. Die Lebensarbeitszeit hat sich in den letzten Jahrzehnten aber deutlich verkürzt. Dem tragen wir mit der Rente mit 67 Rechnung. Nicht heute und nicht morgen, ab 2029 und stufenweise ab 2012.
Die gesetzliche Rentenversicherung ist kein kapitalgedecktes Rentensystem wie die private oder betriebliche Altersvorsorge. Deshalb können die geleisteten Beiträge auch keine Zinsen erwirtschaften. Die gesetzliche Rentenversicherung ist ein Umlageverfahren. Das heißt, dass mit den monatlichen Beiträgen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und der Arbeitgeber und dem Zuschuss aus Bundesmitteln in Höhe von rund 80 Milliarden Euro die Renten derjenigen gezahlt werden, die heute im Ruhestand sind und zu aktiven Zeiten ihren Beitrag am Generationenvertrag in gleicher Weise geleistet haben. Die gesetzliche Rentenversicherung bietet darüber hinaus nicht nur soziale Sicherheit im Alter, sondern auch schon während der Erwerbsphase - in Form von Rehabilitationsleistungen oder Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Zudem werden Hinterbliebene beim Tod des Ehepartners durch die Hinterbliebenenrente oder beim Tod eines Elternteils durch die Waisenrente unterstützt. Der Anstieg der Lebenserwartung der älteren Menschen hat erhebliche Auswirkungen auf die Altersversorgung. Nach Angaben des Deutschen Instituts für Altersvorsorge betrug die durchschnittliche Rentenbezugsdauer in Westdeutschland 1960 knapp 1o Jahre und 2006 17,2 Jahre, also rund 70% mehr. Es dürfte jedem Menschen klar sein, dass hier etwas geschehen muss, um dieses System funktionsfähig zu halten. Ich halte die gesetzliche Rentenversicherung, in der Generationen für Generationen einstehen und auch die versorgt werden, die in jungen Jahren die Hilfe der Solidargemeinschaft benötigen für einen starken Beitrag für soziale Gerechtigkeit. Diese Prinzipien zeichnen einen funktionierenden Sozialstaat aus.
Herzliche Grüße
Ihre Gabi Frechen MdB