Frage an Gabriele Frechen von Daniel R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Frechen,
vielen Dank für Ihre ausführliche gestrige Antwort, in der Sie die Sinnhaftigkeit der Belastung des Existenzminimums mit SV-Beiträgen begründeten.
Ich denke, Ihre positive Sicht blendet entscheidende, auch verfassungsrechtliche, Aspekte aus:
- das gesellschaftlich garantierte Existenzminimum ist ein zentrales Grundrecht, für welches aber nur den SV-Pflichtigen eine jahrzehntelange Ansparpflicht auferlegt wird (Konflikt mit Art. 3 GG - http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_3.html )
- der geldwerte Beitrag von Kindererziehungsleistungen, die bisher nur in der Pflegeversicherung zu Beitragsermäßigung führt, wird im SV-System sonst nicht berücksichtigt - im Gegenteil ist heute das Existenzminimum jedes Familienmitgliedes SV-beitragspflichtig (Konflikt mit Art. 6 GG)
- das Bundesverfassungsgericht hat 1992 geurteilt, dass dem Steuerpflichtigen (und seiner Familie) keine Abgaben abverlangt werden dürfen, wenn er dadurch zum Sozialhilfeempfänger wird (das gilt nicht im SV-System - warum?)
- ein existenzsichernder Mindestlohn wäre bei genereller Freistellung des Existenzminimums ökonomisch problemlos möglich
Da die Existenzgarantie für jeden Bundesbürger gilt - was halten Sie von einer Kombination aus überwiegender allgemeiner Steuerfinanzierung und einem (eher symbolischen) Grundbeitrag jedes erwachsenen Bundesbürgers (auch des heute beitragsfreien Millionärs) in Höhe von z.B. 100 Euro/Monat für die gesamte grundgesetzlich garantierte Existenzsicherung - (für die gesetzliche Mindestrente über Sozialhilfeniveau, eine Existenz-Basis-Finanzierung in Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung).
Dann würde das Existenzminimum bei allen Bundesbürgern gleichermaßen von allen Abgaben verschont werden können (bis auf die 100 Euro Grundbeitrag) - und die dann viel niedrigeren SV-Beiträge gewännen den von Ihnen betonten individuellen Äquivalenzcharakter zurück.
Vielen Dank und mit den besten Grüßen
Daniel Röttger, uwp
Sehr geehrter Herr Röttger,
Es tut mir Leid, wenn ich mich gestern für Sie unverständlich ausgedrückt habe. Ich versuche es gerne nochmal:
Ja, die Grundsicherung ist ein Recht, auf das jeder Mensch Anspruch hat.
Die Ansparpflicht möchte ich im Gegenteil zu Ihnen nicht beschneiden sondern ausweiten. Ich spreche mich klar für eine Erwerbstätigenversicherung aus. Auf dem Bochumer Parteitag hat die SPD als Ziel die solidarische Bürgerversicherung auch in der Rente festgelegt.
Meine Grenzen bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung habe ich deutlich gemacht. Daran hat sich über Nacht nichts geändert.
Die von Ihnen aufgeworfene Frage nehme ich, wie Sie hoffentlich in meiner Antwort bemerkt haben, sehr ernst. Deshalb sage ich Ihnen zu, diese sowohl in der Fraktion als auch in den Parteigremien zu prüfen und mit zu beraten, wenn im Herbst der Existenzminimumbericht vorliegt.
Herzliche Grüße
Ihre
Gabi Frechen