Frage an Gabriele Frechen von Helmut G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Frechen,
die aktuelle Diätenerhöhung führt bei mir und in meinem Freundeskreis zum fassunslosen Kopfschütten. Die Partei die jetzt gegen eine Erhöhung stimmt wird von mir bei der nächsten Gelegenheit gewählt.
Werden auch Sie die weitere Selbstbedienungspolitik unterstützen??
Vorschlag:
Erst die Diätenerhöhung
dann
Lohnerhöhung aller Beamten und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes und auch die Rentenerhöhung im gleichen Prozentsatz wie die Diätenerhöhung. Nur so lernen meiner Meinung nach unsere Parlamentarier haushalten.
Sehr geehrter Herr Grüsges,
vielen Dank für Ihre Frage zu der Erhöhung der Abgeordnetenbezüge, die ich gerne beantworten werde.
Ich werde versuchen zu erklären, was es mit dieser Erhöhung auf sich hat. Vielleicht können Sie es besser verstehen, wenn Sie den ganzen Sachverhalt kennen.
1.Die Aussage, nur noch eine Partei zu wählen, die gegen diese Erhöhung stimmt, halte ich für ebenso opportunistisch, wie die Parteien, die aus populistischen Gründen dagegen stimmen und das Geld trotzdem bekommen. Erpressen lasse ich mich von Niemandem, auch nicht der Wählerstimmen, die ich natürlich gewinnen will, wegen.
2.Sie sprechen von Selbstbedienung und übersehen dabei völlig, dass genau das von uns gefordert wird. Niemand anders kann nach der Verfassung die Diäten festlegen. Nur wir Abgeordneten selbst und vor den Augen der Öffentlichkeit. Eine unabhängige Kommission hat bereits 1977 dem Bundesverfassungsgericht als Richtgröße für die Diäten der Abgeordneten Bürgermeister von Kommunen mit 40.000 bis 60.000 Einwohnern in NRW oder einfache Richter bei Bundesgerichten genannt. Gleichzeitig hat das BVerfG uns aber untersagt, die Diäten „stillschweigend“ an die Erhöhungen der Beamtenbezüge zu koppeln. Vielmehr müssen wir jede Erhöhung im Lichte der Öffentlichkeit ausdiskutieren. Sicher ein Grund, warum es in den letzten 30 Jahren fast mehr Nullrunden als Erhöhungen gegeben hat, denn es gibt nie einen richtigen Zeitpunkt für Diätenerhöhung; es gibt nur schlechte und ganz schlechte. Das führte dazu, dass die vergleichbaren Beamtenbezüge weit höher waren, als die Abgeordnetendiäten. Bitte bestehen Sie mich nicht falsch: Ich weiß, dass ich mehr Geld verdiene als die meisten meiner Wählerinnen und Wähler. Aber das habe ich vorher auch getan. Im November haben wir beschlossen, die Diäten in zwei Schritten bis 2009 um 9,4% oder 659,00 Euro anzuheben, das sind rund 1,5% pro Jahr. Außerdem wurde beschlossen, damit die Angleichung an B6 bzw. R6 bestehen bleibt, künftig die Anpassung der Tariferhöhung auf die Abgeordneten zu übertragen. Zugleich wurde die Steigerungsrate für die Altersversorgung von 3 auf 2,5 Prozent pro Mandatsjahr abgesenkt. Während früher ein Abgeordneter nach 8 Mandatsjahren bereits 35 Prozent der Abgeordnetenentschädigung als Altersversorgung erhielt, waren es nach 1995 nur 24 Prozent, seit 2008 sind es nur noch 20 Prozent.
3. Und damit komme ich zu Ihrem dritten Punkt. Fast genau das, was Sie fordern, tun wir jetzt nämlich: Wir setzen den Tarifvertrag für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes für die Beamtinnen und Beamten zum 1.1.2008 um. Mit einem Jahr Verzögerung setzen wir dann die Tariferhöhung der Vergleichsbezüge auch für die Abgeordneten um.
Die Rentenbezüge folgen den Regeln der gesetzlichen Rentenversicherung. Die können wir hieran nicht koppeln. Wir konnten aber mit der Aussetzung des Riesterfaktors beschließen, dass es statt der regulären 0,46% 1,1% Rentenerhöhung gibt. Dass das nicht die Welt ist, weiß ich selbst. Hier helfen nur Mindestlöhne, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mehr Menschen in Beschäftigung und höhere Lohneinkommen. Und hier sind wir auf einem guten Weg, auch wenn noch lange nicht alles erreicht ist. Das Thema Mindestlohn spielt dabei eine ganz entscheidende Rolle.
Dass es unglücklich ist, erst die Nachholung und jetzt in kurzem zeitlichen Abstand die Tariferhöhung umzusetzen, stelle ich nicht in Abrede. Im Gegenteil: Ich habe mich für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst gefreut über das gute Verhandlungsergebnis. Der Zusammenhang mit meiner Diät kam mir überhaupt nicht. Trotzdem ist es konsequent. Nicht populär, vielleicht sogar unpassend, aber logisch. Ich hoffe, zumindest das konnte ich vermitteln.
Meine Position zu der Diätenerhöhung als solcher können Sie meinem Newsletter „Bericht aus Berlin“ entnehmen, den Sie hier finden: http://www.gabi-frechen.de/db/docs/doc_16725_20071116162221.pdf
Es wird nie einen richtigen Zeitpunkt für eine Diätenerhöhung geben. Und manchmal habe ich das Gefühl, solange ich nicht Geld mitbringen muss, ist es immer noch zuviel. Ich hätte gerne auf mehr Geld verzichtet und damit auf den Ärger, den ich mir deshalb einhandle, zumal ich die Hälfte davon als Steuern gleich wieder zurückgebe. Aber ich finde schon, dass wir eine verantwortungsvolle, einsatz- und zeitintensive Arbeit machen, die angemessen bezahlt werden soll. Bei Bürgermeistern und Richtern wird überhaupt nicht darüber diskutiert. Und warum nicht? Weil Sie nicht selbst entscheiden müssen. Mir wäre auch lieber, ich müsste das nicht selbst entscheiden, aber das geht eben nicht.
Glücklich bin ich mit der neuerlichen Erhöhung sicher nicht. Aber eine andere tragfähige und dauerhafte Lösung sehe ich nicht.
Herzliche Grüße aus Berlin
Ihre
Gabi Frechen