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Frage von Mario S. •

Frage an Gabriele Frechen von Mario S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Frechen,

seit nunmehr einem Jahr wird die internationale Finanzwelt von einer Krise heimgesucht, deren Ende nicht in Sicht scheint. Es drängt sich mir auf Grund intensivster Beobachtungen die Erkenntnis auf, dass diese Krise unmittelbar mit unserem Finanzsystem und unserer Wirtschaftspolitik zusammenhängt.

Insbesondere eine Plausibilität einer auf exponentiellem Wachstum fußenden Finanzpolitik, bei welcher eine innewohnende Deflation stets durch eine gezielte Inflation der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgeglichen werden muss, scheint mir nicht vorhanden zu sein. Die EZB spricht dabei von Preisniveaustabilität, wenn real eine Inflation von 1-2% angestrebt wird.

Es wäre darüber hinaus ebenso interessant zu erfahren, ob und wie Sie und Ihre politische Bewegung die Schuldenproblematik der Geldentstehung ausschließlich durch Kredit betrachten und welche Gegenmaßnahmen Sie zur kommenden Deflationskrise, der ich sehr besorgt gegenüberstehe, als geeignet erachten.

Desweiteren stellt sich mir konsequenterweise die Frage, wie ein Finanzsystem, das einem Kettenbrief gleichkommt, überhaupt irgendeine rechtliche Legitimation besitzen kann und man sich an einem ständigen Wachstumszwang zur Zinsbedienung orientiert, der auf Grund der menschlichen Eigenschaft, nicht mehr und mehr bis ins Unendliche leisten zu können, vollkommen unmöglich ist und ganz zwangsläufig irgendwann in einer Krise enden muss.

Ich bitte Sie ausdrücklich um eine klare Stellungnahme Ihrerseits, sowie ob meiner dringenden Befürchtung einer nahenden desolaten Wirtschaftskrise einer Klärung der genannten Sachverhältnisse in einem Ausschuss ihrer Fraktion, in der diese Dinge klar und deutlich zur Sprache kommen und diskutiert werden können.

Vielen Dank.

Hochachtungsvoll,
Mario Schieschnek

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Sehr geehrter Herr Schieschnek,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gern beantworte.

Ihren Vorwurf, wonach die Finanz- und Wirtschaftspolitik innerhalb der EU auf eine Deflation abzielt, kann ich nicht nachvollziehen. Besonders in Deutschland war es immer schon Tradition, dass die Zentralbank (früher die Deutsche Bundesbank, heute die EZB) und die Finanz- und Wirtschaftspolitik die Preisstabilität als oberstes Ziel definiert. Die Gefahr einer Deflation in Deutschland oder dem Euroraum ist weder heutzutage gegeben, noch war sie dies in den letzten Jahrzehnten. Vielmehr ist es der restriktiven Zinspolitik der Bundesbank sowie der EZB zu verdanken, dass die Preissteigerungsrate auf niedrigstem Niveau gehalten werden konnte. Angesichts einer aktuellen Preissteigerungsrate von mehr als drei Prozent erscheint mir die Deflationsgefahr aktuell übrigens außerordentlich gering.

Sie fragen außerdem, wie ich „die Geldentstehung durch Kredit“ betrachte. Ich halte die so genannte multiple Giralgeldschöpfung, also die teilweise Kreditvergabe aus Sichteinlagen, für ein unverzichtbares Element des Finanzmarktes, da sie gleichzeitig Sicherheit für die Einlagen der Kunden (durch die Mindestreserve) bietet und Geld für notwendige Investitionen zur Verfügung stellt. Es handelt sich dabei nicht um eine Geldschöpfung in beliebiger Höhe, sondern um die Reinvestition von gespartem Geld: Die Investitionsquote entspricht innerhalb der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Sparquote.
Durch die Mindestreservepolitik ist es der Zentralbank außerdem möglich, maßgeblich auf die Entwicklung der Geldmenge innerhalb der Volkswirtschaft Einfluss zu nehmen und somit sowohl einer Inflation als auch einer Deflation entgegenwirken zu können. Ohne dieses finanzpolitische Instrument stünde eine Volkswirtschaft einer drohenden Krise weitaus hilfloser gegenüber.

Ihren Vergleich des internationalen Finanzsystems mit einem „Kettenbrief“ halte ich nicht für zutreffend. Der Verkauf von Forderungen und Krediten passiert auf den Finanzmärkten täglich zig-tausendfach und ist ein übliches Marktinstrument, für das klare Regeln zur Risikoabsicherung existieren, welche wiederum von staatlichen Aufsichtsbehörden kontrolliert werden. Es ist jedoch offensichtlich, dass diese Regeln ebenso wenig in der Lage waren die aktuelle Krise zu verhindern, wie die zuständigen Aufsichtsbehörden. Jetzt zeigt sich, dass Peer Steinbrück mit seiner immer wieder geäußerten Forderung nach klaren Spielregeln für die Finanzmärkte Recht hatte. Leider stießen seine Appelle auf taube Ohren. Fakt ist aber auch: Der Grund und Auslöser für die aktuelle Krise war nicht das Finanzsystem oder die Marktaufsicht, sondern der Handel mit Immobilienkrediten aus den USA, die nicht annähernd ausreichend abgesichert waren. Das widerspricht sämtlichen Regeln der Kreditwirtschaft, da eine ausreichende Absicherung die wichtigste Grundlage für die Kreditvergabe und den Handel mit Krediten ist.

Daher muss ganz klar gesagt werden, wer die wahren Schuldigen an dieser Krise sind. Es ist nicht, wie Sie schreiben, das Finanzsystem oder unsere Wirtschaftspolitik. Schuld sind selbsternannte Finanzprofis, die aus Renditegier mit faulen Krediten gehandelt haben und die Risiken entweder nicht gesehen haben - oder schlichtweg nicht sehen wollten. Die Manager der betroffenen Banken haben versagt, und jetzt soll der sonst so ungern eingebundene Staat den Karren aus dem Dreck ziehen.

Die Konsequenzen aus dieser Entwicklung können nicht sein, das Verleihen von Geld gegen Zinsen oder den Handel mit Forderungen vollständig auszusetzen. Vielmehr ist dafür zu sorgen, dass durch geeignete Aufsichtsstrukturen und Regeln nicht ausreichend abgesicherte Kredite gar nicht erst vergeben werden oder in den Handel gelangen. Mit dem so genannten Gesetz „Basel II“, das ein klares Bewertungssystem der Bonität von Kreditnehmern und die entsprechenden Kreditkonditionen vorschreibt, ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung getan worden. Und es bedarf einer Antwort auf die Frage, wie man verhindert, dass die Risiken von Finanzprodukten wie im aktuellen Fall verschleiert werden können. Hier ist Transparenz gefordert. Die entsprechenden Maßnahmen werden derzeit in den finanzpolitischen Gremien des Deutschen Bundestages diskutiert.

Es bedarf klarer nationaler und internationaler Grundsätze von Sicherheit und Transparenz, damit sich eine derartige Krise nicht wiederholen kann. Ich bin zuversichtlich, dass dieses Ziel erreicht wird.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.

Mit freundlichem Gruß

Gabi Frechen