Frage an Gabriele Frechen von Karl-Heinz S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Frechen.
Ich beschäftige ich mich seit geraumer Zeit mit der Bankenkrise.
Durch das Missmanagement einiger Landesbanken mit Immobilienkrediten sind ja mittlerweile zweistellige Milliardenbeträge "verbrannt" worden. Hinzu kommen die Verluste der IKB mit noch nicht vollständig bekannten Dimensionen. Besonders bedrückend ist, dass diese Vorgänge unter den ansonsten sehr wachsamen Augen staatlicher Institutionen und Aufsichtsgremien stattgefunden haben. Es erscheint schon ein wenig seltsam, dass bei der WestLB 23 Milliarden Risikokredite in eine Privatfirma ausgegliedert werden, für die dann das Land NRW-Westfalen bürgt.
Es ist ja wohl davon auszugehen, dass diese Bürgschaft fällig wird. Ebenso die nicht minder hohe Verpflichtung aus den Spekulationen der Sachsen-LB.
Die Deckung erfolgt aus Steuermitteln, mittelbar oder unmittelbar. Dazu kommen noch die angedrohten Kündigung der Mitarbeiter der WestLB, rund 25% der Belegschaft.
Meine Fragen:
Empfinden Sie diese Vorgänge nicht auch als einen Schlag ins Gesicht der Menschen, die vollschichtig arbeiten gehen müssen , nicht nur jeden Euro, sondern jeden Cent dreimal umdrehen, bevor sie ihn ausgeben?
Finden Sie es vertretbar, dass Bundesländer wie Sachsen oder Nordrhein-Westfalen auf Jahre hinaus die freien, investiven Mittel ihrer Haushalte für das Komplettversagen von Managern und Aufsichtsgremien aufwenden müssen und die Länder in der Entwicklung zurück werfen?
Als Letztes:
Wäre es nicht an der Zeit, den Menschen reinen Wein einzuschenken, das Versagen einzugestehen und anzukündigen, dass der Gürtel noch enger geschnallt werden muss, um die Lücken zu füllen?
Mit allen guten Wünchen für Sie
Karl-Heinz Stock
PS. Links und Verweise fehlen, da es sich um tagesaktuelle Ereignisse handelt.
Sehr geehrter Herr Stock,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich versuchen werde zu beantworten.
1. Ich bin angesichts der Ausmaße der internationalen Bankenkrise ebenso schockiert wie Sie. Die Empörung über die Vorgänge ist sicher unabhängig davon, ob jemand vollschichtig arbeiten geht, Rentner, Arbeitslosengeldbezieher oder Student o.a.m. ist.
2. Die Frage ist für mich nicht, ob das Verhalten des Landes NRW oder Sachsen vertretbar ist, sondern ob es Alternativen dazu gibt. Natürlich packt mich die Wut, wenn wir mit Steuergeldern das Fehlverhalten, die Ahnungslosigkeit und die Zockerei von Managern in staatlichen Banken ausgleichen müssen, oder gemeinsam mit den privaten Banken die private IKB (die KfW ist der größte Anteileigner) retten müssen. Mir sind Menschen grundsätzlich suspekt, deren ganzes Sinnen und Trachten von Profit- und Geldgier bestimmt ist. Selbstüberschätzung und der zwingende Wunsch, am großen Rad ein bisschen mitdrehen zu dürfen, verhinderte wohl oft die Einsicht in die realen eigenen Fähigkeiten.
Wichtig ist jetzt dafür zu sorgen, dass so etwas in der Zukunft vermieden werden kann. Die Neustrukturierung der Aufsicht ist aktuell erfolgt. Die Rolle der Ratingagenturen muss überprüft werden, die Zweckgesellschaften außerhalb der Bilanz müssen der Vergangenheit angehören, um nur einige wenige Punkte zu nennen. Transparenz und Offenheit bei internationalen Finanzbeziehungen und den hochkomplexen Finanzprodukten wurden von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück bereits in der Vergangenheit auf der internationalen Ebene angesprochen. Ich denke die amerikanische Krise, die ganz Europa in Mitleidenschaft gezogen hat, wird dafür sorgen, dass seine Mahnungen und Forderungen jetzt auf deutlich offenere Ohren bei unseren Partnern stoßen.
3. Bei allem Ärger darüber, dass Geld zur Rettung der verschiedenen Banken von Bund, Ländern und Kommunen aufgebracht werden muss, halte ich diese Aussage für Panikmache. Auch ich wüsste mit den Milliarden anderes anzufangen. Dennoch genügt ein Blick in den gesamtstaatlichen Haushalt, um zu erkennen, dass Schwarzmalerei unangebracht ist.
Ob ich Recht habe oder Sie, wird sich erst in ein paar Jahren zeigen. Sie werden verstehen, dass ich mir zugunsten von uns allen wünsche, dass Sie Unrecht haben.
Herzliche Grüße aus Berlin
Gabi Frechen, MdB