Frage an Gabriele Frechen von Dietrich S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Frechen,
in Anbetracht der fast 10%-igen Selbstbedienung an Diäten der vom Volk gewählten Bundestagsabgeordneten, (Enthaltung ist eine verkappte Zustimmung) bitte ich um Beantwortung folgender Frage:
Im Internet las ich in www.rentnerplattform.de und auch beim VdK, dass für die Rentenberechnung der RentnerInnen ein Nachhaltigkeitsfaktor und ein Nachholfaktor eingeführt ist. Beide zielen durch verschiedene Wirkungsweisen auf Rentenkürzungen.
Ich bitte um Auskunft, ob das zutrifft und wieso die RentnerInnen damit schon wieder um die Früchte ihrer Lebensarbeitsleistung betrogen werden.
Nennen Sie mir doch bitte mal die Interessengruppe, die dahinter steht.
Mit freundlichen Grüßen
Dietrich Scholz
Sehr geehrter Herr Scholz,
vielen Dank für Ihre Frage zu dem Nachhaltigkeitsfaktor und dem Nachholfaktor in der Rentenversicherung, die ich gerne beantworten werde.
Rentenanpassungen in Deutschland richten sich grundsätzlich nach den Löhnen und Gehältern der Beschäftigten. Da die Gehälter der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den vergangenen Jahren aber nur sehr leicht stiegen, vielfach stagnierten und durch den Wegfall freiwilliger Leistungen des Arbeitgebers teilweise sogar sanken, stiegen auch die Altersbezüge nicht. Steigt das Durchschnittseinkommen in Deutschland, steigen auch die Renten. Es ist allerdings politischer Wille, die Renten auch dann nicht zu kürzen, wenn das wegen einer insgesamt rückläufigen Lohnentwicklung eigentlich geboten wäre. Stattdessen kam es in diesen Jahren zu Nullrunden für Rentnerinnen und Rentner. Im Falle eines späteren Wiederansteigens der Gehälter folgt die Rentenhöhe nicht sofort. Der Nachholfaktor führt zu Nullrunden für Rentner, bis die Durchschnittsgehälter wieder das Niveau vor ihrem Absinken erreicht haben.
Nachhaltigkeitsfaktor: Der Nachhaltigkeitsfaktor nimmt das Verhältnis von Beitragszahlerinnen und –zahlern zu Rentnerinnen und Rentnern in die Rentenberechnung auf. Daneben enthält er einen Parameter, um den Beitragssatz für aktiv Beschäftigte bis 2030 nicht über 22 Prozent steigen zu lassen. Er erfasst Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und bei der Lebenserwartung und reguliert so die Rentenanpassung der Altersbezüge. Steigt die Lebenserwartung und damit auch die Zahl der Rentnerinnen und Rentner oder sinkt die Zahl der Erwerbstätigen, so wird eine Rentenerhöhung reduziert. Steigt hingegen die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, so wirkt sich dies positiv auf die Rentenanpassung aus.
Die Lebenserwartung wird von 2000 bis 2040 bei Männern um 3,2 Jahre und bei Frauen um 3,7 Jahre steigen.
Im Jahre 2001 gab es bei einer Gesamtbevölkerung von 82,3 Millionen Menschen in Deutschland 13,7 Millionen über 65- jährige und 3,1 Millionen über 80- jährigen Menschen. Im Jahr 2040 wird es bei einer Gesamtbevölkerung von nur noch 78,3 Millionen Menschen 23,9 Millionen über 65- jährige und 7,6 Millionen über 80- jährige Menschen geben. Wir werden also alle sehr viel älter als noch vor 50 Jahren. Das ist für mich ein großes Glück, stellt aber – das lässt sich leicht ausrechnen – unsere Rentenversicherung vor ein Problem. Teil der Lösung ist der Nachhaltigkeitsfaktor, aber auch die Rente mit 67, von der die heute aktiv Beschäftigten je nach Alter anteilig betroffen sind.
Nachholfaktor: Dazu wiederhole ich, dass wir beschlossen haben, dass Renten nicht sinken dürfen. Da die Sicherungsklausel die Dämpfungswirkungen des Nachhaltigkeitsfaktors verpuffen lässt, wird ab dem Jahr 2011 ein sogenannter Nachholfaktor wirksam. Damit sollen ausgebliebene Rentenkürzungen dann nachgeholt werden, wenn es wieder zu einer Erhöhung des aktuellen Rentenwertes kommen müsste. Die eigentlich gebotene Rentenerhöhung würde dann zuerst mit den nicht vorgenommenen Rentenkürzungen verrechnet.
Das Problem der Rentenversicherung ist also dem glücklichen Umstand geschuldet, dass wir uns alle auf ein längeres Leben freuen können. Die meisten Menschen bleiben bis ins hohe Alter fit und gesund. Dafür bin ich dankbar. Die Lösung dieses Problems, wenn man es denn so nennen darf, muss auf alle Generationen gleichmäßig verteilt werden. Dazu hat die Gesetzgebung der letzten Jahre beigetragen. Eine einseitige Belastung der jüngeren oder der älteren Menschen würde zu einem Generationenkonflikt führen und die Solidarität unserer Gesellschaft beschädigen. Das dürfen wir uns allen und unserem Gemeinwesen nicht antun.
Herzliche Grüße aus Berlin
Ihre
Gabi Frechen