Frage an Gabriele Frechen von Guido K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Frechen,
wie Sie vielleicht verfolgt haben, war am 09.11.2007 eine Demonstration gegen die Islamisierung Europas vor dem Europäischen Parlament in Brüssel geplant. Sie wurde Seitens der Brüsseler Stadtverwaltung aus, mir rationell nicht erschließbaren Gründen, verboten.
Die Brüsseler Demonstration war offen für Menschen aller Hautfarben, nicht politisch ausgerichtet, umfasste Teilnehmer aus 26 EU-Staaten und der Schweiz, Angehörige der Religionsgemeinschaften der Juden, Christen, Atheisten, Hindus, Sikhs, Muslime, Bahai, Buddhisten etc. und wäre die erste multikulturelle Demonstration dieser Größenordnung in Brüssel (mit mehr als 20.000 registrierten Teilnehmern) gewesen.
Was halten Sie als deutsche Abgeordnete vom Verbot einer Demonstration, die zugunsten des Erhalts europäischer Werte und gegen die Aufgabe von Teilen unserer Kultur stattgefunden hätte?
Würden sie eine solche Entscheidung auch in Deutschland mittragen?
Darf man in Europa noch seine Meinung offen kundtun?
Werden Sie die Ereignisse als meine Volksvertreterin thematisieren?
Ich verbleibe hochachtungsvoll
Guido Köllen
Sehr geehrter Herr Köllen,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Demonstrationsverbot in Brüssel. Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und darf in Deutschland nicht ohne weiteres eingeschränkt werden. Die Begründung des Bürgermeisters Freddy Thielemans für das Verbot der Demonstration teile ich nicht. Thielemans hat Sicherheitsbedenken gegen die zum 11. September angemeldete Demo angeführt, wobei er die Demonstranten selber für nicht gefährlich hält. Er begründete das Verbot vielmehr damit, dass die Demonstration gegen die “Islamisierung Europas” Gegenreaktionen provozieren könnte. Ich bin der Auffassung, dass gerade auch zu kontroversen Themen eine friedliche Demonstration möglich sein muss und natürlich auch mitten in der europäischen Hauptstadt.
Allein ein Demonstrationsverbot damit zu begründen, dass die Demonstration gewalttätige Gegenreaktionen provozieren könnte, reicht zumindest in Deutschland nicht aus, um das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken. Ohne mit den Inhalten des Veranstalters überein zu stimmen, möchte ich darauf hinweisen, dass am 11. September 2007 in Köln eine Kundgebung zum Thema "Stoppt die schleichende Islamisierung Europas" stattfindet, bei der der Schriftsteller und Publizist Ralph Giordano als Hauptredner auftreten wird. In Deutschland ist eine solche Meinungsäußerung also möglich.
Inhaltlich lässt sich zum Thema Integration viel sagen. Das wichtigste hat für mich die Kölner SPD, die sich seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema Integration auseinandersetzt, in einem kurzen Eckpunktepapier zusammengefasst. Ich gebe Ihnen die auf den Punkt gebrachten Positionen hier gerne wider:
1.) Gleichstellung des Islam mit anderen Religionen
Das Grundgesetz garantiert in Artikel 4 die Religionsfreiheit. Artikel 4 besagt, dass die „Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses unverletzlich sind und dass die ungestörte Religionsausübung gewährleistet wird. Die SPD steht dafür, dass das Recht auf freie Religionsausübung ganz selbstverständlich auch für die Muslime in Deutschland garantiert wird.
2.) Unterordnung unter das Grundgesetz
Die SPD stellt fest, dass alle Religionsgemeinschaften sich an das Grundgesetz halten müssen. Im demokratischen Rechtsstaat können keine anderen als die geltenden rechtlichen Normen gelten. Wir erwarten als Selbstverständlichkeit, dass die Moscheegemeinden zu den Werten des Grundgesetzes stehen.
3.) Erwartung an Moscheegemeinden
Moscheen müssen grundsätzlich allen Gläubigen, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder Nationalität offen stehen. Moscheen müssen in guter Nachbarschaft mit ihrem Umfeld leben und transparent sein. Sie müssen sich auch schwierigen Fragen stellen und Positionen beziehen, die die Gläubigen nicht in Konflikte stürzen, sondern es Ihnen möglich machen, im Einklang mit unserer Werteordnung zu leben. Das betrifft Fragen der Gleichstellung und des Zusammenlebens von Mann und Frau genauso wie Fragen des koedukativen Sportunterrichtes oder auch der Homosexualität.
4.) Erwartungen an die Imame
Wir brauchen Imame, die hier aufgewachsen sind, Deutsch sprechen, die Verhältnisse in Deutschland kennen und um die Sorgen der Menschen wissen. Die Imame brauchen eine theologische Ausbildung in Form eines Hochschulstudiums, die interreligiöse Aspekte mit einschließt. Schließlich müssen sie den Beruf des Imams auch als einen sozialpädagogischen verstehen.
5.) Ein europäischer Islam
Wir brauchen einen europäischen Islam, der liberale Positionen vertritt und aus der ethnischen Ecke herauskommt. Dafür brauchen wir auch die Offenheit der deutschen Mehrheitsgesellschaft, die Muslime in ihrer Nachbarschaft willkommen zu heißen und ihnen das grundgesetzlich verbriefte Recht auf freie Religionsausübung auch dann zu gewährleisten, wenn sich ihr Lebensumfeld dadurch verändert.
Ich bin der Auffassung, dass dies die wichtigsten Forderungen an beide Seiten sind, wenn Integration gelingen soll.
Mit freundlichen Grüßen
Gabi Frechen MdB