Frage an Gabriele Frechen von Dietrich S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Frechen,
anlässlich der Ermordung von mehreren deutschen Staatsbürgern in Uniform (Soldaten) in Afghanistan, frage ich Sie hiermit, wann Sie mit einer Anklage vor Gericht, wegen Beihilfe von Mord, rechnen.
Schliesslich haben Sie, entgegen Ihrer Wahlkampfaussage, dem Kriegseinsatz und dessen Verlängerung zugestimmt und bei vollem Bewusstsein den Mord an deutschen Soldaten einkalkuliert und billigend in Kauf genommen.
Bundeskanzlerin Merkel und Verteidigungsminister Jung sind bereits wegen Kriegsvorbereitung angeklagt. Das Verfahren läuft.
Bei der Gelegenheit bitte ich um Auskunft, wieviel Prozent der deutschen Aufbauhilfe durch die Bw bis zum 1.1.2007 erledigt waren und welche Arbeiten ausgeführt wurden.
Ich bitte um Stellungnahme.
Mit freundlichen Grüßen
Dietrich Scholz
Sehr geehrter Herr Scholz,
bei allem Verständnis für Kritik am Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, möchte ich Sie doch bitten, Ihre Wortwahl nochmals zu überdenken.
Ich beantworte alle Briefe aus meinem Wahlkreis, auch alle von abgeordentenwatch. Ich denke, dass ich dabei auch immer freundlich und höflich erkläre, was ich tue und warum ich was tue. Bei Ihrem Brief fällt mir das heute sehr schwer. Vielleicht haben Sie mit dieser Möglichkeit, offene Briefe an Abgeordnete zu schreiben, endlich die Plattform gefunden, die Sie brauchen. Das will und werde ich nicht kritisieren. Aber zu einem Zeitpunkt, in dem bei mir und den meisten Menschen in Deutschland große Trauer und Bestürzung herrschen, in dem die toten Soldaten noch nicht einmal beerdigt sind, die Gelegenheit zu nutzen, um mal wieder richtig auszuteilen, dafür fehlt mir jedes Verständnis.
Weitere Briefe dieser Art werde ich nicht mehr beantworten.
Trotzdem zum Inhalt:
Die Nachricht vom Tod unserer Soldaten und von der Verwundung ihrer Kameraden hat mich tief getroffen. Niemand hier in Berlin macht sich die Entscheidung um die Friedenseinsätze der Bundeswehr leicht. Wir wissen, dass es gefährliche Einsätze sind, dass es verletzte oder tote Soldatinnen und Soldaten geben kann. Aber ich verwahre mich ganz entschieden gegen die Behauptung, dass die Befürworter dieser Einsätze Mörder oder Helfeshelfer von Mördern wären. Haben Sie sich einmal überlegt, wie es wäre, würden sie nicht in Deutschland, sondern in Afghanistan geboren sein? Würden Sie nach vielen Jahren Krieg und Terror Hilfe von der internationalen Staatengemeinschaft haben wollen, damit Sie nicht täglich um Ihr Leben fürchten müssten?
Seit über fünf Jahren beteiligen wir uns aktiv am Aufbau von staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen in Afghanistan. Wir haben drei internationale Afghanistan- Konferenzen organisiert und leisten seit Beginn des internationalen Engagements im Rahmen eines UN-Mandates einen unverzichtbaren Beitrag zur notwendigen militärischen Absicherung des Stabilisierungs- und Wiederaufbauprozesses in Afghanistan. Unsere Soldatinnen und Soldaten leisten hervorragende Arbeit im Norden Afghanistans. Der Aufbau staatlicher Strukturen und die wirtschaftliche und politische Entwicklung helfen, dem Terrorismus den Nährboden zu entziehen. Mögen die Fortschritte in unseren Augen noch so klein sein, sie sind wichtig für die Menschen in diesem Land. Dass es Frauen und Mädchen möglich ist, eine Schule zu besuchen, eine Ausbildung zu machen oder auch nur Lesen und Schreiben zu lernen, dass es Menschen möglich ist, ohne Todesangst seiner Arbeit nach zu gehen, mag uns wenig erscheinen, für sie aber ist es der Weg in ein selbst bestimmtes Leben. Zur Erinnerung: Allein in 2006 haben die Taliban 200 Schulen zerstört.
Die Entwicklung in Afghanistan kann und darf uns nicht gleichgültig sein. Eine positive aber auch eine negative Entwicklung kann sich unmittelbar auch auf unser Land auswirken. Die Anschläge vom 11. September 2001, von Madrid und von London wurden möglich, weil sich Afghanistan zu einem Rückzugsraum für Terroristen entwickelt hatte. Es war und ist Ziel der internationalen Staatengemeinschaft, ein positives Beispiel bei der Bekämpfung des Terrorismus zu setzen. Es soll eine politische Entwicklung vorangetrieben werden, die den Menschen in Afghanistan Sicherheit und Frieden bringt. Wir haben weiterhin ein nachdrückliches Interesse daran, zu verhindern, dass Afghanistan wieder zum Aufmarschgebiet internationaler Terroristen wird.
Das alles habe ich Ihnen auch früher schon dargelegt. Ich tue das gerne wieder. Und ich betone nochmals: Die Bundeswehr hat keinen Kampfauftrag in Afghanistan und ist erst recht nicht an einem Kriegseinsatz beteiligt. Sehr geehrter Herr Scholz, auch für diesen Vergleich und diese Unwahrheiten fehlt mir jedes Verständnis.
Die Bundeswehr nimmt in Afghanistan nicht an Kampfeinsätzen teil, sondern unterstützt im Auftrag der Vereinten Nationen die afghanische Regierung bei der Schaffung polizeilicher Infrastruktur und schützt die zivile Infrastruktur im Norden des Landes. Das ist ein entscheidender Unterschied zu den Kampfeinsätzen zum Beispiel der amerikanischen Truppen im Süden Afghanistans. Der Einsatz von KSK-Spezialkräften wurde im Oktober 2005 beendet. Seit diesem Zeitpunkt gab es keinen Einsatz von KSK-Soldaten in Afghanistan mehr.
Wenn wir den Einsatz jetzt beenden würden, dann täten wir genau das, was die Terroristen in Afghanistan erreichen wollen. Wir dürfen nicht zulassen, dass eine kleine Minderheit von gewalttätigen Fanatikern das Aufbauwerk der afghanischen Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft zerstört. Die Menschen haben besseres verdient. Aber in der SPD werden wir auch darüber zu beraten haben, was wir besser machen können, wie wir das internationale Engagement auf lange Sicht zu einem dauerhaften Erfolg führen. Wir werden deshalb Anfang Juli innerhalb der SPD-Fraktion über Verbesserungen des Afghanistan-Einsatzes beraten.
Damit beantwortet sich auch Ihre letzte Frage: Wir sind beim zivilen Wiederaufbau noch nicht so weit, wie wir gerne wären. Was getan werden muss und wie es getan werden kann, damit Afghanistan aus sich selbst heraus Frieden und Sicherheit gewährleisten kann, werden wir bei diesen Beratungen erörtern.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Frechen MdB