Frage an Gabriele Frechen von Corinna S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Frechen,
im Rahmen eines kleinen Seminarbeitrags (Universität zu Köln) über ‚soziale Gerechtigkeit – Grundwert oder Standortrisiko’ wäre ich sehr daran interessiert Ihren persönlichen Standpunkt zu einigen aktuellen politischen Themen zu erfahren. Es geht mir im Wesentlichen darum einige Positionen in der Gruppe vorstellen zu können und als Diskussionsanstoß einfließen zu lassen.
Wie stehen Sie zum Beispiel zu der a) Einführung eines Mindestlohns, zu b) einer Einführung eines Investivlohnsystems und c) zu der Debatte, den Kündigungsschutz auszuweiten bzw. einzuschränken?
Ein weiterer Punkt ist besonders für uns Studenten, aber auch für Geringverdiener oder Arbeitslose, von Bedeutung, nämlich die Ablösung des Erziehungsgeldes durch das Elterngeld ab 2007.
Inwiefern halten Sie es für sozial gerecht (oder gerechtfertigt), dass die Bevölkerungsteile, die von vornherein schon finanziell schlechter gestellt sind, nun auch noch für die Erziehung eines Kindes weniger finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt bekommen?
Über einen Antwort würde ich mich sehr freuen!
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Frau Schutte,
ich bedanke mich für Ihre eMail und bitte vorab, die verzögerte Beantwortung zu entschuldigen.
Ihre Fragen beantworte ich gerne:
a) ich stehe der Einführung eines Mindestlohns positiv gegenüber. Menschen, die Vollzeit arbeiten, müssen von dieser Arbeit leben können. Es kann in wenigen Bereichen Ausnahmen geben. Aber dann sollten wir lieber die Ausnahmen genau ansehen und evtl regeln, als zuzulassen, dass es Stundenlöhne von 3,50 € in Deutschland gibt. Vergleichbare Industrienationen haben gezeigt, dass Mindestlöhne keine Standortgefahr darstellen.
b) Investivlohn ist eine gute Chance, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an den Betrieb zu binden und sie am Erfolg ihrer Arbeit teilhaben zu lassen. Er darf aber nicht zum Ersatz für eine angemessene monatliche regelmäßige Bezahlung werden, auf die die Menschen angewiesen sind.
c) Ich halte nichts davon, den Kündigungsschutz auszuweiten. Dadurch wird, das haben die Erfahrungen gezeigt, keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen. Der Kündigungsschutz schütz auch nicht vor Kündigung, er verpflichtet nur dazu, eine soziale Auswahl bei Kündigungen zu treffen, also soziale Härten zu vermeiden.
d) Ich bin eine Befürworterin des Elterngeldes. Es spricht in erster Linie Menschen an, die Beruf und Kinderwunsch vereinbaren wollen und die sich momentan für oder gegen Kinder entscheiden (müssen). Das halte ich aus vielerlei Gründen nicht für sozial.
Aber das Elterngeld stellt keine ausschließliche Förderung der Familien dar, deshalb darf man es auch nicht solitär betrachten. Dazu gehört die bessere Betreuung der Kinder unter drei Jahren genauso wie die Ganztagsschule.
Mir ist daran gelegen, Menschen, die keine Möglichkeit haben wegen ihrer Kinder einer Arbeit oder nur einer zeitlich geringfügigen Arbeit oder einem Studium nachzugehen, in die Lage zu versetzen, beides zu tun. Dadurch wird sicher mehr geholfen, als durch ein Jahr Erziehungsgeld.
Für die Menschen, die trotzdem auf die Hilfe der Solidargemeinschaft angewiesen sind, bietet diese durch andere staatliche Unterstützung diese Hilfe auch an. Angenehmer für Abgeordnete ist es natürlich immer, eine Hilfe bestehen zu lassen und eine andere noch oben auf zu setzen. Das geht aber leider nicht. Wir müssen sparsam und verantwortlich mit den uns anvertrauten Steuergeldern umgehen. Deshalb habe ich für mich entschieden, dass es wichtiger ist durch das Elterngeld die Entscheidung für Kinder zu erleichtern und durch geeignete Maßnahmen, Menschen – hier natürlich vor allem immer noch Frauen – die Möglichkeit zu eröffnen, ihrer Arbeit oder ihrem Studium nachzugehen, als sie vom Erwerbsleben auszuschließen und mit Erziehungsgeld zu trösten.
Ich bitte nochmals die späte Beantwortung zu entschuldigen.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne weiterhin zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Frechen MdB