Frage an Gabriele Frechen von Edmund H. bezüglich Finanzen
Sehr verehrte Frau Frechen,
Sie schreiben "Hauptverantwortlich für die derzeitige Krise ist allerdings der Finanz- und Immobilienmarkt in USA. Bei aller Kritik sollte man Ursache und Wirkung nicht verwechseln." IKB, HRE, DreBank, CoBank, Landesbanken sind Ihrer Meinung nach in dieser globalen Finanzwelt nicht Mitverursacher, sondern Opfer der Finanzkrise. Könnte hier Ursache und Wirkung nicht eins sein? Darf ich Sie als Mitglied im Finanzausschuss an das rot-grüne Finanzmarktförderungsgesetz 2002 erinnern, in dem des deutschen Finanzplatzes zu Liebe innovative Produkte und Verbriefungstechniken eingeführt und gefördert wurden. Nicht in den USA, sondern in Deutschland. Die deutschen Institute hätten doch die Schrottverbriefungen nicht horten müssen (siehe Spanien). Falls Sie aber immer noch recht haben wollen, dann sollten Sie -öffentlich- erklären, warum wir (die Deutschen) die Wirkung so sehr spüren und warum man nicht nach dem Verursacherprinzip die ganzen Verluste den USA zuschiebt.
Mit freundlichen Grüßen Edmund Hagmann
P.S. Gerade lese ich noch, dass Sie auch der Meinung sind, dass WIR jahrzehntelang über unsere Verhältnisse gelebt haben. Nennen Sie mir hierfür bitte konkrete Beispiele, damit ich überhaupt weiß, was Sie meinen (bitte nicht die Staatsschulden zitieren, diese haben mit konkreten Beispielen nichts zu tun; Staatsschulden sind ein Verteilungsproblem, d.h. die Politiker waren in den letzten Jahrzehnten nicht in der Lage, einen kleinen Teil vom Mehrwerts als Staatseinnahmen einzustellen)
Sehr geehrter Herr Hagmann,
vielen Dank für Ihre E-Mail. Gern beantworte ich Ihre Fragen.
Es ist doch wohl unstreitig, dass die Verbriefung von faulen Immobilienkrediten in den USA der Ausgangspunkt der Krise war. Hätten die Manager der IKB, HRE etc. die wahre Brisanz der von Ihnen gehandelten Papiere von Anfang an erkannt, hätten sie wohl kaum damit gehandelt. Das macht sie nicht zu Unschuldigen oder gar Opfern, wie Sie mir in den Mund legen. Diejenigen Bankhäuser, die mit den undurchsichtigen und wertlosen Papieren gehandelt haben, sind ebenfalls Mitschuldige der Krise. Klar ist aber doch, dass der Ursprung, nämlich die Vergabe fauler Kredite und deren Verschleierung durch Verbriefung, in den USA liegt – und nicht bei den Banken, die mit diesen Derivaten dann gehandelt haben.
Abgesehen davon, dass das Finanzmarktförderungsgesetz in erster Linie Maßnahmen zum Anlegerschutz und zur Bekämpfung von Geldwäsche enthält, haben Sie in einem Punkt recht: Es sieht auch vor, dass in gewissem Umfang derivative Finanzinstrumente zugelassen werden. Der Begründung des Gesetzentwurfs ist jedoch zu entnehmen, dass „besonders risikobehaftete Geschäfte“ weiterhin unzulässig sein sollen. Im Nachhinein hätte dieses Gesetz so vielleicht nicht verabschiedet werden sollen. Aber: wer wusste das damals? Es ist interessant, wie viele Menschen genau wussten, dass die Krise kommen würde. Auffällig ist allerdings, dass sie dieses Wissen erst im Nachhinein mitteilen.
Natürlich spüren wir in Deutschland die Krise recht stark. Das liegt aber nicht daran, dass unser Finanz- und Bankwesen so anfällig ist. Ganz im Gegenteil: In der Krise werden wir weltweit um unser Drei-Säulen-Modell beneidet, weil es sich als relativ robust erwiesen hat. Eine Volkswirtschaft, die in hohem Maße vom Export technisch hochwertiger Güter lebt, zu den stärksten Wirtschaftseinheiten der Welt zählt und in jeder Hinsicht international vernetzt ist, wird von einer globalen Wirtschaftskrise natürlich besonders stark getroffen. Die hochtechnisierte und globalisierte Wirtschaft ist vielschichtig und lässt sich nicht auf einfache Einzelzusammenhänge reduzieren. Eine einzelne Volkswirtschaft (sei es nun die deutsche oder die amerikanische) zum Buhmann zu machen ist daher nicht sinnvoll.
Sie fragen mich abschließend nach Beispielen für meine These, wonach wir in Deutschland jahrzehntelang über unsere Verhältnisse gelebt haben. Konkret gilt: wer mehr Geld ausgibt, als er einnimmt, lebt über seine Verhältnisse. Genau das ist in den letzten Jahrzehnten geschehen. Der Staat hat seit 1969 regelmäßig mehr Ausgaben getätigt, als er über Steuern und Abgaben eingenommen hat. Als Beispiele empfehle ich Ihnen daher die Bundeshaushalte seit 1969.
Also Sozialdemokratin setze ich mich für einen starken Staat ein. Den gibt es jedoch nicht umsonst.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen damit beantworten konnte.
Mit freundlichem Gruß
Gabi Frechen MdB