Frage an Gabriela Seitz-Hoffmann von Barbara R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Seitz-Hoffmann,
Leiharbeit hat in Deutschland immer größere Ausmaße angenommen. Während sie in der Vergangenheit in erster Linie ein Instrument war, um Auftragsspitzen abzufangen, hat sich ihr Charakter seit den Hartz-"Reformen" grundlegend verändert. Leiharbeit dient zunehmend dazu, einen dauerhaften Niedriglohnsektor in den Unternehmen zu etablieren; sie geht in vielen Fällen zu Lasten der Stammbelegschaft.
Leiharbeiter erhalten bei gleicher Arbeit und gleicher Qualifikation bis zu 40 Prozent weniger als Festangestellte.
Im Artikel 23 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte steht: " Jeder, ohne Unterschied, hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit".
Wie passt das ihrer Meinung mit der Realtität zusammen?
Würden Sie sich für gleichen Lohn für gleiche Arbeit einsetzen?
Was sagen sie dazu, zumindest einen Mindestlohn für Leiharbeiter einzuführen?
Besten Dank für ihre Antworten
Sehr geehrte Frau Resch,
vielen Dank für Ihre Frage.
Ich gebe Ihnen Recht, dass das Instrument der Leiharbeit auch missbraucht wird. Viele Firmen haben sich inzwischen so organisiert, dass sie ihre Belegschaftsgröße durch Leiharbeitskräfte flexibel gestalten. Dies bietet nicht nur den Vorteil, keine langen Kündigungsfristen einhalten zu müssen, sondern führt auch oft zu niedrigeren Lohnzahlungen. allerdings ist im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AueG) geregelt, dass kein Leiharbeitnehmer einen Dauerarbeitsplatz besetzen darf. Wer nur einen Tag länger als zwölf Monate im Einsatzbetrieb arbeitet, ist automatisch bei dieser Firma beschäftigt. Dies mildert m.E. die Konkurrenzsituation zur Stammbelegschaft einerseits und gibt aber andererseits Arbeitssuchenden über den Weg der Leiharbeitsfirma die Möglichkeit, wieder eine Festanstellung zu bekommen. Selbstverständlich stehe ich dafür ein, für gleiche Arbeit auch gleichen Lohn zu fordern. Hier sind wegen der Tarifautonomie verstärkt die Gewerkschaften gefordert. Die Politik kann jedoch über das Instrument der Mindestlöhne eingreifen. Die Grünen setzen sich für die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohn von 8 EUR/h ein. Im Jahr 2003 arbeiteten 3,6 Millionen vollzeitbeschäftigte Menschen für einen Niedriglohn. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Erwerbstätigen steigt, die ergänzend Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben. Im März 2007 gab es bereits 574000 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Menschen, die ergänzend zu ihrem Erwerbseinkommen Arbeitslosengeld II erhielten. Davon arbeiteten 470 000 Menschen in Vollzeit. Es wird geschätzt, dass weitere 2 Millionen Erwerbstätige Anspruch auf ergänzendes Arbeitslosengeld II hätten, ihn aber derzeit aus den unterschiedlichsten Gründen nicht wahrnehmen. Armut trotz Arbeit - das ist für viele Menschen in Deutschland Realität. Deutschland muss schnell zu verbindlichen Regelungen für Mindestlöhne kommen, um die Lohnspirale nach unten zu stoppen. Dazu muss die Entsendrichtlinie auf alle Branchen ausgeweitet werden, die Allgemeinverbindlichkeitserklärung so reformiert werden, dass branchenbezogene Mindestlöhne nicht mehr dem Veto branchenübergreifender Arbeitgeberverbände unterliegen und die Tarifvertragsparteien umfassende Verantwortung übernehmen können. Im Ergebnis führt dies zu regionalen und branchenspezifischen Mindestlöhnen. Diese Mindestlöhne würden dann auch je nach Branche für die Leiharbeitskräfte gelten müssen. Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen damit beantworten. Für weitere Fragen bzw. Nachfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung
Mit freundlichen Grüßen
Gabriela Seitz-Hoffmann