Frage an Fritz Rudolf Körper von Michael S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Körper,
Bereits seit März 2009 gilt in Deutschland die UN Behindertenrechtskonvention, doch bis heute ist diese nicht vollständig umgesetzt bzw die gesetzlichen Regelungen nicht entsprechend angepasst, was im Alltag behinderter Frauen, Männer und Kinder zu gravierenden Benachteiligungen und der Verletzung ihrer Menschenrechte führt. Als Vater eines schwerbehinderten Kindes würde mich besonders interessieren, wie Sie zu einem "Gesetz zur Sozialen Teilhabe" stehen, mit dem Ziel die UN Behindertenrechtskonvention vollumfänglich umzusetzen.
Freundliche Grüße
Michael Schneider
Sehr geehrter Herr Schneider,
vielen Dank für Ihre Anfrage über Abgeordnetenwatch vom 6. September.
Die SPD fordert eine soziale Teilhabeleistung, die nicht mehr vollständig Einkommens- und vermögensabhängig erbracht wird und an den individuell zu ermittelnden Bedarf personenzentriert angepasst wird.
Die Ergänzung dieser individuellen Leistungen durch einen Sockel- oder Ausgleichsbetrag in Form eines Bundesteilhabegeldes halten auch wir für sinnvoll, um Unschärfen zu vermeiden und den Besonderheiten der Beeinträchtigungen Rechnung zu tragen. Es bedarf jedoch auch einer bundesweit einheitlichen Bedarfsfeststellung und Übersetzung in die Leistungen aus dem Teilhabegesetz.
Statt der Orientierung am System der Einrichtungen und Dienste für behinderte Menschen muss der Mensch mit Eingliederungshilfebedarf mit seinen Bedürfnissen, Wünschen und Potentialen im Mittelpunkt stehen. Die Eingliederungshilfe muss deshalb grundsätzlich aus dem System der Sozialhilfe herausgelöst werden und in ein eigenständiges Leistungsrecht für soziale Teilhabe überführt werden. Dies könnte z.B. im SGB IX verankert werden, auch andere Modelle werden derzeit diskutiert. Die Schnittstellen mit anderen sozialen Leistungssystemen, vor allem der Pfle-geversicherung, müssen eindeutig geklärt werden.
Im Mittelpunkt steht die Inklusion - die unmittelbare Zugehörigkeit von Menschen mit Behinderung zur Gesellschaft. Bisher fliest ein Großteil der Mittel in Sondereinrichtungen wie Heime. Die Eingliederungshilfe und die damit verbundenen Hilfen müssen jedoch darauf ausgerichtet sein, die Inklusion behinderter Menschen von Anfang an in der Kleinkindbetreuung, der vorschulischen und schulischen Bildung, in der Teilhabe am Arbeitsleben, bei der Freizeitgestaltung und insbesondere beim Wohnen zu gewährleisten. Die Vielfalt von Wohnangeboten muss sich ausdrücklich auf die Schaffung selbstbestimmt nutzbarer Wohnangebote richten.
Die Leistung der persönlichen Assistenz muss tatsächlich bedarfsgerecht erfolgen, den grund- und menschenrechtlichen Ansprüchen auf Privatheit und Freizügigkeit genügen und muss zu-künftig auf Basis geeigneter vergleichbarer Standards für die Arbeitsqualität, Entlohnung und Qualifizierung von Assistenten erfolgen.
Die UN-Behindertenrechtskonvention fordert die Möglichkeit für Menschen mit Behinderung ein, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, inklusiven und barrierefreien Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird. Dem fühlen wir uns als SPD verpflichtet. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, müssen zahlreiche Weichenstellungen - insbesondere die Reform der Eingliederungshilfe - erfolgen. Wichtig ist die Flexibilisierung der Unterstützungssysteme, die es künftig ermöglichen muss, dass Menschen mit Behinderung noch besser individuell unterstützt werden. Nicht der Ort der Teilhabe, sondern der Bedarf des Menschen und sein Wunsch- und Wahlrecht steht im Mittelpunkt einer neuen Eingliederungshilfe. Unabhängig davon werden wir uns in der kommenden Legislaturperiode des Bundestages dafür einsetzen, dass eine gesetzliche Klarstellung zur Budgetfähigkeit von Werkstattleistungen und damit für ihre Anwendung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - insbesondere in Integrationsunternehmen - erfolgen kann.
Der Bund soll sich an den Kosten der Eingliederungshilfe beteiligen. Wir werden unter Einbeziehung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ein Bundesleistungsgesetz schaffen, das der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention dient und die Eingliederungshilfe in ihrer bisherigen Form ablöst. Der Anspruch auf Hilfe zur Inklusion wird nicht mehr als Fürsorgeanspruch, sondern als Anspruch zum Ausgleich von Nachteilen ausgestaltet.
Mit freundlichen Grüßen
Fritz Rudolf Körper MdB