Welche Anstrengungen unternehmen Sie, damit gegen die gesamte russische Regierung auf Basis des Common Design ein internationaler Haftbefehl erlassen wird?
Das Common Design betrifft die Art und Weise der Teilnahme an dem Verbrechen einer Verletzung des Kriegsvölkerrechts. Während der Dachauer Prozesse wurde den Angeklagten die billigende Teilnahme an einem System von Tötungen, Misshandlungen und inhumaner Vernachlässigung vorgeworfen. Die Anklagevertretung musste den Nachweis führen, dass ein solches System bestand und dass „jeder der Angeklagten sich über dieses System im Klaren war, dass er wusste von dem, was mit den Häftlingen geschah, und sie musste jedem nachweisen, dass er an seinem Platz der Verwaltung, der Organisation des Lagers durch sein Verhalten, seine Tätigkeit, das Funktionieren dieses System unterstützte, an diesem Funktionieren teilhatte“. Wurde dieser Nachweis erbracht, dann zog dies als billigende Teilnahme eine Strafe nach sich; die individuelle Strafzumessung variierte nach Art und Umfang dieser Teilnahme. Was tun Sie, um auf dieser Basis, gegen die gesamte russische Regierung vorzugehen?
Sehr geehrter Herr G.,
vielen Dank für Ihre Nachricht zur internationalen juristischen Auseinandersetzung mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine. Zur Überprüfung völkerrechtlicher Streitigkeiten ist in Den Haag der Internationale Gerichtshof nach dem Zweiten Weltkrieg eingerichtet worden.
Außerhalb Russlands besteht kaum Zweifel daran, dass Russland mit seinem Angriffskrieg auf die Ukraine das Völkerrecht bricht.
Deshalb hat der Internationale Gerichtshof in einem Eilverfahren im März 2022 angeordnet, dass Russland die Militäraktionen im Gebiet der Ukraine einstellen müsse.
Im Frühjahr dieses Jahres hat der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen Russlands Präsidenten Putin und gegen die Kinderrechtskommissarin in Putins Präsidialverwaltung erlassen. Diese Ermittlungen zielen auf Putin und andere Einzelpersonen wegen ihrer persönlichen Verantwortlichkeit ab.
Gleichzeitig und unabhängig von den Ermittlungen am Internationalen Strafgerichtshof, befasst sich der Internationale Gerichtshof (IGH) momentan mit der Frage, ob Russland als Staat die UN-Völkermord-Konvention bricht. In diesem Verfahren bekommen mehr als 30 Staaten die Möglichkeit, zugunsten der Ukraine auszusagen, damit der IGH die Klage annimmt. Auch die Bundesrepublik wird ihre Rechtsauffassung darlegen.
Mit freundlichen Grüßen
Frauke Heiligenstadt