Frage an Franziska Brantner von Michael W. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrte Frau Brantner,
durch die historisch niedrigen Sparzinsen und die expansive Geldpolitik der EZB beobachtet man seit einiger Zeit neben einem enormen Anstieg von Wertpapierinvests nie dagewesene Investitionen in Immobilien und (unbebaute) Grundstücke. Wer die Mittel hat, investiert in Zweit-, Drittimmobilien (usw.) um diese zu vermieten oder im Fall von unbebautem bereits erschlossenem Bauland als lukrative Sachwertsanlage zu nutzen. Ich sehe hier gewisse Parallelitäten zu z.B. Spekulationen mit Nahrungsmitteln.
Welche konkreten Maßnahmen befürworten Sie, um diese Situation für Menschen zu entschärfen, die sich eine selbst bewohnte Erstimmobilie zulegen möchten?
Die Erschließung neuer Baugebiete ist eine langwierige Angelegenheit. Kurzzeitig erfolgversprechend könnten zusätzlich folgende Maßnahmen sein:
Können Sie sich vorstellen eine Abgabe auf unbebautes bereits erschlossenes Bauland zu erheben? Wie stehen Sie einer ermäßigten Grunderwerbsteuer/Grundsteuer für die erste/selbst genutzte Immobilie gegenüber (wenngleich die Zuständigkeit dieser Steuern nicht beim Bund liegen)? Wieso können große Immobiliengesellschaften die Grunderwebsteuer umgehen, während private Immobilienkäufer diese Möglichkeit nicht haben?
Sehr geehrter Herr Dr. W.,
vielen Dank für Ihr Schreiben.
Wohneigentum zu besitzen – ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung - ist vielen Menschen wichtig. Es sind vor allem aber die hohen Kaufnebenkosten, die die eigene Immobilie oft unerreichbar machen. Allein für den Makler werden durch Absprachen der Maklerverbände vielerorts über sieben Prozent des Kaufpreises fällig. Wir wollen niedrigere Kaufnebenkosten durch eine Senkung der Maklergebühr. Diese wollen wir bei zwei Prozent deckeln. So nähern wir uns dem europäischen Durchschnitt an. Das Bestellerprinzip soll künftig auch beim Kauf von Immobilien gelten. In der Regel bestellt der Verkäufer den Makler und soll die Maklerkosten dann auch zahlen.
Zur von Ihnen erwähnten Grunderwerbsteuerbefreiung für Ersterwerber: Ein funktionierender Wohnungsmarkt braucht neben einem hohen Bestand an öffentlichem und gemeinwohlorientiertem Eigentum auch privates, selbstgenutztes Wohneigentum. Wir wollen die Länder ermächtigen, den Steuersatz der Grunderwerbssteuer progressiv auszugestalten und beispielsweise für große Wohnungsunternehmen zu erhöhen und im Gegenzug für private Besitzer abzusenken. Mehr Informationen dazu finden Sie hier: https://cms.gruene.de/uploads/documents/Wohnen-Recht-auf-Wohnen-Beschluss-BDK-11-2019.pdf
Ein großes Problem stellen die sogenannten Share Deals dar. Sie erlauben es internationalen Konzernen, sich um die Grunderwerbssteuer zu drücken. Aufgrund gesetzlicher Regelungen wird die Grunderwerbsteuer fällig, wenn das Grundstück selbst direkt vom Käufer erworben wird (Asset Deal). Werden jedoch nur Anteile an Unternehmen (Shares), in denen die Grundstücke enthalten sind, gekauft, braucht der Käufer keine Grunderwerbssteuer zu bezahlen – jedenfalls wenn er weniger als 95 Prozent der Unternehmensanteile erwirbt (Share Deal). Denn die Grunderwerbsteuer fällt erst an, wenn mindestens 95 Prozent dieser Unternehmensanteile (zum Beispiel Aktien) auf den Käufer übergehen. Von dieser Gestaltungsmöglichkeit profitieren insbesondere große Marktteilnehmer. Um Grunderwerbsteuer zu vermeiden, führen sie oftmals solche Share Deals durch und bleiben mit maximal 94,9 Prozent gekauften Anteilen gerade unter der Grenze der Steuerpflicht. Das führt dazu, dass praktisch nur noch Otto-Normalverbraucher die Grunderwerbssteuer zahlt. Die Bundesländer kostet das Millionen. Und es heizt die Immobilienspekulation an. Denn ohne Grunderwerbssteuer gibt es noch weniger Hemmung, große Wohnungsbestände binnen Jahresfrist zu kaufen und wieder abzustoßen – auch wenn der Wert nur gering gestiegen ist. Um gegen diese Praxis vorzugehen, haben wir Grüne bereits 2016 diesen Antrag eingebracht: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/086/1808617.pdf . Die Praxis der steuerfreien Share Deals kann beenden werden, indem wir schon bei einem Verkauf der Mehrheit einer Gesellschaft zumindest anteilig Grunderwerbsteuer erheben.
Der stärkste Kostentreiber beim Wohnen sind Grundstücks- und Baulandpreise. Die Preise für Bauland sind seit 2010 um über 60 Prozent gestiegen, in den Großstädten noch deutlich stärker. Grund und Boden ist zum Spekulationsobjekt geworden und die explodierenden Bodenpreise schlagen auf die Immobilienpreise und Mieten durch. Wenn davon gesprochen wird, dass günstiges Bauen kaum mehr möglich ist, liegt dies zuvorderst an den inzwischen für sehr viele Menschen unbezahlbaren Grundstückspreisen. Aber Boden ist ein Allgemeingut, unvermehrbar, unentbehrlich und sozial gebunden. Es kann nicht sein, dass auf steigende Bodenpreise spekuliert wird, anstatt zu bauen. Das Bau- und Planungsrecht bietet die Möglichkeit, Grundstückseigentümer mit dem Baugebot zur Bebauung zu verpflichten. Das Bundesverfassungsgericht sieht gerade bei Grund und Boden eine besondere und weitgehend soziale Verpflichtung des Eigentums. Wer der Aufforderung sein Grundstück zu bebauen nicht nachkommt, kann zum Verkauf gezwungen werden, ggf. nur gegen Entschädigung zum Bodenrichtwert.
Wir Grüne unterstützen die Kommunen, die von dieser Möglichkeit bei besonders angespannten Wohnungsmärkten Gebrauch machen. Bei solchen Lagen sollen Kommunen das Baugebot nicht nur für einzelne Grundstücke, sondern für bestimmte Gebiete aussprechen können. Länder sollen in die Lage versetzt werden, durch eine erhöhte Grundsteuer für unbebaute Grundstücke einen Anreiz zum Bauen zu schaffen. Mehr Informationen dazu finden Sie ebenfalls in dem oben verlinkten Beschluss unserer Bundesdelegiertenkonferenz aus dem November 2019.
Ich hoffe, meine Antwort konnte Ihnen weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Franziska Brantner