Frage an Franz Obermeier von Dr. Jan M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Obermeier,
ich wende mich an Sie mit drei Fragen zur heutigen Praxis der Duldung im Asyl- und Flüchtlingsrecht. Es geht mir im Einzelnen um die folgende Themenbereiche:
1) Rund 100.000 Menschen leben in Deutschland mit einer Duldung. Etwa 60.000 von ihnen seit über sechs Jahren. Statt einer Klärung ihres Aufenthaltsstatus erhalten immer noch viele Betroffene kurzfristige, sog. Kettenduldungen, die ihnen keinerlei längerfristige Lebensperspektive bieten.
2) Auch eine große Zahl der derzeit Bleibeberechtigten lebt nach wie vor mit einem ungesicherten Aufenthaltsstatus. Angesichts der Wirtschaftskrise kann von vielen der geforderte Nachweis eines Arbeitsplatzes nicht erbracht werden. Diesen Menschen droht bis Ende 2009 der Rückfall in die Duldung und im schlimmsten Falle sogar die Abschiebung.
3) Geduldete dürfen sich in Deutschland nicht frei bewegen. Jahrelang wurden sie durch Arbeits- und Ausbildungsverbote in soziale Abhängigkeit gezwungen. Viele Betroffene fristen ein Dasein ohne Perspektive in Lagern und müssen sich von Essenspaketen ernähren. Von ausreichender medizinischer Versorgung sind sie ausgeschlossen. Das Asylbewerberleistungsgesetz behandelt Flüchtlinge wie Menschen zweiter Klasse. Ein eigenständiges Leben in Würde wird verhindert.
Welche Position wollen Sie als Abgeordneter im Bundestag zu den folgenden drei Fragen aktiv betreiben?
1) Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die gesetzlichen Bestimmungen dahingehend geändert werden, langjährig Geduldeten und Menschen, die zur Zeit nur befristet bleibeberechtigt sind, ein gesichertes Aufenthaltsrecht und eine Lebensperspektive erhalten?
2) Werden Sie sich für ein Ende der Praxis von Kettenduldungen einsetzen?
3) Müssen Ihrer Ansicht nach Personen, nach die nach dem Ausländergesetz geduldet sind, weiterhin in Lagern leben und nach dem Asylbewerberleistungsgesetz versorgt werden, oder wollen Sie sich dafür einsetzen, diese Einschränkungen abzuschaffen?
Hallo Herr Monzer,
gestatten Sie mir zunächst grundsätzlich auf dieses Thema einzugehen: Das Recht auf Asyl ist im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgelegt. Es betrifft Menschen, die in Ihrer Heimat um Leib und Leben fürchten müssen. Als CSU haben wir dem "Asylkompromiss" 1993 zugestimmt. In der Folge sind die Zahlen von damals 300.000 bis 400.000 Asylbewerbern pro Jahr deutlich zurückgegangen.
Mit dem "Asylbewerberleistungsgesetz" haben wir darüber hinaus erreicht, dass die Sozialleistungen für Asylbewerber jetzt niedriger sind als bei Deutschen (Hartz IV, ALG II-Empfänger). In Bayern gilt seither das "Sachleistungsprinzip", d.h. die Länder können statt Geldmitteln auch Sachleistungen gewähren. Darüber hinaus kann die Unterbringung in Sammelunterkünften erfolgen. Dieses Vorgehen hat viel Geld gespart, wirft aber auch die von Ihnen angesprochenen Probleme auf.
Zu Ihren drei Fragen:
(1) Viele der so genannten "Geduldeten" und deren Kinder integrieren sich im Laufe der Jahre, sie arbeiten und nehmen am gesellschaftlichen Leben teil. Ich kenne eine ganze Reihe solcher Fälle aus unserem Wahlkreis und habe mich schon häufig für ein allgemeines Bleiberecht eingesetzt. In Einzelfällen habe ich bei der Einbürgerung geholfen. Klar ist, dass in solchen Fällen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen, also einwandfreier Leumund oder die Anerkennung der deutschen Rechtsordnung. In den Fällen, die ich kenne, war das immer gegeben.
(2) Kettenduldungen sind meiner Meinung nach überflüssig, wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind. So ein Vorgehen ist nicht zumutbar.
(3) Das Asylbewerberleistungsgesetz gänzlich abzuschaffen halte ich für nicht richtig. Sie haben aber Recht, dass in dieser Sache Handlungsbedarf besteht und die derzeitige Lage verbessert werden muss. Wir sollten in dieser Frage eine gesetzliche Regelung schaffen, die diese Verfahren vereinfacht: Entweder wir heben eine Duldung auf und schieben einen Asylbewerber dann auch ab. Oder wir erkennen das Recht auf Asyl an und nehmen ihn vollständig mit einem dauerhaften Bleiberecht auf.
Eine Anmerkung noch zur EU-Politik: Als CSU-Abgeordnete treten wir vehement gegen Bestrebungen der EU-Kommission ein, die Asylleistungen EU-weit zu vereinheitlichen und an die jeweiligen Sozialleistungen anzugleichen.
Viele Grüße
Franz Obermeier