Nachdem die ungeschwärzten RKI-Files jetzt öffentlich sind, lassen sich diverse Maßnahmen des Hamburger Senats nicht nachvollziehen. Warum wird die Corona-Politik des Senats nicht aufgearbeitet?
Sehr geehrter Herr Schmitt:
Der Bürgermeister hat im November 2021 von einer "Pandemie der Ungeimpften" gesprochen und damit die Einführung von 2G-Regeln in Hamburg begründet.
Der Bürgermeister hat mit dieser Behauptung eine Gruppe integrer Menschen der sozialen Ächtung preisgegeben, diese quasi aus dem öffentlichen Leben entfernt und zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen.
Nach Veröffentlichung der ungeschwärzten RKI-Files weiß man nun: Eine "Pandemie der Ungeimpften" ließ sich fachlich nicht begründen (https://www.nzz.ch/international/neue-rki-files-belegen-politiker-und-medien-haben-wider-besseres-wissen-von-der-pandemie-der-ungeimpften-gesprochen-ld.1840887).
Sollte man nicht spätestens jetzt damit anfangen, die Corona-Maßnahmen, die der Hamburger Senat verhängt hat, aufzuarbeiten und Konsequenzen daraus zu ziehen?
MfG N.R. +++
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Sehr geehrter Herr R.,
die Coronamaßnahmen in Hamburg wurden auf Grundlage der damals verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse und in enger Abstimmung mit den Vorgaben des Bundes getroffen. Es handelte sich um eine außergewöhnliche Krisensituation, in der Entscheidungen unter erheblichem Zeitdruck getroffen werden mussten. Der Schutz der Bevölkerung stand dabei immer im Mittelpunkt, insbesondere angesichts der hohen Zahl an Erkrankungen und Todesfällen.
Dass im Rückblick einige Maßnahmen anders bewertet werden, liegt in der Natur einer sich stetig entwickelnden wissenschaftlichen Erkenntnislage. Deshalb findet eine Aufarbeitung der Pandemie bereits statt – auf Bundesebene, in wissenschaftlichen Studien und auch in der politischen Debatte. Der Hamburger Senat hat sich nie gegen eine solche Aufarbeitung gesperrt, sondern betont, dass sie sachlich, unabhängig und am richtigen Ort erfolgen muss. Ein Beispiel für eine solche Diskussion ist die Debatte in der Hamburgischen Bürgerschaft, in der betont wurde, dass aus der Pandemie Lehren für zukünftige Krisen gezogen werden müssen – unter anderem, dass Schulen und Kitas früher hätten geöffnet werden können und Erholungsmöglichkeiten im Freien länger hätten erhalten bleiben sollen.
Wichtig ist, dass diese Aufarbeitung nicht parteipolitisch instrumentalisiert wird, sondern dazu dient, Erkenntnisse für die Zukunft zu gewinnen. Denn das Ziel muss sein, bei künftigen Krisen noch besser vorbereitet zu sein.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Schmitt