Frage an Frank Junge von Martina B. bezüglich Energie
Sehr geehrter Herr Junge,
meine Familie macht sich große Sorgen bezüglich des Kohleausstiegsgesetzes. Konkret geht es uns um den §42, der aus dem Kohleausstiegsgesetz mehr ein KohleEinstiegsgesetz macht. Nach §42 wäre es unter anderem möglich, Kohleabnahmegarantien abseits der von der Kohlekommission bewilligten Menge zu vereinbaren, die Kohleindustrie wird fälschlicherweise als "energiewirtschaftlich notwendig" deklariert und damit und am schlimmsten, es wird der Abschluss von öffentlich-rechtlichen Verträgen mit den Energieunternehmen ermöglicht, die am Ende unkündbar, intransparent und sehr sehr teuer (4 Milliarden Euro) für die kommenden Generationen sein werden.
Warum wollen Sie exklusiv mit RWE einen Vertrag zur Kohleförderung in Garzweiler II bis 2038 abschließen, wie der neue §42 des Kohleausstiegsgesetztes, wenn dieses beschlossen wird, das erlauben würde, anstatt den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern und alles daran zu setzen, die 1,5°-Grenze einzuhalten?
Vielen Dank für Ihre Antwort und besorgte Grüße
M. B.
Sehr geehrte Frau Bonertz,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Kohleausstiegsgesetz, die ich hiermit beantworten möchte.
Ich verstehe Ihre Bedenken, bin aber der festen Überzeugung, dass wir die bestmögliche Lösung für den Kohleausstieg gefunden haben, die in Anbetracht der aktuellen Mehrheitslage mit der CDU/CSU möglich gewesen ist.
Der Kohleausstieg ist ein hochkomplexes Vorhaben, das sehr viele Interessen berührt. Wir haben versucht, all diesen Interessen gerecht zu werden, indem wir die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (KWSB) eingesetzt haben. In der KWSB ist es gelungen, einen von einer breiten Mehrheit getragenen gesellschaftlichen Kompromiss unter Einbeziehung aller betroffenen gesellschaftlichen Gruppen zu erzielen. An der Erarbeitung der Empfehlungen beteiligt waren Vertreterinnen und Vertreter der Energiewirtschaft, von Industrieverbänden, Gewerkschaften, Umweltverbände und der Wissenschaft.
Wir können den Schalter nicht einfach umlegen und die Kraftwerke von heute auf morgen abschalten: das würde zum einen sehr hohe Entschädigungen für die Betreiber bedeuten, denn diese dürfen sich natürlich auf ihre Genehmigung verlassen. Zum anderen hätten wir die Kapazitäten gar nicht auf dem Markt, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Das können wir uns als hochindustrialisiertes Land nicht leisten. Wichtig ist, dass wir mit dem jetzt Beschlossenen allen Betroffenen größtmögliche Rechtsicherheit und Planungssicherheit geben, gleichzeitig aber auch künftigen Regierungen ausreichend Gestaltungsspielraum für die Weiterentwicklung von Energie- und Klimapolitik lassen. Also Verlässlichkeit auf der einen und gleichzeitig politische Flexibilität auf der anderen Seite. In den Jahren 2026, 2029 und 2032 wird überprüft, ob das Enddatum für alle für die Zeit nach 2030 vorgesehenen Stilllegungen von Braun- und Steinkohlekraftwerken um jeweils drei Jahre vorgezogen werden und damit das Ausstiegsjahr 2035 erreicht werden kann. Erfolgt diese Entscheidung rechtzeitig – so mit den Betreibern von Braunkohlekraftwerken vereinbart – kann dieses Vorziehen des Ausstiegs ohne weitere Entschädigungen erfolgen. Auch ein Ausstieg vor 2035 bleibt möglich. Parallel müssen wir außerdem beim Ausbau der Erneuerbaren Energien schneller vorankommen. Ein wichtiger Schritt dafür ist nun mit einer umfassenden Novelle des EEG erfolgt.
Die KWSB hat zur Umsetzung der Ziele im Braunkohlebereich eine „einvernehmliche Vereinbarung auf vertraglicher Grundlage mit den Betreibern“ vorgeschlagen. Diese soll „sowohl eine Einigung über Entschädigungsleistungen für die Betreiber als auch Regelungen über die sozialverträgliche Gestaltung der Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung“ enthalten. Die Betreiber von Braunkohlekraftwerken sollen mit insgesamt 4,35 Milliarden Euro für die Stilllegungen entschädigt werden. Damit ist es möglich, das von der KWSB empfohlene Einvernehmen mit den Kraftwerksbetreibern und letztlich auch Rechtssicherheit herzustellen. Schwer kalkulierbare rechtliche Risiken werden damit auf ein Minimum beschränkt. Im Gegenzug verzichten die Unternehmen auf mögliche Klagen gegen Stilllegungen und auf betriebsbedingte Kündigungen. Die Höhe der Entschädigung ist das Ergebnis der Verhandlungen mit den Kraftwerksbetreibern und soll insbesondere potenzielle entgangene Gewinne ausgleichen und für den Strukturwandel innerhalb der Unternehmen wirken. Stilllegungen ab dem Jahr 2030 werden nicht mehr entschädigt. Die nominale Gesamtentschädigung (exklusive der Vergütung der Sicherheitsbereitschaft) soll bei 2,6 Milliarden Euro für RWE und 1,75 Milliarden für LEAG liegen. Die Entschädigung soll in 15 Jahrestranchen ausgezahlt werden, bei RWE ab dem Jahr 2020, bei LEAG ab 2025. Die Entschädigung wird dafür genutzt, die Tagebaufolgekosten rechtzeitig abzudecken - also die Kosten für Wiedernutzbarmachung der Tagebaue, Bergschäden, Rekultivierung, für die Wasserhaltung und für eine etwaige Nachsorge sowie sämtliche sonstige Kosten.
Die Regelungen zu Garzweiler II sind Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Vertrages zur Stilllegung der Braunkohlekraftwerke, der von der Bundesregierung mit den Unternehmen verhandelt worden ist. Sie sollen nach der Sicherung des Hambacher Forstes die Versorgung der verbleibenden Braunkohlekraftwerke gewährleisten. Eine zusätzliche Einschränkung hätte weitere Entschädigungszahlungen des Staates an das Unternehmen zur Folge gehabt.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen hiermit beantworten konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Junge