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Frank Junge
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Frage von Rainer W. •

Frage an Frank Junge von Rainer W. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Junge,

Ich möchte niemals fremdes menschliches Gewebe oder Organe erhalten und halte diese Behandlung aus medizinischer Sicht, nicht nur für völlig ungeeignet, sondern i.d.R. für extrem schädlich. Auch soll kein Mensch sein Leben auf diese schrecklichste Art und Weise, durch Zerstückelung wie auf einem Schlachttisch, verlieren und bis hin zu Knorpelstücken oder Kniegelenken verpackt und verschickt werden.

Die Verdinglichung des Menschen als Medikament, ist für mich der absolute Maßstab von Menschenunwürdigkeit.
Tatsächlich gibt es Menschen, die gegen eine Zerstückelung Ihres Körpers nichts einzuwenden haben, auch nicht gegen den Einbau von fremden Geweben und Organen.

Beide Einstellungen lassen sich verbinden, wenn Menschen sich als Spender registrieren lassen könnten und für jedes Jahr seit der Erklärung der Spendebereitschaft, Punkte kriegen würden, für eine bevorzugte Organ-/Gewebezuteilung im Bedarfsfall. Organerkrankten, die nicht registriert sind, aber aus speziellen Gründen kurzfristig ein Organ/Gewebe brauchen, könnten nach Ihrer Registrierung sofort Zugang zu der Vergabe haben, z.b. durch ein Notfallkontingent auch ohne gesammelte Punkte. Als "Geschlossener Club" gibt es viele Möglichkeiten des Kennenlernens, was die Erfolgsaussichten einer Übertragung, durch bekannte Menschen, erhöht.
Bei denen, die nicht registriert sind bzw. sich bei einer Erkrankung auch nicht registrieren wollen, soll es bei Strafe verboten sein, Organe/Gewebe als Therapie zu verabreichen oder auch zu entnehmen. Dies kommt all den Menschen zugute, die befürchten, im bewußtlosen Zustand nicht widersprechen zu können und nach einer OP mit fremden Organen/Geweben aufzuwachen.

Der amtierende Präsident der Ärztekammer hat dieses Prinzip thematisiert https://www.waz.de/politik/aerztepraesident-organspende-bereitschaft-mit-vorzug-belohnen-id226233671.html .
Wurde dieses Vorgehen diskutiert bzw. welche Erfolgsaussichten würden Sie diesem Vorgehen geben?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr R. W.,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

rund 10.000 Patientinnen und Patienten brauchen in Deutschland ein Spenderorgan und sie warten beispielsweise auf eine Niere im Schnitt sechs Jahre. Darunter sind viele Kinder. Etwa 2000 Menschen pro Jahr sterben auf der Warteliste.

Die Organisation und die Vergütung der Organentnahme haben wir zwar per Gesetz verbessert, aber das reicht bei weitem noch nicht aus. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel bei den rechtlichen Bedingungen für eine Organspende. Ansonsten werden wir nie ausreichende Spenderzahlen erreichen. Das aktuelle System funktioniert nicht. Die seit 2012 geltende Entscheidungslösung, nach der nur die Personen als mögliche Spender gelten, die einer Entnahme ausdrücklich zustimmen, ist offensichtlich wirkungslos, da die Zahl der Spender seitdem sogar deutlich abgenommen hat. Wenn Organe nur Menschen entnommen werden dürfen, die ihre Bereitschaft dazu zuvor auf einem Spenderausweis dokumentiert haben, dann ist das eine zu hohe Hürde und ein viel zu großer Aufwand. Viele wollen spenden, haben aber keinen Ausweis.

Wir könnten mit der sogenannten Widerspruchslösung viele Menschen vor dem Tod retten oder ihnen ein besseres Leben ermöglichen. Eine solche Regelung funktioniert in vielen Ländern Europas, von denen wir im Übrigen mehr Organe erhalten, als wir selbst weitergeben können. Auch der Deutsche Ärztetag hat sich letztes Jahr intensiv damit beschäftigt und sich eindeutig zur Widerspruchslösung bekannt. Auch Länder wie Spanien, Frankreich, Italien und unlängst die Niederlande haben eine Widerspruchslösung und die gute Zustimmung der Bevölkerung dazu. Durch die Widerspruchslösung bringt man Menschen dazu, sich überhaupt erst die Frage zu stellen, ob sie spenden wollen oder nicht. Das schuldet man Schwerstkranken, die auf ein Organ warten. Die hohe Zahl von Todesfällen unter Menschen, die auf der Warteliste stehen und nicht mehr rechtzeitig ein Organ bekommen, ist nicht hinnehmbar. Es gibt keine Pflicht zur Spende, jedoch die Verpflichtung, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen und bei einer ablehnenden Haltung diese auch zu dokumentieren.

Dazu werden die Bürgerinnen und Bürger umfassend über die Organspende und die Gesetzesänderung informiert und darüber aufgeklärt, welche Folgen eine Nichtreaktion bedeutet. Die Gesellschaft darf verlangen, dass sich eine Bürgerin oder ein Bürger sehr bewusst mit der Frage auseinandersetzt, wie sie oder er zur Organspende steht. Festzuhalten gilt, dass niemand zu einer Spende gezwungen wird und jederzeit widersprechen kann.

Die allermeisten Bürgerinnen und Bürger, auch die, die sich bisher noch nie mit dem Thema beschäftigt haben, erwarten schließlich, im Fall der Fälle selbst ein Organ zu bekommen. Die Widerspruchslösung wird dieser Anspruchshaltung gerecht. Man kann sich zu jedem Zeitpunkt entscheiden, etwa bei jedem Arztbesuch, ob man widerspricht oder ausdrücklich zur Organspende bereit ist. Dazu wird ein rund um die Uhr verfügbares Register eingerichtet.

Zugleich werden auch die Angehörigen ein Widerspruchsrecht erhalten: Wenn die Familie nach dem Tod ihres Angehörigen glaubhaft versichert, dass dieser sich gegen die Organspende entschieden hätte, etwa weil er mehrfach darüber gesprochen hat, dann wird auch kein Organ entnommen. So werden Irrtümer und Fehler verhindert. Die Widerspruchslösung ist eine Regelung, die ohne viel unnötige Bürokratie Leid und unnötigen Tod verhindert, aber gleichzeitig auch vor Fehlern und Missbrauch schützt. Die Widerspruchslösung rückt konsequent das Leiden der betroffenen Patientinnen und Patienten und Organempfängerinnen und -empfänger in den Vordergrund, ohne die Freiheit des oder der einzelnen zu missachten.

Die Widerspruchslösung ist aus meiner Sicht eine Regelung, die gut in unsere Zeit passt.

Mit freundlichen Grüßen

Frank Junge

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