Frage an Frank Gotthardt von Robert G. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Gotthardt
211 Millionen Kinder unter 15 Jahren arbeiten. Fast 90 % davon unter ausbeuterischen Bedingungen. 73 Millionen sind jünger als 10 Jahre. Dass ausbeuterische Kinderarbeit in vielen Ländern der Erde noch immer an der Tagesordnung ist, behindert nicht nur jede nachhaltige Entwicklung, sondern ist insbesondere für die direkt betroffenen Kinder und Familien eine menschliche Tragödie.
Aufgrund der EU-Richtlinie 2004/18/EG ist die Bundesregierung verpflichtet, bis zum 31. Januar 2006 eine neue Vergabeverordnung für öffentliche Aufträge zu erlassen. Diese EU-Richtlinie sieht unter anderem vor, dass soziale Aspekte Teil der Eignungs- und Zuschlagskriterien werden können. Auf dieser Grundlage kann es öffentlichen Auftraggebern erleichtert werden, den Kauf von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu vermeiden.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat bereits einen Entwurf zur Vergabeverordnung erarbeitet. Aus meiner Sicht bietet dieser Entwurf den öffentlichen Auftraggebern noch nicht in ausreichendem Maße die Möglichkeit, Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit bei der Vergabe auszuschließen. Ich halte es für wichtig, dass in den Entwurf der Vergabeverordnung eine hierfür geeignete Regelung aufgenommen wird.
Wie stehen Sie zu der Aufnahme eines entsprechenden Zusatzes in die Vergabeverordnung?
Mit freundlichem Gruß
Robert Gather
Sehr geehrter Herr Gather,
seit Anfang der neunziger Jahre hat der deutsche Einzelhandel verstärkt sein Augenmerk auf das Thema Sozialstandards gelegt, als es vermehrt Kritik am ethischen Verhalten der Unternehmen gab. Einzelne Firmen begannen, firmeneigene Verhaltenskodizes zu entwickeln, die sie mehr oder weniger konsequent durchgesetzt haben. 1996 haben sich die AVE-Mitglieder (Außenhandelsvereinigung des Deutschen Außenhaldels) dann zusammengetan und sich darauf verständigt, die Einkaufsbedingungen zu standardisieren. Hier waren also schon mehrere Einzelhandelsunternehmen an einer gemeinsamen Aktion beteiligt.
1997 wurde dann im eine Erklärung zur Kinderarbeit verabschiedet, in der zunächst die ausbeuterische, gesundheitsschädigende und sklavenartige Kinderarbeit geächtet wurde. 1999 mündeten die Bemühungen dann in die so genannte "AVE-Erklärung zur Gewährleistung von Sozialstandards". Hierbei handelt es sich um eine umfassendere Erklärung, die sich auf die ILO-Kernarbeitsnormen (Vertretung der internationalen Arbeitsorganisationen) bezieht und nicht nur die Kinderarbeit thematisiert, sondern auch Zwangsarbeit und Gefangenenarbeit, Gesundheit am Arbeitsplatz, menschenrechtswidrige Praktiken hinsichtlich des Arbeitsplatzes und der Arbeitszeit, Entlohnung, Diskriminierung sowie Vereinigungs- und Tariffreiheit.
Eine Rolle spielte hierfür ebenfalls der Druck aus dem politischen Bereich, die Diskussion in Parlamenten, beim Gesetzgeber, vor allem auch auf der europäischen Ebene. Diese Diskussion ist seit fünf, sechs Jahren immer intensiver geworden. Wichtig waren hierbei auch die Entwicklung der Debatte in der ILO sowie die Diskussion in der Welthandelsorganisation über die Berücksichtigung von Sozialstandards in der Handelspolitik.
Daher begrüße ich es, wenn im Sinne dieser Entiwcklung weitere Fortschritte auf diesem Gebiet gemacht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Gotthardt