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Florian Toncar
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Frage von Tobias K. •

Frage an Florian Toncar von Tobias K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Toncar,

"die Zahl der offiziell registrierten Spätabtreibungen ab der 23.
Schwangerschaftswoche hat im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht" (Stiftungsbrief der Stiftung "Ja zum Leben", Nr. 24, Juni 2008, Seite 2; vgl. auch www.ja-zum-leben.de). Das halte ich für zutiefst beunruhigend. Ich erspare es uns, die Vorgänge einer Spätabtreibung zu schildern - sie sind schlicht barbarisch.
Allerdings habe ich dazu eine Verständnis- und eine Sachfrage.
Zum Verständnis: Es gibt Menschen in unserem Land, die großen Wert darauf legen, dass Spätabtreibungen vorgenommen werden können. Was treibt Menschen an, sich für das Recht auf solch eine grausame Sache einzusetzen?
Ich kann das schlicht nicht verstehen. Dahinter steht ja ein gewisses Interesse. Können Sie mir das erklären?
Zur Sache: Wie kommt es, dass sich kein Mensch für diese skandalöse Entwicklung zu interessieren scheint? Es müsste ja im Grunde ganz einfach sein, hier eine Änderung der gesetzlichen Lage herbeizuführen. Es müsste doch jeder Politiker, der das Herz auf dem rechten Fleck hat, dagegen sein, dass in unserem Land Kinder dem Mutterleib entnommen werden dürfen, um sie verdursten, ersticken und töten zu lassen. Solche Unmenschlichkeit müsste doch jeden aufschrecken. Woher dieses Desinteresse, diese Lethargie?

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen Tobias Krämer

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Krämer,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Schwangerschaftsabbruch und Spätabtreibung. Der Schutz des Lebens - auch und gerade des ungeborenen Lebens - ist für mich eine der wichtigsten Aufgaben.

Ich habe Verständnis für Ihre Bedenken, auch wenn ich Ihren Standpunkt, dass Spätabtreibungen allgemein verboten werden sollten, nicht teile. Meiner Meinung nach muss man in dieser schwierigen Frage einerseits das Grundrecht der Mutter auf Selbstbestimmung in Würde und andererseits das Lebensrecht des Kindes miteinander abwägen. Je näher die Geburt ist, desto größeres Gewicht kommt dabei dem Lebensrecht des Kindes zu.

Der Schwangerschaftsabbruch ist allgemein in Deutschland nach § 218 des Strafgesetzbuches (StGB) rechtswidrig. Der § 218a StGB lässt jedoch Ausnahmen zu, unter anderem wenn die Schwangere an einer Konfliktberatung (§ 219 StGB) teilgenommen hat und der Abbruch innerhalb der ersten zwölf Wochen geschieht oder die Schwangerschaft aufgrund einer Vergewaltigung zu Stande kam (sogenannte kriminogene Indikation) oder wenn eine Gefahr für das Leben oder die körperliche oder seelische Gesundheit der Mutter besteht (sogenannte medizinische Indikation). In diesen Fällen ist der Schwangerschaftsabbruch nicht strafbar. Ein Spätabbruch nach der 12. Schwangerschaftswoche ist in Deutschland ausschließlich aufgrund einer medizinischen Indikation zulässig, z. B. wenn eine Gefährdung der körperlichen oder psychischen Gesundheit der Mutter zu erwarten ist.

Ein Verbot des Schwangerschaftsabbruchs, was den Spätabbruch mit einschließt, wäre in meinen Augen falsch, da dies viele Frauen in die Illegalität treiben würde. Notwendig sind vielmehr verantwortungsvolle Regelungen für die Spätabtreibung und Maßnahmen, die die Situation der betroffenen Frauen und der ungeborenen Kinder verbessern. Vor diesem Hintergrund muss es Ziel sein, alle Möglichkeiten für ein gemeinsames Leben von Mutter und Kind mit der Familie zu erkunden und voreilige Entscheidungen und überstürztes Handeln zu vermeiden. Insbesondere die Beratung vor und nach der Pränataldiagnostik muss verstärkt werden. Wenn ein Befund einer fetalen Erkrankung, Behinderung oder Entwicklungsstörung des Ungeborenen vorliegt, sollte regelmäßig eine umfassende interdisziplinäre Beratung durch Gynäkologen, Humangenetiker, Pädiater und Psychologen/Psychiater angeboten werden.

Die FDP-Bundestagsfraktion hat in der letzten Legislaturperiode den Antrag „Schwangerschaftsabbruch nach Pränataldiagnostik – Verantwortungsvolle Regelungen und Maßnahmen treffen“ (Bundestags-Drucksache 15/5034) in den Deutschen Bundestag eingebracht. In diesem Antrag wird die Bundesregierung u.a. aufgefordert, auf eine Verbesserung des Lebensschutzes ungeborener Kinder und eine Verbesserung der Situation der betroffenen Frauen und Männer nach einem pathologischen pränataldiagnostischen Befund hinzuwirken. Bei Diagnose einer fetalen Erkrankung, Entwicklungsstörung oder Anlageträgerschaft des Ungeborenen sollte eine weitere medizinische und auch eine psychosoziale Beratung erfolgen. Der behandelnde Arzt bzw. die Ärztin muss auf diese Beratungsangebote hinweisen und soll darauf hinwirken, dass die Frau diese wahrnimmt, da bei Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der schwangeren Frau aufgrund der zu erwartenden Schädigung des Kindes meist ein besonderer Entscheidungskonflikt besteht. Um in dieser Konfliktlage helfen zu können und die Chance zu erhöhen, dass sich der Schwangeren ein Weg für ein Leben mit dem Kind eröffnet, sollte der Abbruch nach einem pathologischen Befund beim Ungeborenen in der Regel nicht vor Ablauf einer Frist von drei Tagen nach Eröffnung des Befundes und Feststellung der medizinischen Indikation erfolgen. Die Frist bis zum Abbruch sollte nicht gelten, wenn eine akute Lebensgefahr für die Schwangere besteht oder wenn das Kind so schwer geschädigt ist, dass es nicht lebensfähig wäre.

Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen verdeutlicht zu haben, dass das Thema sehr wohl politisch behandelt wird, auch wenn ich die Frage differenzierter beantworte.

Mit freundlichen Grüßen

Florian Toncar

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