Frage an Florian Toncar von Steffen H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Grüß Gott Herr Toncar,
wie ich sehen kann, haben Sie dem EU-Vertag von Lissabon zugestimmt.
Wie können Sie es mit Ihrer Aufgabe im Bereich der Menschenrechte und humanitäre Hilfe vereinbaren, dass Sie die Einführung der Todesstrafe mit dem Vertrag von Lissabon wieder einführen.
Sie kennen sicherlich Pkt. Art. 2 Pkt. 3 der 12. Eklärung:
3. a) Artikel 2 Absatz 2 EMRK:
»Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um
a) jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;
b) jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;
c) einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen«.
b) Artikel 2 des Protokolls Nr. 6 zur EMRK:
»Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafe für Taten vorstehen, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden; diese Strafe darf nur in den Fällen, die im Recht vorgesehen sind, und in Übereinstimmung
mit dessen Bestimmungen angewendet werden . . .«.
Das bedeutet:
1. Häftlinge egal welcher Art dürfen bei der Flucht erschossen werden.
2. Aufstände oder Aufruhr darf mit Waffengewalt niedergeschlagen werden. Zivilisten dürfen rechtmässig erschossen werden. Diese Aufstände könnten Demonstrationen für höhere H IV Sätze, gegen die Politik des Staates, oder den Abtritt der Bundesregierung sein.
3. In Kriegszeiten dürfen Menschen zum Tode verurteilt werden.
Kurz zusammengefasst: Sie haben zugestimmt, die Rechte einzuführen, welche Sie, und damit meine ich die gesamte Deutsche Politik und Medien, in jüngster Vergangenheit an Burma/Birma, Pakistan, China/Tibet kritisiert haben. Wieso gab es einen derartigen "Aufstand" bzgl. der Filbinger/Oettinger Rede? Wieso führen Sie ein, weswegen Hr. Filbinger verteufelt wird?
Warum haben Sie dem, wie Hr. Henry Nitzsche es so schön nannte: "Ermächtigungsgesetz" zugestimmt?
Kennen Sie Art. 146 GG?
Mit freundlichen Grüßen
Hoffmann
Sehr geehrter Herr Hoffmann,
Ihre E-Mail über abgeordnetenwatch.de, beantworte ich wie folgt :
Ihre Vermutung, mit der Verabschiedung des Vertrages von Lissabon würde die Todesstrafe eingeführt, entbehrt jeder Grundlage. Die Todesstrafe ist in allen Ländern Europas lange abgeschafft und im Vertrag von Lissabon findet sich keine Bestimmung, die sie wieder einführt. Im Gegenteil: Art.2 Abs.2 der Grundrechte-Charta, die mit dem Vertrag von Lissabon verbindlich wird, verbietet die Todesstrafe in der ganzen Europäischen Union ausdrücklich.
Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), die Sie ansprechen, stammt aus dem Jahre 1950. Sie ist nicht Bestandteil des EU-Rechts, sondern gehört zum Rechtsrahmen des so genannten Europarats, hat mithin mit der EU nichts zu tun. 1950 war das Verbot der Todesstrafe in Europa noch nicht Konsens. Heute ist es das. Dem hat das 13. Protokoll zur EMRK vom 3.5.2002 Rechnung getragen, das von allen EU-Mitgliedern unterzeichnet wurde und das die Todesstrafe vollständig verbietet. Im übrigens normiert die EMRK im Vergleich zu deutschen und EU-Grundrechten nur Mindeststandards. Die Verfassungen und das nationale Recht der einzelnen Mitgliedsstaaten bleiben zusätzlich zur EMRK anwendbar.
Die von Ihnen angeführten Handlungen sind und bleiben in Deutschland und in der EU eindeutig verboten. Dies ist aber keine Frage des Lissaboner Vertrags, sondern würde genauso gelten, wenn dieser nicht ratifiziert worden wäre. Die Bezeichnung "Ermächtigungsgesetz", die ein fraktionsloser Abgeordneter für den Lissaboner Vertrag gebraucht hat, beweist, dass plumper Nationalismus gepaart mit einer erheblichen Portion Dummheit es durchaus auch heute noch in ein Parlament schaffen können. Sie hätten, auch wenn Sie den Vertrag von Lissabon kritisch sehen, gut daran getan, sich diesen unsäglichen Vergleich nicht zu eigen zu machen.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Toncar