Frage an Florian Toncar von Wolfgang L. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Toncar
Vielen Dank für die ausführliche Beantwortung unserer Fragen zur Bundestagswahl 2021, die wir Ihnen als Repräsentanten der GWÖ u.a. gestellt haben. Wir freuen uns, wenn Sie uns auch noch unsere folgenden Fragen beantworten würden.
E1: Im Nachgang zur letzten weltweiten Finanzkrise haben anerkannte Experten viele Vorschläge für eine Reform des Finanzmarktes entwickelt, die bis heute nicht umgesetzt wurden. Wie ist Ihre Position zu den folgenden Vorschlägen?
> Reformierung des Basel III Regelwerks (Geschäftsbanken als Geldschöpfer behandeln, nicht als Finanzintermediäre)
> Einführung eines Zulassungsverfahrens für Finanzprodukte (alles ist verboten, eine Positivliste regelt das Erlaubte)
> Trennung von Geschäfts- und Investment-Banking
> Besteuerung des Handels mit Finanzanlagen (Tobin-Steuer)
> Strenge Regulierung der Großen Vier Wirtschaftsprüfer und 3 großen Rating-Agenturen
> Verbot von Spekulationsgeschäften von Einrichtungen der öffentlichen Hand (Lehman-Zertifikate, Greensill Bank etc.)
> Förderung von Sparkassen, Volks- und Genossenschaftsbanken als Gegengewicht zur zunehmenden Konzentration im Bankensektor
> Besserstellung von ethischen Banken bzw. gesetzliche Verpflichtung bestehender Banken auf umfassende Veröffentlichung der Umwelt- und Sozialrisiken ihrer Anlagen
E2: Sollten Ihrer Meinung nach Geschäftsbanken selbst Geld schöpfen können oder sollte das der Zentralbank vorbehalten sein?
E3: Geld und Schulden sind im heutigen System zwei Seiten einer Medaille. Sehen Sie eine Möglichkeit, die Geldschöpfung von der Neuverschuldung zu trennen?
E4: Sollten Tech-Konzerne wie z.B. Facebook (Stichwort DIEM) sogenannte Stablecoins in Umlauf bringen dürfen? Wenn ja, unter welchen Bedingungen?
E5: Sollte es ein von Geschäftsbanken und anderen Privatfirmen unabhängiges öffentliches Zahlungsverkehrssystem mit öffentlich geschöpftem digitalem Geld geben? Und wenn ja, warum?
Sehr geehrter Herr Läuger,
vielen Dank für Ihre Fragen. Mit diesem Fragenkatalog habe ich nun insgesamt 22 Fragen Ihrer Initiative beantwortet, die zum Teil sehr ins Detail gehen. Angesichts der äußerst zahlreichen Zuschriften, Gesprächswünsche und sonstigen Anfragen, die ich im Zuge des Wahlkampfes bekomme, bitte ich um Ihr Verständnis, dass ich mich künftig verstärkt den Anliegen anderer Akteure widmen muss, die zu Recht ebenso viel Aufmerksamkeit für ihre Fragen erwarten.
E1:
Grundsätzlich gilt für uns in der FDP-Bundestagsfraktion: Für ein stabiles Finanzsystem, in dem Risiken adäquat abgesichert sind, brauchen wir eine wirksame Aufsicht, die ein hinreichendes, qualitativ gutes Eigenkapital bei den Banken sicherstellt, Transparenz für Anleger gewährleistet sowie gegen Betrug vorgeht, ebenso wie ein schlagkräftiges Abwicklungsregime für insolvente Institute, das zuvorderst Eigentümer und Gläubiger bei Bankinsolvenzen in die Pflicht nimmt, und die Risiken für die Steuerzahler minimiert. Eine Detailregulierung oder gar ein Verbot bestimmter Finanzprodukte halte ich dagegen nicht für zielführend. Das gilt ebenso für Vorgaben zur Strukturierung von Banken und für Steuern auf den Handel mit Finanzanlagen.
Im Rahmen der Finanzmarktregulierung muss auf die Proportionalität geachtet werden: Je höher das Risiko für die Finanzmarktstabilität und die Steuerzahler ist, das von einem Finanzmarktakteur ausgeht, umso strikter muss die Regulierung und Überwachung sein. Die Behörden müssen daher große, international vernetzte Akteure stärker in den Blick nehmen, aber im Gegenzug die kleinen, regional verwurzelten Kreditinstitute von Auflagen entlasten.
Die von Ihnen ebenfalls angesprochene Regulierung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wurde in der aktuellen Legislaturperiode nach dem Wirecard-Skandal zu Recht angepasst. So war beispielsweise eine Ausweitung der Haftung grundsätzlich notwendig. Einige Regelungen gehen jedoch meiner Meinung nach zu weit und werden die Konzentration auf dem Abschlussprüfermarkt weiter verstärken.
Ich stimme Ihnen zu, dass Einrichtungen der Öffentlichen Hand zu besonderer Sorgfalt im Umgang mit ihren Finanzen verpflichtet sind und von spekulativen Finanzprodukten Abstand nehmen müssen.
Ethische Geschäftsmodelle begrüßen wir sehr. Die Finanzwirtschaft hat Nachhaltigkeit als wichtigen Faktor erkannt, und der Sektor wächst. Doch wie bei jedem Geschäft gibt es auch hier Ausfallrisiken - diese dürfen nicht ignoriert werden. Eine Besserstellung von ethischen Geschäftsmodellen lehne ich ab, denn die Regulierung muss das Risiko des jeweiligen Geschäfts abbilden. Zur Veröffentlichung relevanter Informationen über nichtfinanzielle Aspekte der Arbeit von Banken, wie den von Ihnen angesprochenen Umwelt- und Sozialrisiken ist anzumerken, dass es derartige Berichtspflichten bereits gibt. Große Kreditinstitute sind seit 2017 im Zuge der Corporate Sustainability Reporting (CSR) – Richtlinie der EU zur Abgabe einer Erklärung über verschiedene nichtfinanzielle Aspekte ihrer Arbeit verpflichtet, wie etwa Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelangen, Menschenrechtsfragen und Korruptionsbekämpfung. Einen weitergehenden Regelungsbedarf sehe ich hier nicht.
E2:
Bei der Geldschöpfung ist zu unterscheiden zwischen Buchgeld, welches in der Tat von Geschäftsbanken geschöpft wird, und Zentralbankgeld (Bargeld und Einlagen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank), welches von der Zentralbank geschöpft wird. Die Zentralbank beeinflusst mit ihren Vorgaben zur Mindestreserve, den Leitzinsen und ihren Offenmarktgeschäften das Ausmaß der Buchgeldschöpfung, welches darüber hinaus auch von der Kreditnachfrage und regulatorischen Vorgaben abhängig ist. Dieses System ist prinzipiell sachgerecht. Kritisch zu sehen ist das Agieren der Europäischen Zentralbank und anderer großer Notenbanken in diesen Zusammenspiel, die seit der Finanzkrise eine äußerst expansive Geldpolitik verfolgen, welche erhebliche Risiken für die Wirtschaft und das Finanzsystem mit sich bringt.
E3:
Die Kreditvergabe durch Geschäftsbanken ist der größte Faktor der Buchgeldschöpfung, aber nicht der einzige. Auch der Aufkauf von Vermögenswerten durch Banken und die Einzahlung von Bargeld führen zu neuem Buchgeld. Diese Mechanismen sind grundsätzlich unproblematisch. Im besten Fall werden aus den vergebenen Krediten ertragreiche Investitionen, die das realwirtschaftliche Wachstum fördern. Zum Problem werden Schulden dann, wenn sie nicht zurückgezahlt werden können. Die extreme Ausweitung der Geldmenge in den vergangenen Jahren dient der Finanzierung einer immer weiter zunehmenden Staatsverschuldung in einigen Ländern, deren wirtschaftliche Produktivität zur Finanzierung des Staatswesens nicht ausreicht. Weiterhin fließen Gelder in normalerweise nicht mehr wettbewerbsfähige Unternehmen, so dass langfristige wirtschaftliche Verwerfungen drohen. Zu dieser Problematik darf ich auf meine Antwort auf Frage D3 Ihres letzten Fragenkataloges verweisen.
E4:
Ja, Bestrebungen nach einem Verbot von Stablecoins oder anderen Kryptowährungen lehnen wir in der FDP-Bundestagsfraktion ab. Stattdessen muss die Politik die Vorteile erkennen: Stablecoins können beispielsweise der Bevölkerung in Ländern mit instabilen Währungen oder weniger entwickeltem Bankenmarkt Zugang zu sichererem Zahlungsverkehr via Blockchain-Technologie bieten. Wir brauchen eine innovationsoffene Regulierung von Stablecoins, die klare Regelungen für den Daten- und Verbraucherschutz sowie die Geldwäschebekämpfung und Finanzmarktstabilität vorsieht, ohne jedoch Innovationen durch zu weitgehende Regulierung zu unterbinden. Die Schwellenwerte bzgl. Faktoren wie der Größe des Kundenstamms, dem Wert der ausgegebenen Token und anderer Aspekte, anhand derer bestimmt wird, ob eine bestimmte Art von Stablecoin als „signifikant“ gilt, und damit der Aufsicht durch die European Banking Authority sowie verschärften regulatorischen Anforderungen unterliegt, dürfen daher auch nicht zu niedrig angelegt werden.
E5:
Wer auch immer digitales Geld schöpfen möchte, und die regulatorischen Vorgaben dafür einhält, sollte das machen dürfen. Je mehr Auswahl an digitalen Währungen es gibt, desto besser ist es für die Nutzer. Wir in der FDP-Bundestagsfraktion setzen uns dafür ein, dass die Regulierung für Krypto-Währungen so ausgestaltet wird, dass die Marktzutrittshürden möglichst gering sind.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Florian Toncar, MdB