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Florian Toncar
FDP
81 %
86 / 106 Fragen beantwortet
Frage von Ulrike N. •

Frage an Florian Toncar von Ulrike N. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Herr Toncar,

zur Bundestagswahl 2021 führen wir (Gemeinwohl-Ökonomie Deutschland, Monetative e.V., Samuel-Pufendorf-Gesellschaft für politische Ökonomie e.V., Entrepreneurs4Future Stuttgart und Genossenschaft für Gemeinwohl) eine mehrstufige Befragung aller Bundestagsparteien zu den Themen Geld- und Finanzpolitik durch. Nachfolgend finden Sie das vierte Fragen-Paket zum Themenbereich: Finanzaufgaben zur allgemeinen Daseinsfürsorge

D1 Die Gewinnmargen liegen in der Realwirtschaft bei ca. 1- 2 %, in der Finanzwirtschaft dagegen häufig zwischen 6 –16% oder noch höher. Mit welcher Gesetzgebung und anderen Maßnahmen wie z.B. Konjunkturprogrammen können die Realwirtschaft und der Mittelstand finanziell gestärkt werden?

D2 Die Digitalisierung der Zahlungsinfrastruktur (und damit verbunden unseres Geldes) schreitet zunehmend voran. Befürworten Sie die Abschaffung von Bargeld und falls ja, aus welchen Gründen?

D3 Ein Land bzw. eine Staatengemeinschaft als Herausgeber der eigenen Währung ist immer finanziell in der Lage, die öffentliche Daseinsvorsorge der Bürger*innen in angemessener Form zum Wohle der Allgemeinheit zu finanzieren. Die Sparpolitik der letzten Jahrzehnte hat jedoch zu einer deflationären Entwicklung geführt und einen Investitionsstau verursacht. Unter welchen Bedingungen halten Sie eine monetäre Staatsfinanzierung für zielführend, um diesen Investitionsstau aufzulösen?

D4 Welche Programme schlägt der Finanzausschuss des Bundestags vor, um die wirtschaftlichen Aktivitäten wieder stärker auf das Gemeinwohl auszurichten und Märkte so zu gestalten, dass sie viel mehr der Erreichung gesellschaftlicher Ziele dienen anstatt der Erzielung privater Profite?

D5 Sind öffentlich, finanzierte Infrastrukturprojekte aus Ihrer Sicht zu befürworten, um neue Stellen im öffentlichen Dienst für die allgemeine Daseinsfürsorge zu schaffen? Wenn ja, welche konkreten Stellen möchten Sie hierbei priorisieren?

Besten Dank für Ihre Antworten.

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Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Niethammer,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne wie folgt beantworte:

Zu Frage D1:

Eine funktionsfähige Finanzwirtschaft ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Unternehmen der Realwirtschaft sich finanzieren und investieren können. Um die Realwirtschaft und insbesondere den Mittelstand zu stärken benötigen wir umfangreiche Entlastungen sowohl im Steuerrecht als auch bei der Bürokratie.
In der Steuerpolitik möchten wir unter anderem die Körperschaftsteuer senken und die Tarifeckwerte in der Einkommensteuer verschieben, so dass die höheren Steuersätze erst bei einem höheren Einkommen fällig werden. Zudem fordern wir die Abschaffung der Gewerbesteuer, die in ihrer jetzigen Form eine enorme Belastung für Unternehmen darstellt und gleichzeitig als Einnahmequelle für Kommunen äußerst unzuverlässig ist. An ihre Stelle soll ein kommunales Hebesatzrecht auf die Körperschaft- sowie die Einkommensteuer treten. Weiterhin muss die Steuerbegünstigung für nicht entnommene Gewinne (Thesaurierungsbegünstigung) so reformiert werden, dass sie auch für kleinere und mittlere Personengesellschaften nutzbar ist.

Zur Verringerung bürokratischer Belastungen für Unternehmen fordern wir die Bundesregierung auf, bei neuen Belastungen das Prinzip „one in, two out“ einzuführen: Für jede neue Regelung, die Erfüllungsaufwand bei Unternehmen verursacht, sollen zwei andere Regelungen gestrichen werden, damit die bürokratische Belastung im Zeitverlauf zurückgeht. Außerdem fordern wir, europäisches Recht grundsätzlich eins zu eins umzusetzen, ohne zusätzliche Belastungen für Unternehmen auf nationaler Ebene zu ergänzen. Zur Entlastung von Unternehmen bei bestehenden Regeln fordern wir unter anderem, Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege und andere steuerrelevante Unterlagen zu verkürzen sowie die rein elektronische Aufbewahrung von Belegen und Geschäftsunterlagen leichter zu ermöglichen. Zudem möchten wir die Dokumentationspflichten beim Mindestlohn vereinfachen und fordern die Bundesregierung auf, gerade angesichts der Corona-Krise alle neuen Belastungen für Unternehmen durch zusätzliche Informationspflichten zu stoppen und bestehende Regelungen in dieser Hinsicht kritisch überprüfen.

Zu Frage D2:

Nein, wir in der FDP-Bundestagsfraktion lehnen eine Abschaffung von Bargeld ab. Jeder soll die Möglichkeit haben, Einkäufe ohne staatliche oder private Registrierung zu tätigen.

Zu Frage D3:

Monetäre Staatsfinanzierung ist niemals das geeignete Mittel zur Finanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Gelder dafür muss der Staat regulär über Steuern und Gebühren aufbringen. Dafür ist eine gesunde Wirtschaft Voraussetzung. Wenn auf diesem Weg staatliche Aufgaben nicht finanziert werden können, bestehen Probleme in der Haushaltspolitik und/oder der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft, die finanz-/haushalts- und wirtschaftspolitisch gelöst werden müssen. Monetäre Staatsfinanzierung leistet dazu keinen Beitrag, sondern übertüncht diese Probleme nur und schafft ihrerseits neue Schwierigkeiten.

So nimmt die ausgeweitete Geldmenge dem Staat den Druck, seine Ausgaben unter Kontrolle zu halten und fließt weiter in Unternehmen, die unter normalen Umständen nicht mehr wettbewerbsfähig wären. Die Notenbank übernimmt dadurch immense finanzielle Risiken, von denen sie immer schwieriger abrücken kann, ohne schwere wirtschaftliche Verwerfungen zu riskieren. Weiterhin gerät die Preisstabilität in Gefahr, die sich nicht allein an der offiziellen Inflationsrate ablesen lässt. So hat die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) in den vergangenen Jahren zu einem immensen Anstieg der Vermögenspreise geführt. Das erhöht die Gefahr für Blasenbildungen und führt zu sozialen Verwerfungen: Durch den massiven Anstieg der Immobilienpreise etwa wird es für immer mehr Personen schwierig, bezahlbaren Wohnraum zu finden oder gar selber Wohneigentum zu erwerben.

Zu Frage D4:

Gemeinwohl und private Profite sind kein Widerspruch. In einer sozialen Marktwirtschaft wie der Bundesrepublik Deutschland sorgt das Profitstreben privater Unternehmen, die untereinander im Wettbewerb stehen, dafür, dass die Wünsche der Konsumenten bestmöglich erfüllt werden. Der Staat muss dafür sorgen, dass der Wettbewerb nicht durch Preisabsprachen und eine zu starke Ballung von Marktmacht ausgehebelt wird (Bundeskartellamt) und auch Menschen mit geringem Einkommen bzw. ohne eigenes Einkommen ein würdiges Leben führen können.

Zu Frage D5:

Es gehört zu den staatlichen Kernaufgaben, eine leistungsfähige Infrastruktur zu gewährleisten. Hier muss mehr investiert werden. Wichtig sind uns dabei unter anderem die Verkehrswege, für die wir den Aufwuchs der Investitionsmittel fortsetzen möchten. Höchste Priorität hat dabei für uns die Sanierung und Modernisierung von Bestandsstrecken.
Auch die digitale Ertüchtigung des Bildungswesens gehört für uns zu den dringlichsten Infrastrukturmaßnahmen. So muss das Antragsverfahren für den Digitalpakt I vereinfacht werden, damit die hier vorgesehenen Mittel endlich abfließen können, und weitere Mittel bereitgestellt werden, insbesondere zur Finanzierung digitaler Endgeräte für Lehrer und Schüler sowie digitaler Lernplattformen.
Auch über die Schulen hinaus hat die digitale Infrastruktur für uns Priorität: Der Bund muss dafür sorgen, dass Glasfasernetze und 5G-Mobilfunknetze auch dort ausgebaut werden, wo es für private Firmen unwirtschaftlich ist. Um das zu finanzieren sollten unter anderem die staatlichen Anteile an der Post und der Telekom verkauft werden und die Erlöse aus den Versteigerungen von Mobilfunkfrequenzen genutzt werden.
Bei allen Maßnahmen zum Infrastrukturausbau ist es wichtig festzuhalten, dass dieser in Deutschland nicht nur wegen fehlender finanzieller Mittel stockt. Vielmehr ist es oftmals so, dass bereitstehende Mittel nicht abgerufen werden können, weil Planungs- und Genehmigungsverfahren zu umständlich sind und zu lange dauern. Daher müssen auch diese Verfahren vereinfacht werden, damit der Infrastrukturausbau in Deutschland in die Gänge kommt.

Dr. Florian Toncar, MdB

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