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Florian Toncar
FDP
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Frage von Klaus K. •

Frage an Florian Toncar von Klaus K. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Toncar,

zur Bundestagswahl 2021 führen wir (Gemeinwohlökonomie Deutschland, Monetative e.V., Samuel-Pufendorf-Gesellschaft für politische Ökonomie e.V., Entrepreneurs4Future Stuttgart und Genossenschaft für Gemeinwohl) eine mehrstufige Befragung aller Bundestagsparteien zu den Themen Geld- und Finanzpolitik durch. Nachfolgend finden Sie das zweite Fragenpaket zum Themenbereich B. Maßnahmen zur Beseitigung sozialer Ungleichheit.

B. 1) Durch die Niedrigzinspolitik fällt es privaten Versicherungsunternehmen zunehmend schwerer, das ihnen anvertraute Geld gewinnbringend anzulegen und zu mehren, um zukünftige Rentenansprüche auszahlen zu können (die ja bereits durch die wesentlich höheren Nebenkosten der privaten Versicherungsunternehmen dezimiert sind). Mit welchen Maßnahmen, Konzepten oder Gesetzesänderungen wollen Sie in Zukunft die Pensionsansprüche gewährleisten und Altersarmut verhindern?

B. 2) Durch den Ausbau des Niedriglohnsektors und steigende Lebenshaltungskosten verschulden sich immer mehr private Haushalte (ca. 7 Mio. Haushalte in D. sind überschuldet). Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die zunehmende Verschuldung privater Haushalte einzugrenzen oder zu verhindern?

B. 3) Sieht Ihr Parteiprogramm vor, bestehende Ungleichheiten in Einkommens- und Vermögensverteilung durch konkrete Maßnahmen zu reduzieren? Wenn ja, welche?

B. 4) Finden Sie die politische Einführung eines Grundrechts auf Arbeit sinnvoll?

B. 5) Welche Konzepte für die Finanzierung öffentlichen, nachhaltigen und gemeinnützigen Wohnungsbaus halten Sie für zielführend?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Karwat,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne wie folgt beantworte:

Zu Frage B. 1:

Damit die Altersrente finanzierbar bleibt und jeder die Möglichkeit bekommt, den Lebensstandard nach dem Arbeitsleben zu halten, müssen alle drei Säulen der Altersvorsorge reformiert werden, ebenso wie die Anrechnung der privaten und gesetzlichen Rente auf die Grundsicherung im Alter.

Um die betriebliche Altersvorsorge attraktiver zu gestalten, möchten wir in der FDP-Bundestagsfraktion auch kleineren, tarifungebundenen Unternehmen die Möglichkeit einräumen, ihren Arbeitnehmern Betriebsrenten mit höherem Aktienanteil anzubieten. Dies ermöglicht langfristig höhere Renditen als andere Anlageformen. Zudem sprechen wir uns dafür aus, Krankenversicherungsbeiträge auf ausgezahlte Betriebsrenten vollständig abzuschaffen, wenn bereits in der Einzahlungsphase entsprechende Beiträge bezahlt wurden.

Für die private Altersvorsorge möchten wir insbesondere ein „Altersvorsorge-Depot“ einführen, in welchem die bisherigen staatlich geförderten Sparmodelle zusammengefasst und somit vereinfacht werden. In diesem Depot sollen Bürger aus ihrem Bruttoeinkommen Geld in Kapitalanlagen ihrer Wahl anlegen können, wobei die ihnen zustehenden Zulagen direkt durch das Finanzamt eingezahlt werden. Um langfristige Aktienanlagen zur Vorsorge attraktiver zu machen, möchten wir außerdem Aktiengewinne nach drei Jahren Haltefrist steuerfrei stellen.

Auch in der gesetzlichen Rentenversicherung möchten wir zur Stabilisierung einen kapitalgedeckten Anteil einführen: Zwei Prozent des Bruttoeinkommens sollten künftig in eine gesetzliche Aktienrente nach dem Vorbild Schwedens fließen: Dort besteht seit Ende der 1990er Jahre ein solcher gesetzlicher Fonds, dessen Kapital vollständig in Aktien fließt, hauptsächlich über weltweite Indexfonds zur Risikostreuung. Der restliche Rentenbeitrag soll weiterhin in die umlagefinanzierte Rente fließen (https://www.fdpbt.de/studie-gesetzliche-aktienrente-fuhrt-stabilisierung-und-entlastung).

Wichtig ist uns in der FDP-Bundestagsfraktion zudem, dass auch Personen mit niedrigem Einkommen, die auf die Grundsicherung im Alter angewiesen sind, finanziell bessergestellt werden (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/076/1907694.pdf). Dazu schlagen wir vor, den bestehenden Freibetrag in der Grundsicherung für zusätzliche Altersvorsorge auf alle Formen der privaten und freiwilligen Vorsorge auszuweiten, so dass sich auch für diese Personen die private Altersvorsorge stärker lohnt. Außerdem fordern wir, auch 20 % der gesetzlichen Rente nicht mehr auf die Grundsicherung anzurechnen sowie die Beantragung und Auszahlung von gesetzlicher Rente und von Grundsicherung im Alter bei der gesetzlichen Rentenversicherung zusammenzuführen. Das erleichtert es allen Anspruchsberechtigten, die ihnen zustehenden Leistungen zu erhalten.

Zu Frage B. 2:

Hierzu ist zunächst anzumerken, dass nicht derart viele Haushalte in Deutschland überschuldet sind: Es handelt sich um knapp 7 Millionen überschuldete Personen in Deutschland, nicht Haushalte (https://www.creditreform.de/fileadmin/user_upload/central_files/News/News_Wirtschaftsforschung/2020/SchuldnerAtlas_Deutschland/Analyse_SchuldnerAtlas_2020.pdf, Tabelle 18, S. 81). Einen Aufwärtstrend beim Anteil verschuldeter Personen an der volljährigen Bevölkerung gab es zwar über das vergangene Jahrzehnt, jedoch mit einer Stagnation bzw. sogar einem leichten Rückgang seit 2016. Zudem geht die Höhe der Schulden, unter denen Überschuldete leiden, seit Jahren erfreulich deutlich zurück (Tabelle 21, S. 83).
Dennoch ist eine Überschuldungsquote von ca. 10% aller Volljährigen natürlich trotzdem zu hoch. Die Hauptursache für Überschuldung stellt nach wie vor Arbeitslosigkeit dar, und ein dauerhaft niedriges Einkommen macht einen immer größeren Anteil der Überschuldungsfälle aus.

Daher brauchen wir bessere Aufstiegschancen für Personen in prekären Lebensverhältnissen. Dazu möchten wir in der FDP-Bundestagsfraktion sämtliche steuerfinanzierte Sozialleistungen in einer Leistung, dem Liberalen Bürgergeld, bündeln, und dadurch unbürokratischer gestalten. Dabei sollen die derzeitigen Zuverdienstgrenzen erhöht werden, damit Leistungsbezieher einfacher schrittweise durch Arbeit wieder auf eigenen Füßen stehen können. Ebenso möchten wir das Schonvermögen erhöhen.
Zudem brauchen wir ein deutlich leistungsfähigeres Bildungssystem, welches die Grundvoraussetzung für sozialen Aufstieg und Selbstbestimmung darstellt. Unsere Kernforderungen in diesem Bereich sind die finanzielle Stärkung von Schulen und Kitas, mehr pädagogische, personelle und finanzielle Freiheiten für Schulen, und die gezielte Förderung von Kindern in Stadtteilen mit sozialen Problemen sowie von Menschen mit Behinderungen und Lernschwächen.

Je besser die Einkommenschancen und Möglichkeiten für Vermögensbildung sind, desto besser sind Menschen gegen Überschuldung gewappnet. Denjenigen, die dennoch die Überschuldung trifft, muss schnellstmöglich eine neue wirtschaftliche Chance ermöglicht werden. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir in der FDP-Bundestagsfraktion es, dass die Bundesregierung unter dem Eindruck der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr frühzeitig die nach EU-Recht gebotene Reform der Privatinsolvenz mit Restschuldbefreiung vorgenommen hat. Wir hätten uns noch weitere Erleichterungen gewünscht und haben dazu einen Änderungsantrag gestellt, der leider abgelehnt wurde: https://dserver.bundestag.de/btd/19/253/1925377.pdf
Dieser betrifft unter anderem die frühzeitige Löschung von Informationen über das Restschuldverfahren in privaten Wirtschaftsauskunfteien, damit die Betroffenen nach abgeschlossenem Privatinsolvenzverfahren nicht weiter bei Vertragsabschlüssen benachteiligt werden und tatsächlich wieder voll am Wirtschaftsleben teilnehmen können. Ebenso haben wir gefordert, die Verlängerung der Sperrfrist für ein mögliches zweites Restschuldverfahren zu streichen.

Zu Frage B. 3:

Wie ich in der Antwort auf die vorherige Frage ausgeführt habe, möchten wir durch umfassende Reformen im Sozial- sowie im Bildungssystem Menschen in prekären Einkommensverhältnissen den sozialen Aufstieg erleichtern. Zudem möchten wir den privaten Vermögensaufbau in der Breite fördern und möglichst vielen Personen finanzielle Unabhängigkeit ermöglichen. Je mehr Personen am Kapitalmarkt partizipieren, desto besser.

Ein wichtiger Baustein dafür sind Altersvorsorgeansprüche, die bereits in Frage B. 1 thematisiert wurden. 2002 wurde die Riester-Rente mit der richtigen Intention eingeführt, die private Altersvorsorge in Deutschland zu stärken. Aufgrund der Zuschüsse für geringe und mittlere Einkommen ist diese im Grundsatz gut dafür geeignet, der Ungleichheit der Vermögensverteilung entgegen zu wirken. Doch ihre Akzeptanz bei Sparern leidet aufgrund der starren Vorgaben und der Komplexität der Zulagen. Das möchten wir in der FDP ändern: Anstelle der verpflichtenden Beitragsgarantie, die in der Niedrigzinsphase rentable Anlagen zunehmend erschwert, möchten wir Anlegern Wahlfreiheit gewähren: Sie sollen die Möglichkeit haben, zwischen Produkten ohne Garantie, mit Teilgarantie oder vollem Kapitalschutz frei zu entscheiden. Außerdem möchten wir die Verrentungspflicht abschaffen, so dass Sparer ihren Lebensabend flexibel gestalten können. Weiterhin fordern wir, das Zulagensystem zu vereinfachen: Die Kinderzulage soll pauschal bis zu einer Altersgrenze von 25 Jahren gezahlt werden und nicht mehr vom Geburtsjahr der Kinder abhängen. Außerdem sollen die Zulagen direkt über das Finanzamt in die Verträge gespart werden, vergleichbar zu der Regelung bei vermögenswirksamen Leistungen.
Langfristig möchten wir die Riester-Rente in das unter B. 1 beschriebenes Altersvorsorge-Depot überführen, in dem die bisherigen staatlich geförderten Sparmodelle zusammengefasst werden sollen und Bürger unbürokratisch aus ihrem Bruttoeinkommen Geld in Kapitalanlagen ihrer Wahl anlegen können.

Ein weiterer wichtiger Schritt um breiteren Bevölkerungsschichten den privaten Vermögensaufbau zu erleichtern sind bessere Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Unternehmen: Dazu brauchen wir insbesondere einen höheren Steuerfreibetrag sowie eine Besteuerung der Beteiligung als Kapitaleinkünfte anstatt mit dem höheren Einkommensteuersatz. Die Besteuerung darf zudem erst dann eintreten, wenn die Anteile veräußert werden.

Zudem ist uns die Förderung des privaten Wohneigentums wichtig: Dazu fordern wir einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer beim Erwerb selbst genutzten Wohneigentums in Höhe von 500 000 Euro.

Zu Frage B. 4:

Nein. Ich finde es wichtig, dass die Politik Maßnahmen trifft, die Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen fördern. Den Mehrwert eines grundgesetzlich verankerten Rechts auf Arbeit sehe ich jedoch nicht.

Zu Frage B. 5:

Angesichts des eklatanten Wohnraummangels in den großen Städten und Ballungsgebieten ist es uns in der FDP-Bundestagsfraktion sehr wichtig, den Wohnungsbau zu vereinfachen, unabhängig davon, ob die Bauträger öffentlich, genossenschaftlich, oder privatwirtschaftlich organisiert sind. Um gerade Vermieter zu unterstützen, die ihre Wohnungen zu sehr günstigen Preisen vermieten, möchten wir deren steuerliche Benachteiligung beenden: Die Regelung im Einkommensteuergesetz, laut der Vermieter, welche weniger als 50% der ortsüblichen Miete verlangen, ihre Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung nur anteilig abziehen können, möchten wir auf Mietverhältnisse zwischen nahen Angehörigen beschränken (https://www.fdpbt.de/sites/default/files/2020-10/1923677.pdf - zum Zeitpunkt der Einbringung des Gesetzentwurfes lag die Schwelle noch bei 66%, daher bezieht sich die Gesetzesbegründung noch auf diesen Wert).
Zudem möchten wir in der FDP-Bundestagsfraktion mit mehreren Maßnahmen generell günstigeren Wohnraum schaffen: Dazu gehören unter anderem die Vereinfachung von Bauvorschriften, schnellere Genehmigungsverfahren, und die Bereitstellung von mehr Bauland. Zudem möchten wir den steuerlichen Abschreibungssatz für Wohnungsbau erhöhen, die Umwandlung von Büro- und Gewerbeflächen in Wohnungsfläche baurechtlich vereinfachen, und die Infrastruktur im ländlichen Raum fördern, damit dieser attraktiver wird und sich der Druck auf den Wohnungsmarkt in Ballungsräumen vermindert. Genaueres dazu können Sie in unserem Positionspapier nachlesen: https://www.fdpbt.de/sites/default/files/2021-05/Beschluss_Wohnungsbau_foerdern.pdf

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