Frage an Florian Toncar von Werner R. bezüglich Lobbyismus & Transparenz
Guten Tag Herr Toncar,
meine vordringlichsten Themen sind :
1. Transparenz: Offenlegung sämtlicher Einkünfte unserer Parlamentarier + Offenlegung aller Kontakte in die Industrie
2. Reduzierung des Bundestages auf max. 500 Abgeordnete
3. Regeln gegen Verschwendung, gravierende Fehlplanungen und Dummheit im Amt (Scheuer)
4. Bürokratieabbau
Es würde mich freuen zu diesen Themen eine Stellungnahme von Ihnen zu erhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Roßberg
Sehr geehrter Herr Roßberg,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Gerne gehe ich auf die von Ihnen genannten Themen ein:
Bezüglich der Transparenzregelungen für Mitglieder des Deutschen Bundestages sehen auch wir in der FDP-Bundestagsfraktion noch viel Handlungsbedarf. Es ist wichtig, dass sich die Bürger einen Überblick über mögliche Interessenskonflikte der von ihnen gewählten Repräsentanten machen können. Zurecht sehen das Abgeordnetengesetz sowie die Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages daher vor, dass Tätigkeiten und Einkünfte neben dem Mandat offengelegt werden müssen, ebenso wie bestimmte Informationen über Tätigkeiten vor der Mitgliedschaft im Bundestag. Die Offenlegungspflicht für Einkünfte umfasst jedoch nach Ansicht der Bundestagsverwaltung derzeit keine Aktienoptionen und andere Finanzinstrumente, bei deren Erwerb noch nicht unmittelbar Vermögen zufließt. Im Zuge der problematischen geschäftlichen Verbindungen von Philipp Amthor zur Firma Augustus Intelligence wurde diese Lücke verstärkt diskutiert. Wir in der FDP-Bundestagsfraktion möchten das ändern und im Abgeordnetengesetz klarstellen, dass sämtliche vermögenswerten Vorteile offengelegt werden müssen (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/278/1927836.pdf).
Außerdem fordern wir mehr Transparenz bei Lobbykontakten und im Gesetzgebungsprozess allgemein: Das kürzlich von der Koalition beschlossene Lobbyregister, in dem sich Interessensvertreter eintragen und über Ihre Finanzierungsquellen sowie Aufwendungen im Bereich der Interessenvertretung Auskunft geben müssen, ist zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung. Dieser geht uns jedoch nicht weit genug. Zum einen enthält das Gesetz zu viele Ausnahmen für einige große Verbände wie Kirchen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen. Weiterhin fehlen wirksame Sanktionen, wenn Interessenvertreter ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Außerdem fordern wir, dass die Stellungnahmen, die Verbände gegenüber der Bundesregierung zu Gesetzentwürfen abgeben, verpflichtend veröffentlicht werden müssen. Dazu haben wir den folgenden Antrag gestellt: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/157/1915773.pdf
Auch zur Reduzierung der Größe des Bundestages haben wir gemeinsam mit den Fraktionen der Grünen und Linken einen Vorschlag vorgelegt: https://www.fdpbt.de/sites/default/files/2021-03/1914672_0.pdf
Dieser Gesetzentwurf sieht vor, die Anzahl der Wahlkreise zu verringern, so dass deutlich weniger Überhangmandate entstehen. Zudem möchten wir das Mindestsitzzahlverfahren abschaffen, welches bisher im Verfahren der Sitzzuteilung bei der Bundestagswahl zur Vergabe zusätzlicher Sitze führt, um eine vorab festgelegte Mindestzahl pro Bundesland zu erreichen. Dieser Vorschlag, den die Koalition leider mit ihrer Mehrheit abgelehnt hat, würde den Bundestag effektiv verkleinern, im Gegensatz zur unwirksamen Reform, welche die Regierungsfraktionen im Oktober vergangenen Jahres verabschiedet haben.
Weiterhin fordern Sie Regeln gegen Geldverschwendung und Fehlplanungen, wie sie im Verantwortungsbereich von Bundesverkehrsminister Scheuer aufgetreten sind. Die Geschehnisse rund um die gescheiterte PKW-Maut arbeiten unsere Vertreter im Untersuchungsausschuss intensiv auf. Unserer Ansicht nach hat Minister Scheuer gegen bereits bestehende Regeln des Europarechts, Vergaberechts und Haushaltsrechts verstoßen. Dass dies bisher keine politischen Konsequenzen hat, liegt an der Koalition und kann letztlich nur der Wähler bei der nächsten Bundestagswahl sanktionieren. Unser Obmann im Untersuchungsausschuss, Christian Jung, hat Herrn Scheuer bereits ausdrücklich zum Rücktritt aufgefordert, ebenso wie unser verkehrspolitischer Sprecher Oliver Luksic.
Auch der Bürokratieabbau ist uns in der FDP-Bundestagsfraktion ein wichtiges Anliegen. Wir fordern, dass für neue bürokratische Belastungen das Prinzip „one in, two out“ eingeführt wird: Für jede neue Regelung, die Erfüllungsaufwand bei Unternehmen verursacht, sollen zwei andere Regelungen gestrichen werden, damit die bürokratische Belastung im Zeitverlauf zurückgeht. Außerdem fordern wir die Bundesregierung auf, Europäisches Recht grundsätzlich eins zu eins umzusetzen, ohne zusätzliche Belastungen auf nationaler Ebene zu ergänzen.
Konkret möchten wir Unternehmen entlasten, indem unter anderem Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege und andere steuerrelevante Unterlagen verkürzt werden sowie die rein elektronische Aufbewahrung von Belegen und Geschäftsunterlagen leichter ermöglicht wird. Zudem möchten wir die Dokumentationspflichten beim Mindestlohn vereinfachen und fordern die Bundesregierung auf, gerade angesichts der Corona-Krise alle neuen Belastungen für Unternehmen durch zusätzliche Informationspflichten zu stoppen und bestehende Regelungen in dieser Hinsicht kritisch überprüfen.
Diese und weitere Forderungen haben wir bereits 2019 in den Bundestag eingebracht, nachdem die Bundesregierung mit dem "Dritten Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie" zwar ein paar Schritte in die richtige Richtung gegangen ist, die uns jedoch bei Weitem nicht reichen (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/140/1914031.pdf). Angesichts der Belastungen, welche die Corona-Krise für viele Unternehmen mit sich bringt, haben wir diese Forderungen letztes Jahr noch mal bekräftigt (vgl. https://www.fdpbt.de/sites/default/files/2020-09/Beschluss%C2%A055%20Fesseln%20l%C3%B6sen%20%E2%80%93%20Das%20Corona-Entb%C3%BCrokratisierungsprogramm%20%281%29.pdf, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/205/1920581.pdf).
In diesem Sinne verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Florian Toncar