Frage an Florian Toncar von Tim K. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Hr. Toncar,
Das Land ist nun seit knapp 5 Monaten im zweiten Lockdown. Seit Weihnachten wird gepredigt das wir eine Inzidenz von 50 pro 100.000 Einwohner erreichen müssen damit der Lockdown beendend werden kann. Seit letztem Mittwoch liegt die Magische Zahl bei 35 pro 100.000 Einwohner. Im Landkreis Böblingen liegt der Inzidenz Wert seit einigen Tagen bei unter 35, in Baden-Württemberg ist ein Wert von 50 fast erreicht.
Als Bürger finde ich dieses Vorgehen absolut nicht in Ordnung! Es ist auch klar, dass nicht alle Einschränkungen zurückgenommen werden können, aber die Menschen wollen eine Perspektive und keinen Dauer Lockdown.
Für viele Bürger ist diese Lage wirtschaftlich und seelisch eine große Belastung. Der Lockdown kann nicht bis zum St. Nimmerleinstag verlängert werden! Sicherlich ist die Mutante Variante des Corona Virus auch ernst zu nehmen. Jedoch vermisse ich von der Politik ein Vorgehen mit Verstand und Augen Maß. Zum Beispiel waren Gastronomie, Einzelhandel, Fitnessstudios nicht die Infektionsherde. Alle Betreiber hatten nach dem 1 Lockdown ein Hygiene Konzept, das auch funktioniert hat.
Ich bitte daher um Beantwortung der folgenden Fragen:
Am 7.03.2021 soll der jetzige Lockdown beendet werden. Unter der Annahme das die Zahlen weiter sinken bzw. stabil bleiben. Stimmen Sie dann für eine Lockerung?
Welche Maßnahmen müssen aus Ihrer Sicht ergriffen werden, damit wir möglichst ohne weiteren Lockdown durch das Jahr 2021 kommen?
Corona wird nicht die Letzte Pandemie sein. Welche Lehren müssen gezogen werden, damit das Land in der nächsten Pandemie besser vorbereitet ist?
Durch die Wirtschaftshilfen wurden Milliardenkredite aufgenommen. Wie sollen diese Schulden ohne Steuererhöhung für die Unter und Mittelschicht zurückgezahlt werden?
Sehr geehrter Herr Kröske,
vielen Dank für Ihre Fragen zur Bewältigung der Corona-Pandemie, auf die ich gerne eingehe.
Ich sehe die Lage ähnlich wie Sie: Wir müssen die Gefahr des Coronavirus weiterhin ernst nehmen, brauchen aber gleichzeitig eine Perspektive für ein Ende der Einschränkungen und eine Strategie zur Bekämpfung der Pandemie, die sich an nachvollziehbaren Kriterien orientiert. Die jüngsten Beschlüsse der Bund-Länder-Runde diesbezüglich halte ich für enttäuschend und weit hinter dem zurückbleibend, was möglich und nötig gewesen wäre.
Wir in der FDP-Bundestagsfraktion haben ein eigenes Stufenkonzept für regional differenzierte Öffnungen vorgelegt. Dieses bewertet das Infektionsgeschehen in den einzelnen Land- und Stadtkreisen nach verschiedenen Kriterien: Dazu gehören die 7-Tage-Inzidenz pro 100 000 Einwohnern, die Inzidenz bei über 60-Jährigen, für die eine besonders hohe gesundheitliche Gefahr besteht, das Verhältnis der Zahl der Neuinfektionen zur Testhäufigkeit, die Auslastung des Gesundheitswesens vor Ort, die Streuung der Infektionen (finden die Infektionen in klar abgrenzbaren Gruppen von Menschen statt, oder sind sie diffus in der Bevölkerung verteilt), und die Kapazitäten der Gesundheitsämter. Das von Bund und Ländern vorgestellte Stufenkonzept halten wir dagegen für ungeeignet, da es sich ausschließlich an der 7-Tage-Inzidenz orientiert, und zu hohe Voraussetzungen für Öffnungen vorsieht.
Welche Maßnahmen unser Konzept im Einzelnen auf verschiedenen Infektionsstufen vorsieht, können Sie unserem Antrag entnehmen: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/265/1926536.pdf
Zwar ist es positiv, dass Bund und Länder nun überhaupt erste vorsichtige Öffnungsschritte veranlasst haben. Viele wichtige Bereiche bleiben jedoch außen vor, insbesondere die Innengastronomie, weite Teile der Kultur und der Tourismus. Wir in der FDP-Bundestagsfraktion fordern auch hier Öffnungsperspektiven in Verbindung mit Hygiene- und Testkonzepten.
Damit die Pandemie schnellstmöglich eingedämmt wird und wir weitere Lockdowns vermeiden können, muss insbesondere die Impfkampagne endlich Fahrt aufnehmen: Dazu brauchen wir ein nationales Impfportal für einen leichteren Zugang zu Impfterminen und eine Nachrückliste für nicht genutzte Termine. Zudem müssen mit zunehmender Verfügbarkeit des Impfstoffes auch die Hausärzte verstärkt in die Impfstrategie einbezogen werden. Außerdem müssen Schnelltests auch zur Selbstanwendung schnellstmöglich flächendeckend verfügbar werden (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/268/1926878.pdf). Hier handelt die Bundesregierung viel zu langsam.
Schon vergangenes Jahr haben wir zudem ein Konzept für eine effizientere Kontaktverfolgung und Verbesserungen bei der Corona-Warn-App vorgelegt (https://www.fdpbt.de/sites/default/files/2020-10/Beschluss%C2%A0Corona-Warn-App%202.0.pdf).
Auch zur von Ihnen angesprochenen Vorbereitung auf weitere Pandemien haben wir einen umfangreichen Antrag vorgelegt (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/189/1918950.pdf). Dieser spricht auch einige Maßnahmen auf internationaler und europäischer Ebene an, um Pandemieausbrüche möglichst frühzeitig in Zusammenarbeit mit anderen Staaten zu bekämpfen. Auf nationaler Ebene fordern wir unter anderem die personelle, finanzielle und digitale Ertüchtigung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, eine Pflegeausbildungsoffensive, sowie die Bevorratung wichtiger Schutzausrüstung wie Masken, Schutzkitteln und Desinfektionsmitteln.
Zu Ihrer letzten Frage bezüglich der Neuverschuldung infolge der Corona-Krise ist zu sagen, dass die Große Koalition diese deutlich höher als nötig getrieben hat. Wir in der FDP-Bundestagsfraktion haben bei den Haushaltsberatungen im Dezember ein Konzept vorgelegt, die Neuverschuldung drastisch zu reduzieren. Unter anderem fordern wir dazu, vorhandene Rücklagen aufzulösen und Subventionen wie das Baukindergeld oder die Kaufprämie für Elektrofahrzeuge abzuschaffen. Zudem fordern wir Änderungen an den Wirtschaftshilfen der Bundesregierung: Für diese hat sie hohe Schulden aufgenommen, die Mittel werden jedoch nur zu einem geringen Teil abgerufen, da viele Unternehmen die Voraussetzungen nicht erfüllen und die Beantragung viel zu bürokratisch ist.
Um die Neuverschuldung im Anschluss an die Corona-Krise abzubauen, muss vor allem die Wirtschaft wieder in Gang kommen, damit wir aus den Schulden hinauswachsen können. Daher sprechen wir uns für gezielte Unternehmenshilfen in Form einer negativen Gewinnsteuer aus, ebenso wie für steuerliche Entlastungen gerade für kleinere und mittlere Einkommen. Wir haben bei den Haushaltsberatungen mit eigenen Anträgen gezeigt, dass trotz dieser Entlastungen und Hilfszahlungen ein Haushalt mit deutlich geringerer Neuverschuldung möglich ist. Details dazu können Sie in unserem Infopapier zu diesem Thema nachlesen: https://www.fdpbt.de/infopapier/bundeshaushalt-2021-fragen-und-antworten
Wir in der FDP-Bundestagsfraktion werden uns weiterhin für ein gezielteres Vorgehen gegen die Corona-Pandemie mit konkreten Öffnungsperspektiven einsetzen, ebenso wie für eine Begrenzung der Neuverschuldung im Zuge der Pandemiebekämpfung.
In diesem Sinne verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Florian Toncar