Frage an Florian Toncar von Till E. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Toncar,
ich würde gerne von Ihnen als finanzpolitischer Sprecher der FDP Bundestagsfraktion wissen, was sie von dem Vorschlag zur Einführung von Corona-Bonds halten, wie sie von führenden Ökonomen in einem Gastbeitrag in der FAZ beschrieben wurde. (https://www.iwkoeln.de/presse/in-den-medien/beitrag/michael-huether-europa-muss-jetzt-finanziell-zusammenstehen.html)
Insbesondere in der aktuellen Krise in Italien und dem zu erwartenden wirtschaftlichen Einbruch in den südlichen Staaten der EU wäre doch eine zeitlich begrenzte, zielgerichtete gemeinsame Schuldenaufnahme für Bekämpfung dieses unverschuldeten externen Schocks sinnvoll. Das Argument, es sei eine Vergemeinschaftung von alten Schulden greift zudem nicht.
Ich bitte Sie, den Vorschlag zu prüfen und mir zu erklären, was dagegen spräche. Und falls sie nichts dagegen haben, bitte ich Sie sich dafür einzusetzen, Druck auf die Bundesregierung auszuüben, ein solches Vorgehen zu befürworten. Es geht darum eine Rezession in Europa mit all den politischen Folgen zu klein wie möglich zu halten.
Sehr geehrter Herr Eichler,
vielen Dank für Ihre Frage zu sog. Coronabonds. Wir Freie Demokraten lehnen diese Art der Schuldenvergemeinschaftung, ob unter dem Namen Coronabonds oder Eurobonds, entschieden ab. Hierfür gibt es mehrere Gründe:
1. Für Krisensituationen, in denen Staaten in Finanzierungsschwierigkeiten geraten, gibt es bereits adäquate Möglichkeiten: So kann der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) Kredite vergeben. Auch über die Europäische Investitionsbank können privatwirtschaftliche Investitionen getätigt werden und die Wirtschaft in der Krise stützen. Im äußersten Notfall geben es die Europäischen Verträge auch her, dass sich EU-Mitgliedstaaten gegenseitig Nothilfe leisten. Und neben den europäischen Institutionen vergibt auch der Internationale Währungsfonds günstige Kredite. Weshalb diese Institutionen, die wir Europäer und die Weltgemeinschaft extra für solche Krisen geschaffen haben, nicht genutzt werden sollen, kann ich nicht verstehen. Im einem privaten Schadensfall nutzt doch jeder Bürger auch seine zuvor abgeschlossene Versicherung.
2. Wenn die Steuerzahler aller Mitgliedstaaten für Schulden aller anderen Staaten haften würden, wäre die Einheit von Handeln und Haften gestört. Es gäbe für keine Regierung im Euroraum mehr einen Grund, vernünftig zu haushalten und Reformen anzupacken - schließlich haften ja die Steuerzahler anderer Staaten mit für die eigenen Schulden. So würde aber am Ende die gesamte Eurozone massiv an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit verlieren.
3. Europäische Solidarität ist keine Einbahnstraße. Solidarität bedeutet auch, dass alle ihre Verpflichtungen aus dem Stabilitätspakt erfüllen, also ihre Neuverschuldung zurückfahren und ihre Altschulden abbauen, damit sie in einer Krise die Möglichkeit haben, zu reagieren. Das ist in einer schweren Krise natürlich schwierig, aber in guten Zeiten muss eben in Sinne einer Risikovorsorge auch manchmal in schmerzhaften Kompromissen auf das eine oder andere teure Projekt verzichtet werden - die entsprechenden Diskussionen um die "schwarze Null" in den letzten Jahren in Deutschland haben Sie sicher verfolgt.
4. Dass europäische gemeinsame Anleihen überhaupt hilfreich bei der Liquiditätssicherung sein werden, ist keineswegs gesichert. So hat die große Ratingagentur Standard & Poor's vor wenigen Jahren simulierte Eurobonds auf "Ramschniveau" bewertet. Eventuell wären Eurobonds also nicht vertrauenswürdiger als klassische Staatsanleihen.
Weitaus besser, schneller und vernünftiger als die Einführung eines umstrittenen neuen Instruments ohne klare Vorteile wäre es, die bestehenden und erprobten Mittel zu nutzen: Hilfen an Staaten über den ESM, gebunden an klare Konditionen, Unterstützung von privatwirtschaftlichen Investitionen über die Europäische Investitionsbank und eine wirtschaftsfreundliche Strukturpolitik.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Florian Toncar