Frage an Florian Toncar von Andreas H. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Toncar,
warum haben Sie im Bundestag gegen die Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen gestimmt?
Ich sehe keinen Grund, welcher für eine Beibehaltung sprechen könnte.
Die Durschnittsgeschwindigkeit ist viel relevanter für die Reisezeit als die jeweilige Maximalgeschwindigkeit.
Außerdem gäbe es jede Menge Vorteile:
- Verkehrssicherheit
- Verringerung der Verkehrstoten
- Ökonomische und ökologische Einsparpotentiale
Wie wollen Sie die Ziele der CO2-Reduktion im Verkehrssektor erreichen, ohne ein Tempolimit?
Nennen Sie bitte jetzt vordringliche Einsparmaßnahmen im Verkehr, welche vom Bund kommen und nicht auf freiwilligen Selbstverpflichtungen oder privatem Verhalten basieren!
Mit freundlichen Grüßen
A. H.
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Tempolimit auf Autobahnen, auf die ich gerne eingehe.
Die Diskussion über Tempolimits wird in Deutschland seit jeher geführt. Wie auch in Ihrer Nachricht steht häufig das Argument der Verkehrssicherheit und der Verringerung der Verkehrstoten an erster Stelle.
Fakt ist aber, dass Autobahnen die mit Abstand sichersten Straßen in Deutschland sind. Dies liegt auch an den lokalen Tempolimits, die auf vielen Streckenabschnitten notwendig und gerade bei Gefahrenstellen unumgänglich sind.
Ein generelles Tempolimit für Autobahnen halte ich jedoch für falsch. Länder wie Österreich oder die USA schneiden trotz Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht besser ab als Deutschland und innerdeutsche Strecken mit Tempolimit nicht besser als Streckenabschnitte ohne Tempolimit. Fakt ist, dass die Autobahnen schon heute die sichersten Straßen sind. Jeder dritte Pkw-Kilometer wird auf ihnen zurückgelegt, aber nur 12,3 % aller Verkehrstoten und 6,9 % aller Unfälle mit Personenschaden überhaupt werden auf Autobahnen gezählt. Die gefährlichsten Straßen sind seit Jahren die Landstraßen, auf denen rund 60 % der Verkehrstoten zu beklagen sind und auf denen es ja auch schon heute ein Tempolimit gibt.
Auch der Blick in andere Länder mit Tempolimit kann die These nicht stützen. So lagen die Unfallzahlen beispielsweise in Frankreich mit 5,5 Unfalltoten und Österreich mit 5,2 Unfalltoten auf je 100.000 Einwohner höher als in Deutschland mit 4,1 je 100.000 Einwohnern. Ein großes Problem ist die Handynutzung. In Österreich zeigt sich hier eine ständige Zunahme, dort werden inzwischen pro Tag knapp 200.000 Textnachrichten verschickt und knapp 900.000 Anrufe ohne Freisprecheinrichtung geführt. Alleine die Textnachrichten sind für ca. 14.000 km "Blindflug" im Straßenverkehr verantwortlich.
Sie führen außerdem den CO2-Ausstoß als Argument für ein Tempolimit an.
Das Umweltbundesamt kam allerdings in einer Untersuchung bereits im Jahr 2009 zu dem Ergebnis, dass ein Tempolimit von 120 km/h für Pkw auf Autobahnen eine CO2 Einsparung von gerade mal 9 % erbringen würde. Bedenkt man, dass nur rund ein Drittel aller Pkw-Fahrstrecken auf Autobahnen zurückgelegt werden, so läge die tatsächliche Minderung bei lediglich 3 %. Der Lkw-Verkehr ist hier noch nicht einmal berücksichtigt, der ja bereits heute einem Tempolimit unterliegt.
Eine CO2-Reduktion im Verkehrssektor möchten wir hingegen erreichen, indem dieser in das Europäische Emissionshandelssystem mit aufgenommen wird, welches den CO2-Ausstoß verbindlich deckelt. Nur so können durch Marktanreize Emissionen an der Stelle eingespart werden, wo es am effizientesten ist. Dem Klima ist es letztendlich egal, wo das CO2 eingespart wird. Das Tempolimit verliert auch dann automatisch an klimapolitischer Wirkung, sobald in Zukunft mehr Autos mit Elektro- bzw. Wasserstoffantrieb oder synthetischen Kraftstoffen auf den Straßen unterwegs sind.
Weiterhin gibt es bereits heute eine Vielzahl an Einschränkungen, die richtig sind und sich für die Sicherheit auf den Straßen seit Jahren bewährt haben. Dazu gehören z. B. die Auffahrverbote, Abstandskontrolle, Überholverbote sowie die Sonn- und Feiertagsfahrverbote für Lkw. Nach § 3 der Straßenverkehrsordnung gibt es, neben der Verordnung über eine allgemeine Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen und ähnlichen Straßen (Autobahn-Richtgeschwindigkeits-V) von 130 km/h, zusätzliche situative Geschwindigkeitsbegrenzungen: „Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Beträgt die Sichtweite durch Nebel, Schneefall oder Regen weniger als 50 m, darf nicht schneller als 50 km/h gefahren werden, wenn nicht eine geringere Geschwindigkeit geboten ist.“ Es ist also bereits heute geregelt, dass die Geschwindigkeit den jeweiligen Verhältnissen Rechnung tragen muss. Wer dennoch auf der Autobahn drängelt und andere Teilnehmer im Straßenverkehr nötigt, muss mit einer Strafe nach § 240 StGB rechnen. Aber wenn es Verkehrsaufkommen und Wetter zulassen, sollte man auch in Zukunft schneller als 130 km/h fahren dürfen.
Statt starrer Tempolimits plädiere ich deshalb für eine dynamische Verkehrslenkung, die sich nach Gefahren wie Nässe oder Verkehrsaufkommen richtet. So lassen sich die Limits flexibel und digital steuern, um so für einen besseren und sicheren Verkehrsfluss zu sorgen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen meinen Standpunkt näherbringen.
In diesem Sinne verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Florian Toncar