Frage an Florian Toncar von Jutta K. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Toncar,
Ihre Partei setzt in der momentanen Haushaltsdiskussion ganz auf Sparmaßnahmen statt Steuererhöhungen. 2016 soll der Bund in die Finanzierung des Schienenbauprojekts „Neubaustrecke Wendlingen – Ulm“ einsteigen. Glauben Sie angesichts der Sparzwänge noch daran, dass der Bund ab 2016 dieses Vorhaben finanzieren wird? Die Frage ist deswegen jetzt aktuell, weil mit dem Beginn der Baumaßnahmen für Stuttgart 21 in Stuttgart Fakten geschaffen werden für ein Bahnhofsprojekt, das nur in Zusammenhang mit der Neubaustrecke Sinn macht. Andernfalls, wenn nur Stuttgart 21 realisiert wird, befürchte ich schwerwiegende negative Auswirkungen auf die Verkehrsinfrastruktur in der Region Stuttgart. Teilen Sie diese Auffassung und wären Sie gegebenenfalls bereit sich für ein Baumoratorium bei Stuttgart 21 einzusetzen?
Mit freundlichen Grüßen, Jutta Klein
Sehr geehrte Frau Klein,
ich bin bekanntermaßen immer schon ein überzeugter Befürworter des Projekts Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm gewesen. Beide Projekte machen in der Tat nur in Verbindung miteinander Sinn. Sie sind aber auf Jahrzehnte hinaus für die weitere wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Baden-Württemberg elementar. Es wird im Süden Deutschlands nicht beliebig viele Hochgeschwindigkeitsstrecken auf der Ost-West-Achse geben können, sondern vermutlich nur eine. Wenn diese Strecke nicht durch Baden-Württemberg verläuft, sondern um das Land herum, wäre dies ein schwerer Schlag für die langfristige Perspektive des Wirtschaftsstandorts und des Lebensraumes Baden-Württemberg. Im Übrigen sind die mit beiden Projekten verbundenen Fahrzeitverkürzungen ganz beträchtlich und nutzen nahezu dem gesamten Land Baden-Württemberg. Die durch dieses Projekt erzielbaren Erfolge konzentrieren sich daher bei weitem nicht auf den Großraum Stuttgart. Der wirtschaftliche Schaden, der dem Land entstünde, wenn die beiden Bauprojekte nicht kämen, wäre langfristig ein Vielfaches dessen, was jetzt investiert werden muss. Die ökonomische Bedeutung der beiden Schienenbauprojekte muss man bei allen nachvollziehbaren Diskussionen um Kostensteigerungen im Blick behalten. Stuttgart 21 und Wendlingen-Ulm werden für das Land in einer Gesamtbetrachtung nicht nur deutliche Renditen abwerfen, sondern sie sind sogar notwendige Voraussetzung dafür, dass unser exportorientiertes Land in einem Europa, dessen Mobilitätsanforderungen sich dramatisch verändern, weiter mithalten kann.
Das Land hat die Bedeutung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm dadurch unterstrichen, dass es für die Finanzierung dieses Projekts freiwillig fast eine Milliarde Euro vorab zur Verfügung stellt. Das ist ein Angebot, dass der Bund durch die Zusage, das Projekt zeitgleich mit den Arbeiten zu Stuttgart 21 durchzuführen, beantwortet hat. Alle Beteiligten sind sich einig, dass es bei den getroffen Absprachen bleiben soll. Schon deshalb stellt sich die Frage nach einem Baumoratorium bei Stuttgart 21 nicht.
Die Bundesregierung hat vor fünf Wochen ein Sparpaket im Umfang von 80 Milliarden Euro für die Jahre 2011 bis 2014 vorgestellt, das ohne Kürzung bei den Infrastrukturmitteln für Schienenbauprojekte auskommt. Es wäre auch töricht, in einer wirtschaftlich weiterhin schwierigen Zeit ausgerechnet bei den Investitionen zu sparen. Das wäre eine kurzsichtige Haushaltspolitik, die den Staat vermutlich am Ende sogar mehr kosten würde, als er durch den Verzicht auf die Investitionen einsparen würde. Insgesamt sehe ich nicht, dass der gebotene Konsolidierungskurs beim Bundeshaushalt die Projekte Stuttgart 21 bzw. Wendlingen-Ulm verzögern wird.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Toncar