Frage an Florian Toncar von Jürgen F. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Hr. Toncar,
wie stehen Sie persönlich zur Finanztransaktionssteuer? Aus der FDP hört man zu diesem Thema einige wenig verständliche/logische Aussagen, wie dass Kleinsparer und Leute mit Lebensversicherungen die Hauptleidtragenden einer solchen Steuer wären. Was denken Sie darüber? Meint die FDP das ernst? Soll ich dann die FDP noch ernstnehmen?
Hochachtungsvoll,
Jürgen Franze
Sehr geehrter Herr Franze,
vielen Dank für Ihre Frage bezüglich der Finanztransaktionssteuer. Es ist in Deutschland und international unstrittig, dass es eine neue Abgabe für Banken geben wird. Die offene Frage ist alleine, worauf sie erhoben werden soll. Dabei wird zu Recht fortwährend darauf hingewiesen, dass die Einführung einer solchen Steuer problematisch ist, wenn sie zu Wettbewerbsverzerrungen oder Ausweichmanövern führt. Das heißt, dass am besten alle großen Wirtschaftsregionen mit einbezogen werden müssten.
Die Bundesregierung treibt auf internationaler Ebene diese Gespräche voran. Die Staats- und Regierungschefs haben auf den vergangenen G20-Gipfeltreffen umfassende Reformen im Bereich der Finanzmarktregulierung beschlossen. Die Abstimmung konkreter Maßnahmen und deren Umsetzung auf internationaler und nationaler Ebene sind derzeit im Gange. Insbesondere die Bankenabgabe und die – auch vom Internationalen Währungsfonds (IWF) empfohlene – Finanzmarktaktivitätssteuer sind international konsensfähig und setzen unmittelbar im Risikobereich an. Sie erfassen Gewinne, Gehälter und Boni im Finanzmarktsektor. Kreditinstitute, deren Risiken höher sind, sollen auch eine höhere Abgabe zu zahlen haben und der Anreiz, wegen hoher Boni hohe Risiken einzugehen, wird hiermit ebenso eingeschränkt.
Die Finanztransaktionssteuer hingegen besteuert jeden Vorgang unabhängig davon, welches Risiko damit einhergeht. Der Fondssparer wäre genauso betroffen wie der Hedgefonds-Investor. Auch eine konservativ anlegende Lebensversicherung schichtet ihre Anlagen regelmäßig um und würde damit erheblich belastet. Anders als die Finanzmarktaktivitätssteuer differenziert die Finanztransaktionssteuer also nicht zwischen hohen und niedrigen Risiken. Sie ist daher ungeeignet, den Finanzmarkt stabiler zu machen. Gerade in Zeiten heftiger Verwerfungen auf den Märkten mit extremen Kursschwankungen wird sie im übrigen keine riskanten Geschäfte verhindern. Ebenso träfe die Steuer mittelständische Exporteure, die ausländische Umsätze in Euro tauschen und große Industrieunternehmen, die Rohstoffe für die Produktion mithilfe von Termingeschäften beschaffen, um mit stabilen Preisen kalkulieren zu können. Auch bei einer prozentual geringen Ausgestaltung der Steuer hätten vor allem diese Unternehmen aufgrund vielfach wiederkehrender Umsätze hohe Belastungen zu tragen. Eine zusätzliche Belastung der deutschen Realwirtschaft hätte aber fatale Auswirkungen im Hinblick auf den gegenwärtigen Zustand der Weltwirtschaft. Deshalb bevorzuge ich die Einführung einer international abgestimmten Finanzmarktaktivitätssteuer.
Daneben bedarf es weiterer Maßnahmen, um den Finanzsektor zu regulieren und vor allem zu stabilisieren. Die Regierungskoalition hat deshalb ein umfassendes Maßnahmenpaket zusammengestellt. Dieses umfasst unter anderem:
- Einführung aufsichtsrechtlicher Instrumente zur Restrukturierung systemrelevanter Banken. Das Kreditwesengesetz wird so erweitert, dass im Vorfeld einer Bankeninsolvenz durch die Aufsichtsbehörden eingegriffen werden kann.
- Einführung eines neuen Insolvenzverfahrens für systemrelevante Banken. Dies soll es ermöglichen, eine Sanierung mithilfe von Verhandlungslösungen der Beteiligten herbeizuführen. Außerdem soll es ein vorgeschaltetes Sanierungsverfahren beinhalten, um Schieflagen durch frühes und entschiedenes Eingreifen auf die Geschäftsführung zu bewältigen.
- Erhebung einer Bankenabgabe, zur Errichtung eines Stabilitätsfonds. Dieser Fonds soll zur Finanzierung künftiger Rettungs- bzw. Restrukturierungsmaßnahmen bei Banken dienen. Beitragspflichtig werden alle deutschen Kreditinstitute sein. Die Höhe des Beitrages wird sich an der Höhe der eingegangenen Risiken der Banken orientieren.
- Schaffung einer unabhängigen europäischen Ratingagentur zur Bewertung von Unternehmen und Staaten, um die Abhängigkeit von den drei US-amerikanischen Ratingagenturen zu überwinden.
- Verschärfung der Regulierung für die in Europa investierenden Hedgefonds. Dies umfasst die Verschärfung der Regulierung von sog. ungedeckten Leerverkäufen.
- Freiwillige Gütesiegel für Finanzprodukte, mit denen die Eignung von Finanzprodukten für bestimmte Anlagezwecke durch eine unabhängige private Prüfstelle zertifiziert werden kann.
- Bei der Managerhaftung werden bestehende Haftungslücken geschlossen, damit Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden können. Damit einhergehen muss eine Verlängerung der Verjährungsfristen für die Organhaftung bei börsennotierten Aktiengesellschaften von 5 auf 10 Jahre.
- Außerdem setzen wir uns als FDP für die Einführung einer Finanzmarktaktivitätssteuer ein. Im Unterschied zur Finanztransaktionssteuer, die sämtliche Finanztransaktionen belastet, besteuert die Finanzmarktaktivitätssteuer exzessive Gehalts- und Bonuszahlungen der Bankangestellten wie auch Gewinne der Finanzinstitute.
Außerdem ist in der vergangenen Woche bereits ein Gesetz beschlossen worden, wonach die Managervergütungen stärker an langfristigen Zielen orientiert werden müssen. In guten Zeiten können Boni gezahlt werden - aber dann muss es in schlechten Zeiten eben auch einen Malus geben, einen Gehaltsabzug. Das ist bei jedem Familienunternehmen der Normalfall.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Toncar, MdB