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Florian Toncar
FDP
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Frage von Christoph E. •

Frage an Florian Toncar von Christoph E. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Toncar,

Wir Mittelständler und Zulieferer der Automobil-Industrie werden mehr und mehr an die Wand gedrückt. Hier, wo die Politik Rahmenbedingungen schaffen könnte, geschieht seit Jahren NICHTS. Wenn die großen Worte über die tragende Funktion des Mittelstandes glaubwürdig sein sollen, dann muss sich schnellstens etwas ändern. Oder rütteln Sie die Zahlen über insolvente Firmen nicht auf? Viele dieser Unternehmen würden noch leben, wenn die Polotik hier die schon lange überfälligen Rahmenbedingungen geschaffen hätte.

Ich spreche davon, dass Großunternehmen und Konzerne uns Lieferanten und Dienstleistern willkürlich ihre Zahlungsziele aufzwingen können. Aufzwingen, weil kein unternehmen noch einen Auftrag bekommt, der sich dieser Willkür widersetzt.
Zahlungsziele von 60 Tagen sind heute die Regel, 90 Tage (siehe IBM) sind im Gespräch.
Bis das Geld tatsächlich eintrifft gehen nochmals häufig 30-60 Tage ins Land.

Können Sie sich ausrechnen, was das für ein Unternehmen bedeutet? 3 Monats-Umsätze vorzufinanzieren? Dieses Geld muss teuer über Banken finanziert werden. Statt es für Investitionen und Personal einsetzen zu können, wird es durch Kredite gebunden. Wenn Sie es nicht selbst können, dann lassen Sie sich ausrechnen, wieviele Millliarden hier schlagartig freigesetzt werden könnten. Das wäre das größte Wirtschaftsförderungsprogramm aller Zeiten! Und es würde den Bundeshaushalt nicht belasten!

Was nötig wäre, ist
a) Eine gesetzliche Regelung für Zahlungsziele. 7 Tage sind möglich, 14 Tage maximal wären akzeptabel
b) Eine automatische steuerliche Strafe für Unternehmen, die diese Ziele überschreiten
c) eine Entschädigung der Lieferanten, denen Geld vorenthalten wird.
d) Ein Straftatbestand, wenn Unternehmen diese Regelung unterlaufen.

Warum tut die FDP nichts, obwohl sie über diesen eklatanten Misstand schon lange informiert ist?
Was werden Sie konkret tun, um hier Abhilfe zu schaffen?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Eckard,

vielen Dank für Ihre Zuschrift, die ein äußerst wichtiges Thema betrifft, nämlich die Liquidität unserer Unternehmen, gerade die der Mittelständler. Das von Ihnen beschriebene Phänomen, dass insbesondere große Auftraggeber ungewöhnlich langfristige Zahlungsziele durchsetzen oder dass Rechnungen erst deutlich nach Fälligkeit bezahlt werden, ist leider relativ stark verbreitet. Mir ist bewusst, dass spät bezahlte Rechnungen für den Unternehmer, der in Vorleistung gegangen ist, eine erhebliche wirtschaftliche Belastung darstellen, die über Banken zwischenfinanziert werden müssen. Deshalb ist es der Bundesregierung ein Anliegen, die Zahlungsmoral von Schuldnern zu verbessern. Bezahlt ein Auftraggeber eine Rechnung erst nach Fälligkeit, haftet er in der Regel auf den Verzugsschaden und hat die Forderung mit 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Probleme bestehen vor allem dort, wo von Unternehmen vertraglich überlange Zahlungsziele durchgesetzt werden, also überhaupt kein Verzug eintritt, und außerdem dort, wo der Auftraggeber sich zwar im Verzug befindet und Schadensersatz schuldet, der Auftragnehmer es sich aber mit Blick auf Folgeaufträge nicht leisten kann, den ihm zustehenden Schadensersatz auch gerichtlich geltend zu machen. Hier kommt es immer wieder zu einer unfairen oder missbräuchlichen Ausnutzung wirtschaftlicher Macht durch große Auftraggeber.

Diesem Problem beizukommen, gestaltet sich allerdings ausgesprochen schwierig. Zum einen betrifft die Beziehung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer rein private Rechtsverhältnisse, in die der Staat keinen Einblick hat und normalerweise auch nicht eingreifen darf. Zum anderen könnten vielfältige gesetzliche Regelungen auch einfach umgangen werden. Nicht zuletzt wäre eine staatliche Überwachung von Zahlungsfristen mit einem immensen bürokratischen Aufwand verbunden.

Eine gesetzliche Regelung für Zahlungsziele beispielsweise würde im Ergebnis dazu führen, dass die Auftraggeber zwar schneller zahlen müssten, aber dafür gegenüber ihrem Auftragnehmern niedrigere Preise durchzusetzen versuchen würden. Auch eine Zahlungsfrist ist Teil der Preisvereinbarungen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern. Eine gesetzliche Verkürzung von Zahlungsfristen würde deswegen nicht automatisch den Auftragnehmern zugute kommen. Außerdem nützen strenge gesetzliche Zahlungsziele dort nichts, wo der Auftragnehmer sie im Ernstfall nicht einklagen kann, weil er um Folgeaufträge fürchten muss. Vorstellbar wäre für mich aber, eindeutig missbräuchliche Gestaltungen von Zahlungszielen, wie etwa Fristen von über 60 Tagen nach Leistungserbringung, gesetzlich zu untersagen. Das würde die eklatantesten Missbrauchsfälle betreffen. Gleichwohl ist von einer generellen gesetzlichen Regelung kurzer Zahlungsziele meines Erachtens nicht der erhoffte Erfolg zu erwarten.

Auch steuerrechtliche Sanktionen oder gar die Anwendung des Strafrechts gegenüber Unternehmen, die Rechnungen nicht pünktlich bezahlen, halte ich nicht für sinnvoll. Weder das Steuerrecht noch das Strafrecht sind Mittel, mit denen die Einhaltung privatrechtlicher Verträge durchgesetzt werden können. Unser Steuerrecht leidet heute schon darunter, dass es zu viele Sonderregelungen gibt, mit denen Ziele erreicht werden sollen, die mit der Besteuerung an sich nichts zu tun haben. Das Steuerverfahren würde erheblich verkompliziert, wenn die Finanzämter ermitteln müssten, ob der Steuerschuldner seine Rechnungen pünktlich bezahlt. Das ist meines Erachtens verwaltungstechnisch nicht leistbar, denn das ganze muss ja in jedem Einzelfall gerichtsfest nachgewiesen werden. Das Strafrecht schützt in Deutschland grundsätzlich nicht die Einhaltung von Verträgen. Nur wer einen Vertrag durch Täuschung seines Vertragspartners abschließt, kann wegen Betruges zur Rechenschaft gezogen werden. Es ist also bereits nach heutigem Recht strafbar, einen Auftragnehmer zur Vorleistung zu verpflichten, und dabei ein Zahlungsziel zu vereinbaren, von dem man von vornherein weiß, dass man es nicht einhalten kann oder will (sogenannter Eingehungsbetrug). Ich halte das Strafrecht, wie wir es haben, daher für ausreichend. Was die zivilrechtliche Seite betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass bei einem evidenten Missbrauch wirtschaftlicher Macht wie etwa durch die Durchsetzung von Wucherbedingungen die Sittenwidrigkeit einer solchen Vereinbarung bewirkt werden kann, sodass an deren Stelle die gesetzliche Regelung träte. Insofern bietet auch unser Zivilrecht für krasse Missbrauchsfälle eine gewisse Handhabe.

Ich gebe also offen zu, dass ich - bei allem guten Willen - wenige Möglichkeiten sehe, durch neue gesetzliche Eingriffe und Überwachungsmechanismen die Situation der Auftragnehmer so zu verbessern, wie Sie es sich verständlicherweise wünschen.

Ich bin der Auffassung, dass es eher Aufgabe der Politik sein muss, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Liquidität unserer Unternehmen, gerade im Mittelstand, zu verbessern. Erste Schritte dazu haben wir in der christlich-liberalen Koalition durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz umgesetzt. Die darin enthaltenen Regelungen zur Unternehmensbesteuerung vermeiden, dass Unternehmen im bisherigen Umfang Steuern auf Kosten zahlen müssen. Das ist ein erheblicher und ganz konkreter Beitrag zur Stärkung der Liquidität unserer Unternehmen. Auch im Rahmen der Steuerstrukturreform, die die Koalition im Koalitionsvertrag vereinbart hat, müssen meines Erachtens Regelungen enthalten sein, die die Liquidität unserer Unternehmen verbessern. Dazu zähle ich die dauerhafte Einführung der degressiven AfA, eine tendenzielle Verkürzung der Abschreibungsfristen und eine weitere Erhöhung der Grenze für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter. Im Mehrwertsteuerrecht sollten meines Erachtens alle Möglichkeiten ausgenutzt werden, die das Europarecht uns bietet, um von der Soll- auf die Istbesteuerung umzustellen. Das bedeutet, dass die Mehrwertsteuer erst mit Bezahlung der Rechnung fällig wird und nicht auch noch vom Leistungserbringer vorfinanziert werden muss. Gleichzeitig ist es meines Erachtens nach nötig, auf europäischer Ebene darauf hinzuwirken, dass die Mitgliedstaaten bei der Umstellung der Mehrwertsteuer von Soll- auf Istbesteuerung größere Spielräume bekommen als bisher. Eine solche Umstellung würde auch bedeuten, dass der Auftraggeber den Vorsteuerabzug bei der Umsatzsteuer erst nutzen kann, wenn er die Rechnung auch tatsächlich bezahlt hat. Das würde die Anreize, Rechnungen möglichst spät zu bezahlen, ein gutes Stück mindern.

Sehr geehrter Herr Eckard, wie Sie sehen, kann ich Ihnen keine perfekte oder einfache Lösung des Problems anbieten. Insbesondere habe ich große Bedenken, ob der Staat die Aufgabe hat und in der Lage ist, so massiv in private Rechtsverhältnisse einzugreifen wie Sie vorschlagen und ob das am Ende für die mittelständischen Unternehmen auch den Vorteil hätte, den Sie sich davon versprechen. Ich hoffe aber, gleichzeitig deutlich gemacht zu haben, dass das Thema Liquidität im Mittelstand für die Bundesregierung ein wichtiges Thema ist und dass ich mich auch ganz persönlich für dieses Anliegen einsetzten werde.

Mit freundlichen Grüßen

Florian Toncar, MdB

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