Frage an Florian Toncar von Steffen S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Toncar,
am 5. November 2000 verabschiedete das Europäische Parlament seine Entschließung zum Antrag der Türkei auf Beitritt zur Europäischen Union und zum Stand der Verhandlungen auf der Grundlage des von Philippe Morillon im Auftrag des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, gemeinsame Sicherheit und Verteidigungspolitik erarbeiteten Berichts.
Unter anderem wurde auch eine Antragsänderung angenommen in dem die türkischen Behörden aufgefordert wurden, den Völkermord an der armenischen Bevölkerung während des Ersten Weltkriegs einzugestehen ( http://www.europarl.europa.eu/intcoop/euro/jpc/turk/history2004_turkey_de.pdf ) (s. Seite 6 2.Absatz).
Nun meine Fragen:
- Wie bewerten Sie den Einfluss der Türkischen Islamischen Union der Anstalt für Religion (türkisch: DITIB), die der dauerhaften Leitung, Kontrolle und Aufsicht durch das staatliche türkische Religionsministerium (leugnet immer noch den Völkermord an den christlichen Armeniern) untersteht, auf die Muslime hier in Deutschland?
- Wie ist in diesem Zusammenhang zu werten, dass für den Bau einer Grossmoschee in Köln-Ehrenfeld der Bauauftrag an den Solinger Holocaust-Leugner Günter Kissel ( http://www.ksta.de/html/artikel/1195816850274.shtml ) vergeben wird ( http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Die-Dritte-Seite;art705,1999666 )?
- Wie ist es zu bewerten wenn, überspitzt gesagt, das Land Nordrhein-Westfalen und die EU aus Steuermitteln (~3,2Millionen Euro) mit Völkermordleugnern und Holocaustleugnern, zusammenarbeiten.
- Ist es unter dem Hintergrund der Völkermordleugnung der Türkei immer noch unterstützenswert das die in Deutschland arbeitenden Imane der DITIB in der Türkei ausgebildet werden? Besteht hier nicht die sehr große Gefahr das die Leugnung des Völkermordes in die deutschen Moscheen getragen wird?
Ich bin mir bewusst das meine Fragen sensible Themen ansprechen. Trotzdem im voraus ein "Danke" für die Beantwortung meiner Fragen!
Mit freundlichen Grüßen,
Steffen Schwarz
Sehr geehrter Herr Schwarz,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Mit dem Thema Integration sprechen Sie einen vielschichtigen Politikbereich an, bei dem es nicht den einen einzigen erfolgversprechenden Lösungsweg gibt, sondern in dem eine Reihe von ineinander greifenden Maßnahmen erforderlich sind. Bildung und gute Deutschkenntnisse sind der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe.
Wer unsere Sprache beherrscht und gut ausgebildet ist, hat alle Chancen, in Deutschland eine Arbeit zu finden und in unsere Gesellschaft eingebunden zu sein. Neben einer verbesserten schulischen Bildung von Migrantenkindern, durch gezielte Förderungsangebote, ist der Ausbau der Integrations- und Sprachkurse für Erwachsene ein ebenso wichtiger Bereich. Aber auch eine nachholende Integration bereits hier lebender älterer Zuwanderer muss durch entsprechende Angebote gefördert werden. Leider sind die entsprechenden Kurse größtenteils unterfinanziert, nicht individuell genug und mit einer überbordenden Bürokratie belastet. Hier muss aus meiner Sicht noch nachgebessert werden.
Die FDP hat sich in vielen Bundesländern bereits dafür ausgesprochen, islamischen Religionsunterricht an staatlichen Schulen anzubieten. Bedingung hierfür muss meiner Meinung nach sein, dass der Unterricht in deutscher Sprache gehalten wird und der staatlichen Schulaufsicht unterliegt. In der Etablierung des islamischen Religionsunterrichts an unseren Schulen liegt die Chance, mehr Transparenz zu schaffen und Misstrauen abzubauen.
Soweit Sie die Vergabe des Auftrags zum Bau einer Moschee in Nordrhein-Westfalen ansprechen, kann und will ich mir hierzu kein Urteil erlauben. Dies ist Sache der politischen und gesellschaftlichen Kräfte vor Ort.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Toncar