Frage von Carsten M. •

Mit der Drucksache 20/14717 hat die AFD einen Antrag vorgelegt, der die Finanzierung & Existenz von frühkindlicher Aufklärung ablehnt. Wie stehen Sie zum Thema: Sexualpädagogik & sexuelle Bildung?

Wir als Fachberatungsstelle beobachten zunehmend massive Verunsicherung zum Thema sexuelle Bildung – sowohl bei Erziehenden als auch bei pädagogischen und psychosozialen Fachkräften. Meinungen statt Wissen treffen auf Unsicherheit und Scham in Bezug auf Sexualität und die damit verbundenen Themen. Der von der AfD eingebrachte Antrag knüpft an die Narrative der vermeintlichen ‘Frühsexualisierung’ an, die seit Jahren propagiert und in diversen Medien befeuert wird. Dabei werden etablierte Konzepte der BZgA und WHO gezielt in Frage gestellt. Diese Vorgehen führt nicht nur zur Verbreitung von Unwahrheiten, sondern auch zu persönlichen Anfeindungen und Bedrohungen von Kolleg*innen. Dabei ist sexuelle Bildung essenziell, um Kinder in ihrer persönlichen Entwicklung, ihrem Schutz vor Übergriffen und der Fähigkeit zu selbstbestimmten Entscheidungen alters- und entwicklungsentsprechend zu begleiten.

Portrait von Filiz Polat
Antwort von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihre Frage und Ihre wichtigen Beobachtungen als Fachberatungsstelle. Ihre Schilderungen bestätigen, was auch wir in dieser Debatte wahrnehmen: Eine zunehmende Verunsicherung, die durch gezielte Desinformation geschürt wird.

Sexuelle Bildung ist essenziell - nicht nur für die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, sondern auch als Schutzfaktor gegen sexualisierte Gewalt. Eine altersgerechte, wissenschaftlich fundierte Sexualpädagogik gibt jungen Menschen die Werkzeuge an die Hand, um selbstbestimmt über ihren Körper, ihre Beziehungen und ihre Grenzen zu entscheiden. Studien belegen, dass gute sexualpädagogische Konzepte Kinder und Jugendliche stärken, nicht überfordern. Sexuelle Aufklärung und Sexualkundeunterricht sind seit Jahrzehnten integraler Bestandteil der Bildungspläne. Schulen erfüllen damit ihren verfassungsrechtlichen staatlichen Auftrag. Denn Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt zu schützen, ist eine zentrale Aufgabe des Staates und der Gesellschaft. Die unmittelbare Verantwortung für den Schutz von Kindern und Jugendlichen tragen wir als Erwachsene - nicht nur als Eltern, sondern z. B. auch als Lehrer*innen. Junge Menschen brauchen sachlich korrekte und fundierte Informationen, um sich beispielsweise vor sexuell übertragbaren Erkrankungen zu schützen, aber auch für die persönlichen Orientierung und den Halt. Die Aufklärung zu verschiedenen sexuellen Orientierungen und Identifikationen sowie angemessene Unterstützungsangebote schaffen Resilienz und beugen möglichen psychischen Folgen vor.

Der Antrag (Drucksache 20/14717) der AfD ist ein weiteres Beispiel für die Strategie der Rechten, wissenschaftlich fundierte Bildungsangebote gezielt zu diskreditieren und durch eine Politik der Angst zu ersetzen. Die AfD spricht von einer vermeintlichen "Frühsexualisierung" - ein Begriff, der bewusst falsch verwendet wird, um Aufklärung als Gefahr darzustellen. Dabei werden Inhalte der BZgA und WHO bewusst verzerrt, um Stimmung zu machen. Diese Kampagnen führen nicht nur zur Verbreitung von Unwahrheiten, sondern auch zu massiven Anfeindungen gegenüber Fachkräften, die sich für eine faktenbasierte Aufklärung einsetzen. Ihre Schilderung, dass pädagogische und psychosoziale Fachkräfte zunehmend bedroht werden, ist alarmierend und zeigt, wie weit diese Strategie bereits greift. 

Wir setzen uns entschieden für eine moderne Sexualpädagogik ein, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert und jungen Menschen eine selbstbestimmte Entwicklung ermöglicht. Die Grünen setzen sich auf allen politischen Ebenen für eine faktenbasierte Sexualpädagogik ein. So unterstützt die Bundesregierung mit dem Aktionsplan "Queer Leben" Maßnahmen zur Gleichstellung und Akzeptanz von LSBTIQ*-Personen in Bildung, Recht und Gesellschaft. (Mehr dazu hier https://www.gruene-bundestag.de/unsere-politik/fachtexte/akzeptanz-und-schutz-sexueller-und-geschlechtlicher-vielfalt/)

Auch auf Länderebene gibt es konkrete Verbesserung: In Hessen wurde bspw. der Lehrplan zur Sexualerziehung modernisiert, um Vielfalt sichtbarer zu machen. (Hier nachzulesen https://www.gruene-hessen.de/landtag/lehrplan-sexualerziehung/) Auch die Grünen in NRW haben sich klar gegen die Angriffe der AfD positioniert und betont, dass sexuelle Bildung Kindern Sicherheit gibt - nicht Unsicherheit ( siehe https://gruene-fraktion-nrw.de/reden/norika-creuzmann-die-afd-versucht-diese-arbeit-immer-wieder-in-den-dreck-zu-ziehen/ ). 

Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass Sexualpädagogik nicht durch rechte Kampagnen ausgehöhlt wird. Der AfD-Antrag ist ein Angriff auf aufgeklärte Bildung und eine Gefahr für den Schutz von jungen Menschen. Mein Ziel ist es, dass alle Kinder und Jugendlichen eine altersgerechte, respektvolle und lebensnahe Sexualaufklärung erhalten - frei von Mythen, aber mit der nötigen Sensibilität. Die Sicherheit von sexualpadagogischen Fachkräften ist dafür grundlegend.

Mit freundlichen Grüßen,
Filiz Polat
 

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